BRICS-Treffen 2023 in Südafrika | Bild: picture alliance / Newscom | Gianluigi Guercia

Kommt die gemeinsame BRICS-Währung?

Vor dem BRICS-Gipfel Ende Oktober häufen sich Meldungen aus Russland zu einem neuen internationalen Zahlungssystem sowie zur Einführung einer gemeinsamen Währung des Wirtschaftsbündnisses. Die Hoffnungen darauf werden jedoch von mehreren Akteuren relativiert. Eine Berechnung des Volumens der im internationalen Handel genutzten Währungen zeigt derweil, dass der Yuan nach dem Dollar und dem Euro zur weltweit drittstärksten Währung aufgestiegen ist – was bisherige Statistiken noch kaschieren.

KARSTEN MONTAG, 9. Oktober 2024, 3 Kommentare, PDF

Im August dieses Jahres berichtete die russische Tageszeitung Kommersant auf Basis anonymer Quellen, dass in Sankt Petersburg und Moskau zwei Kryptobörsen zur „Unterstützung ausländischer wirtschaftlicher Aktivitäten“ entstehen könnten. Kryptobörsen sind Handelsplattformen für digitale Währungen, welche nicht als gesetzliches Zahlungsmittel fungieren. Hintergrund sei die Schaffung von Stablecoins – digitalen Währungen, die an die Wertentwicklung konkreter Vermögenswerte gekoppelt sind – , die entweder durch die chinesische Währung Yuan (ausgesprochen „Ü-en“, auch bekannt als „Renminbi“) gedeckt sein sollen, oder durch einen Korb von Währungen der BRICS-Länder, so die Zeitung weiter. Bereits im März hatte der Kremlberater Juri Uschakow bekannt gegeben, dass die BRICS-Staaten an einem unabhängigen Zahlungssystem arbeiten, das auf digitalen Währungen und Blockchain – dezentraler Buchführung – basieren soll. Der russische Botschafter in China, Igor Morgulow, bestätigte im Juli zudem, dass die BRICS-Mitglieder über eine einheitliche Währung verhandeln. Eine Schaffung in naher Zukunft sei jedoch unwahrscheinlich.

Der entscheidende Unterschied einer Blockchainwährung besteht darin, dass alle Transaktionen dezentral verbucht werden und es daher im Prinzip keiner zentralen Autorität bedarf, die für die Korrektheit der Buchführung bürgt und die den Wert und die Geldmenge steuert. Anders als die Blockchain-Währung Bitcoin, die frei gehandelt wird und deren Wert stark schwankt, sollen Stablecoins, wie der Name schon sagt, stabiler sein, indem sie etwa eins zu eins gegen eine bestehende Währung getauscht werden können. Das rückt Stablecoins in die Nähe von digitalem Zentralbankgeld. Letzteres muss jedoch nicht unbedingt dezentral organisiert sein, wie beispielsweise der elektronische chinesische Yuan e-CNY zeigt. Der e-CNY ist das erste digitale Zentralbankgeld, das von einer größeren Wirtschaftsnation eingeführt wurde und befindet sich seit 2021 im Test. Er wird von der chinesischen Zentralbank herausgegeben, hat den gleichen Wert wie der traditionelle Yuan und wird in einer herkömmlichen zentralen Datenbank verbucht.

Aus Sicht Russlands liegt der größte Vorteil einer Kryptowährungin der Unabhängigkeit von etablierten Zahlungssystemen, insbesondere von SWIFT, dem größten Kommunikationssystem zur Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs. SWIFT wurde 1973 in Belgien gegründet und wird de facto von den Großbanken der G10-Staaten sowie deren Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank kontrolliert. Da dieses Zahlungssystem dem belgischem Recht unterliegt, haben auch Beschlüsse der EU Einfluss darauf. So hat SWIFT seit 2012 von der EU sanktionierte iranische Banken sowie seit 2022 die von der EU sanktionierten russischen und belarussischen Banken und Finanzunternehmen ausgeschlossen.

Mögliche Deckungen einer BRICS-Währung

Die Deckung eines in Russland herausgegebenen Stablecoins durch chinesische Yuan – statt durch russische Rubel – wird verständlich, wenn man die Außenhandelsdaten Russlands mit seinen derzeit wichtigsten Handelspartnern China und Indien betrachtet.

Abbildung 1: Wert des russischen Außenhandels mit China und Indien in US-Dollar, Datenquellen: Trading Economics, Observatory of Economic Complexity, Reuters, Sputnik News India

Nach Aussagen des stellvertretenden russischen Premierministers Alexander Nowak, werden 40 Prozent der Öl- und Gasexporte nach China in Yuan abgewickelt. Auch ein Teil des Ölexports nach Indien wird in Yuan beglichen, selbst wenn dies der indischen Regierung missfällt. Diese verfolgt das Ziel, die indische Rupie zu einer alternativen Reservewährung zu machen. Laut der US-Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace wurde im Dezember 2023 ungefähr ein Drittel des russischen Außenhandels in Yuan abgewickelt. 2023 hätten sich auf russischen Banken Yuan im Wert von fast 70 Milliarden Dollar angesammelt. Aus russischer Sicht erscheint es daher sinnvoll, diese Währungsreserven als Sicherheit für einen Stablecoin zu verwenden, der eins zu eins gegen chinesische Yuan eingetauscht werden kann.

Die Deckung eines Stablecoins durch einen Währungskorb basierend auf Reserven der BRICS-Länder in ihren jeweiligen eigenen Währungen Real, Rubel, Rupie, Ren­minbi und Rand knüpft an die R5-Initiative beziehungsweise R5+-Initiative des Wirtschaftsblocks an. Die Bezeichnung „R5“ leitet sich davon ab, dass alle fünf Währungen der BRICS-Länder mit einem R beginnen. „R5+“ bedeutet, dass der Währungskorb auch Reserven neuer Mitglieder des Wirtschaftsbündnisses in deren jeweiliger Landeswährung beinhaltet. Eine derartige Währung setzt jedoch das Einverständnis aller BRICS-Mitgliedsstaaten voraus, zumindest der fünf Gründungsländer.

Vor dem letzten BRICS-Gipfel in Südafrika 2023 kursierten Spekulationen, dass das Staatenbündnis die Einführung einer goldgedeckten gemeinsamen Währung ankündigen würde. Eine durch Edelmetalle gedeckte Währung war Gegenstand einer Konferenz der BRICS-Staatschefs 2022. Die Zentralbanken der BRICS-Länder hatten zudem ihre Goldreserven in den letzten zwei Jahrzehnten zum Teil massiv aufgestockt.

Abbildung 2: Goldreserven der Zentralbanken der BRICS-Länder in Tonnen, Datenquelle: Trading Economics

Der stellvertretende Direktor der New Development Bank, der Südafrikaner Leslie Maasdorp, hatte jedoch noch vor dem Gipfel 2023 solche Spekulationen entkräftet. Die New Development Bank ist eine 2014 von den BRICS-Staaten gegründete Entwicklungsbank mit Hauptsitz in Schanghai. Analog zur Weltbank dient sie zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten und der Infrastruktur innerhalb der teilnehmenden BRICS-Staaten. Sie ist nicht zu verwechseln mit einer gemeinsamen Zentralbank, deren Gründung eine Voraussetzung für die Herausgabe einer einheitlichen BRICS-Währung wäre. In einem Interview äußerte Maasdorp damals, die Entwicklung von Alternativen zum Dollar seien „eher ein mittel- bis langfristiges Ziel“. Es gebe „keinen Vorschlag, eine BRICS-Währung zu schaffen“. Dementsprechend fand sich in der Abschlusserklärung des Gipfels 2023 hinsichtlich neuer Zahlungsmethoden auch nur folgender Passus:

„Wir sind uns der weitreichenden Vorteile von schnellen, kostengünstigen, transparenten, sicheren und inklusiven Zahlungssystemen bewusst. (…) Wir begrüßen den Erfahrungsaustausch der BRICS-Mitglieder bezüglich der Zahlungsinfrastrukturen, einschließlich der Verknüpfung von grenzüberschreitenden Zahlungssystemen. Wir gehen davon aus, dass dies die Zusammenarbeit zwischen den BRICS-Ländern weiter vertiefen und den weiteren Dialog über Zahlungsinstrumente fördern wird, um die Handels- und Investitionsströme zwischen den BRICS-Mitgliedern und anderen Entwicklungsländern zu erleichtern. Wir betonen, wie wichtig es ist, die Verwendung lokaler Währungen im internationalen Handel und bei Finanztransaktionen zwischen den BRICS-Ländern und ihren Handelspartnern zu fördern. Wir ermutigen auch zur Stärkung der Korrespondenzbankennetze zwischen den BRICS-Ländern und zur Ermöglichung von Abrechnungen in lokalen Währungen. (…) Wir beauftragen unsere Finanzminister und/oder gegebenenfalls Zentralbankpräsidenten, sich mit der Frage der lokalen Währungen, Zahlungsinstrumente und Plattformen zu befassen und uns bis zum nächsten Gipfel Bericht zu erstatten.“

Keine einheitliche Position zu einer BRICS-Währung

Somit scheint in absehbarer Zeit nicht mit der Herausgabe einer gemeinsamen BRICS-Währung, die eine echte Alternative zum Dollar oder Euro darstellen würde, zu rechnen sein. Offensichtlich fehlt es am Willen aller BRICS-Mitgliedsstaaten. Während Russland und der Iran, der dem Bündnis 2024 beigetreten ist, vom Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen sind und daher dringend nach Alternativen zum US-Dollar und zum Euro suchen, pflegen China, Indien, Brasilien und Südafrika sowie die neuen Mitglieder jeweils zum Teil noch intensive Handelsbeziehung mit den USA und der EU.

Abbildung 3: Anteil des Außenhandels der jeweiligen BRICS-Staaten mit verschiedenen Regionen 2022, Datenquelle: Observatory of Economic Complexity, Anmerkung: Russlands Handel mit Europa ist 2023 aufgrund der westlichen Sanktionen und dem Lieferstopp an Gas deutlich zurückgegangen, die Exporte nach Europa um 68 Prozent, die Importe aus Europa um 12 Prozent.

Lediglich Brasiliens Präsident Lula da Silva favorisiert neben Russland öffentlich die Einführung einer einheitlichen BRICS-Währung. Indien hat hingegen bisher eine gemeinsame Währung kategorisch ausgeschlossen und will eine derartige Option nur unter der Voraussetzung verfolgen, dass China nicht teilnimmt.

Die russische Zeitung Kommersant zitiert in ihrem jüngsten Bericht zur möglichen Einrichtung zweier Kryptobörsen in Russland auch kritische Einschätzungen. Laut Michail Uspenskij, Mitglied des Expertenrats des russischen Parlamentes für die gesetzliche Regelung von Kryptowährungen, birgt die Einführung von Stablecoins erhebliche Risiken. Da Blockchain „ein relativ transparentes Gebilde“ sei, könnten „im Falle einer Verletzung der Vertraulichkeit“ Informationen über Transaktionen in Sanktionslisten aufgenommen werden. Dies könne die zukünftigen Nutzer der digitalen Währung erheblich schädigen, so Uspenskij. Nur diejenigen, die keine Wahl hätten, würden diese Währung verwenden, schließt Nikita Vassev, Gründer eines russischen Forums zu Kryptowährungen.

Neue Zahlungssysteme

Die Sorge der BRICS-Staaten ist davon geprägt, dass die USA und die EU durch Sanktionen ihren Außenhandel empfindlich beeinträchtigen können. Handelsembargos können nicht nur die sanktionierten Länder vom Handel mit dem Westen abschneiden. Sie können auch dazu führen, dass diese Länder nicht mehr an ausreichende Mengen an Devisen wie US-Dollar, Euro oder andere international akzeptierte Währungen kommen, um den Handel mit anderen Ländern abzuwickeln, sofern diese keine lokalen Währungen akzeptieren. Der Ausschluss von SWIFT kann dazu führen, dass der Außenhandel eines so sanktionierten Landes noch weiter eingeschränkt wird – wenn kein alternatives Zahlungssystem bereit steht. Denn ohne ein Kommunikationssystem zur Abwicklung von zwischenstaatlichen Finanztransaktionen nützt auch die gegenseitige Akzeptanz lokaler Währungen nichts. Dieses Szenario wurde erstmals 2012 real, als SWIFT die iranischen Banken von der Nutzung ausschloss.

In der Folge haben einige BRICS-Staaten zunächst eigene internationale Zahlungssysteme entwickelt und den Außenhandel zum Teil auf lokale Währungen umgestellt. Russland startete Ende 2017 das SPFS („System zur Übermittlung von Finanznachrichten“). Damit werden internationale Finanztransaktionen in Rubel abgewickelt. Laut der russischen Nachrichtenagentur TASS waren damit 2021 insgesamt 400 Teilnehmer sowie 23 ausländische Banken aus Armenien, Weißrussland, Deutschland, Kasachstan, Kirgisistan und der Schweiz verbunden. Anfang 2024 meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax, dass die Anzahl der Teilnehmer auf 557 und die Anzahl der teilnehmenden Länder auf 20 gestiegen sei. Wie viele Transaktionen in welcher Gesamthöhe über das System abgewickelt werden, ist nicht bekannt, da diese Informationen von Russland nicht veröffentlicht werden.

Auch Indien und Brasilien verfügen über eigene Zahlungssysteme. Diese werden jedoch bisher kaum für die Abwicklung internationaler Finanztransaktionen genutzt. Deutlich erfolgreicher ist das 2015 in China gestartete Cross-Border Interbank Payment System (CIPS). Laut eigenen Angaben verzeichnete es Mitte 2024 150 direkte und 1.401 indirekte Teilnehmer in insgesamt 117 Ländern. Laut einem Bericht der chinesischen Zentralbank wurden mit CIPS 2023 täglich durchschnittlich 25.900 Transaktionen abgewickelt, was ein jährliches Volumen von 123 Billionen Yuan – umgerechnet 17 Billionen US-Dollar – ergab.

Im Vergleich zu SWIFT muten diese Zahlen gering an: Laut deren Angaben wurden 2022 im Schnitt täglich 45 Millionen Transaktionen von insgesamt 11.000 Teilnehmern in über 200 Ländern und Regionen abgewickelt. Das jährliche Volumen der Zahlungen wird von SWIFT nicht veröffentlicht. Einem Dokument der Unternehmensberatung McKinsey von 2018, bei dem ein leitender SWIFT-Manager Co-Autor war, ist jedoch zu entnehmen, dass die mit SWIFT übertragene Geldmenge im Schnitt dem 1,8-fachen des jährlichen Weltbruttoinlandsprodukts entspricht. Dies würde bedeuten, dass 2023 ein Geldvolumen im Wert von circa 190 Billionen US-Dollar übertragen wurde.

Der wahre Stellenwert der chinesischen Währung

Laut dem RMB-Tracker, einem monatlichen Bericht von SWIFT, liegt der Anteil des mit dem Zahlungssystem abgewickelten Geldvolumens in chinesischen Yuan mit knapp 5 Prozent weit hinter dem US-Dollar, dem Euro und sogar dem Britischen Pfund.

Abbildung 4: Anteil der Währungen am Volumen der SWIFT-Transaktionen im Juli 2024, Datenquelle: SWIFT

Über 80 Prozent der Transaktionen in Yuan finden laut den SWIFT-Berichten zudem allein zwischen Hongkong und Festlandchina statt. Berechnet man jedoch auf Basis des RMB-Trackers und des geschätzten Gesamtvolumens der jährlichen SWIFT-Transaktionen die Volumina der einzelnen Währungen und berücksichtigt auch das Yuan-Volumen, das mithilfe von CIPS abgewickelt wird, ergibt sich ein anderes Bild.

Abbildung 5: Volumen der wichtigsten Währungen im internationalen Zahlungsverkehr (SWIFT und CIPS, Werte in US-Dollar), Datenquellen: SWIFT, CIPS

Demnach liegt der Yuan im internationalen Zahlungsverkehr deutlich an dritter Stelle und gewinnt in der Tendenz – im Gegensatz zum Euro – an Bedeutung. Parallel zu den Verhandlungen innerhalb der BRICS-Staaten zur Schaffung einer gemeinsamen Währung, hat sich also der Yuan als einzige bisher ernstzunehmende Alternative herauskristallisiert.

„BRICS Bridge“ als Alternative zu SWIFT

Seit 2018 arbeiten die BRICS-Gründungsstaaten bereits an einer digitalen Zahlungsplattform auf Grundlage des Blockchain-Verfahrens namens „BRICS Pay“. Eine Einführung ist bis dato nicht erfolgt. Im August dieses Jahres erklärte Walentina Matwijenko, Vorsitzende des russischen Föderationsrates, die Schaffung einer digitalen Abwicklungs- und Zahlungsplattform namens „BRICS Bridge“ als Alternative zu SWIFT befände sich „in einem guten Stadium der Vorbereitung“. Das neue Zahlungssystem werde „im Dialog mit anderen Zentralbanken und Finanzministerien aller BRICS-Länder, einschließlich der neuen Länder“ erörtert. Sie äußerte zudem die Hoffnung, dass sich der Gipfel der BRICS-Staatschefs Ende Oktober 2024 mit dem Thema befassen werde. Zurückhaltender äußerte sich im Juli noch Elwira Nabiullina, Direktorin der russischen Zentralbank. Das Staatenbündnis befände sich zwar in Gesprächen über das BRICS Bridge-Zahlungssystem. Diese gestalteten sich jedoch schwierig und es werde Zeit brauchen ein solches System zu schaffen.

Derweil haben US-amerikanische Androhungen von Sekundärsanktionen gegen chinesische Banken offenbar Erfolg. Im Juni drohte das US-Finanzministerium ausländischen Finanzinstituten Sanktionen für den Fall an, dass sie „bedeutende Transaktionen durchführen, erleichtern oder Dienstleistungen erbringen“, an denen bestimmte russische Banken beteiligt sind. Seit August mehren sich nun die Meldungen, wonach chinesische Banken keine Zahlungen aus Russland mehr akzeptieren. Über SWIFT ist es der US-Regierung möglich, einzelne Transaktionen nachzuverfolgen und somit ausländische Banken gezielt zu sanktionieren.

Fazit

Nationale digitale Währungen, als zentral organisiertes digitales Zentralbankgeld wie der e-CNY oder als Stablecoin auf Basis des dezentralen Blockchain-Verfahrens, befinden sich derzeit in der Entwicklung oder schon in der Testphase. Eine Einigung der BRICS-Länder über eine gemeinsame Währung erscheint in absehbarer Zukunft aber unwahrscheinlich. Zugleich hat sich der chinesische Yuan zu einer ernstzunehmenden Alternative im internationalen Zahlungsverkehr entwickelt.

Vordergründiges Problem der BRICS-Länder ist derzeit die Einschränkung des zwischenstaatlichen Handels durch den Ausschluss von Banken aus dem SWIFT-Zahlungssystem beziehungsweise aufgrund angedrohter US-Sanktionen beim Handel mit diesen Banken. Nationale Alternativen zu SWIFT bestehen bereits, doch sind bei weitem noch nicht alle Banken an diese Zahlungssysteme angeschlossen. Russland, das derzeit den Vorsitz des Staatenbündnisses innehat, drängt weiter auf die Einführung eines gemeinsamen übergreifenden Zahlungssystems.

Die Ergebnisse des anstehenden BRICS-Gipfels vom 22. bis 24. Oktober im russischen Kasan bleiben nun abzuwarten. Vorbereitend treffen sich die BRICS-Finanzminister und Zentralbank-Direktoren dazu bereits am 10. und 11. Oktober in Moskau.

Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat. Seine bei Multipolar veröffentlichten Recherchen zu den Abrechnungsdaten der Krankenkassen mit Blick auf COVID-19 wurden von verschiedenen Medien aufgegriffen – und erschienen anschließend auch im International Journal of Epidemiology.

PHILIP, 11. Oktober 2024, 12:30 UHR

Aufgrund von eigenem Interesse sowie eigenen Erfahrungen kann ich bzgl. des grenzüberschreitenden Zahlungssystem in/aus Russland berichten: Kartenzahlungen sind sehr verbreitet; Überweisungen kaum, da sehr kompliziert (teilweise pers. Besuch). Insbesondere Überweisungen zwischen den GuS-Staaten (die meisten Russen haben schließlich Verwandte in UA, BY, LT usw.) muss man nicht erst sanktionieren, die sind schon aufgrund eigener Unfähigkeit unmöglich kompliziert, sodass sie niemand nutzt.

Früher hatten viele (fast jeder?) eine Bankkarte mit Visa-Chip und -Logo (oder Mastercard)
Seit einigen Jahren gibt es die russischen MIR-Karten/-Chips in Konkurrenz zu Visa (entwickelt von einer belgischen Firma, glaube ich). Als vorletztes Jahr Visa mitsanktioniert hat, haben ausländische Visa-Karten plötzlich nicht mehr funktioniert, MIR-Karten hingegen funktionierten noch (bspw. eine MIR-Karte aus Russland in Weißrussland oder umgekehrt). Russen konnten somit nicht mehr mit ihren Karten Waren aus der EU bestellen oder in der EU Geld abheben, konnten sich aber dank MIR noch in Weißrussland, Armenien, Usbekistan usw. bezahlen, sogar in der Türkei.

Der Militärisch-Industrielle Komplex versucht laufend, all das zu verhindern und hat immer wieder all diesen Partnerländern Russlands Drohungen ausgesprochen, mit der Folge, dass die Akzeptanz der MIR-Karten weitgehend wieder eingestellt wurde, z.B. in der Türkei [1], Usbekistan [2], Armenien [4], Kirgistan [5]... (wenn die USA sagen "wir [Visa] oder Russland [MIR]", dann wohl lieber Visa); der NATO-Partner Georgien durfte nie kooperieren [6].

Die Banken der österreichischen Raiffeisengruppe [3] waren anfangs von den Sanktionen ausgenommen, auch hier gab es nun ernstzunehmende und bestimmt nicht folgenlose Drohungen aus dem Westen.

Das betrifft vielleicht nicht SWIFT oder SPFS, ist für Iwan Normalo aber umso bedeutender.
Und es handelt sich auch nicht wirklich um geheime oder versteckte Informationen, denn die zuständigen CIA-Agenten, die die Wikipedia befüllen, haben das schon längst aufgeschreben.

Zwar sind Banküberweisungen an ein beliebiges Ziel nicht so einfach wie bei uns, stattdessen gibt es bei den Banken ein einheitliches System, welches dort registrierte Dienstleister gruppiert auflistet und wo jeder selbst dort bezahlen kann, was dort eben verfügbar ist, inkl. Behörden. Das hat auch seine Vorteile (einheitlich, Barzahlung, mehr Kontrolle statt Lastschrift), ist aber keine Lösung für grenzüberschreitende Zahlungen, um die es im Artikel geht.

[1] Türkei: https://www.reuters.com/business/finance/turkish-lender-isbank-halts-use-russias-mir-payment-system-2022-09-19/
[2] Usbekistan: https://www.ft.com/content/faf49f59-d059-48b9-98c3-6b1d675cfba9
[3] Raiffeisen-Banken: https://www.reuters.com/business/finance/austrias-raiffeisen-faces-us-wrath-over-russian-business-2024-05-15/
[4] Armenien: https://www.civilnet.am/en/news/768638/armenian-banks-stop-accepting-russias-mir-cards-as-us-sanctions-start-to-bite/
[5] Kirgistan: https://www.themoscowtimes.com/2024/04/04/kyrgyzstan-says-suspended-mir-payment-cards-under-threat-of-shutdown-a84741
[6] Georgien: https://nbg.gov.ge/en/media/news/another-clarification-of-the-national-bank-regarding-the-mir-cards-payment-system

GLUECKSDRACHE, 20. Oktober 2024, 22:55 UHR

Danke für Ihren interessanten und super recherchierten Beitrag!

GLUECKSDRACHE, 18. Oktober 2024, 10:30 UHR

Vielen Dank für diesen beeindruckenden Bericht, Herr Montag! Für mich zeigt dies ganz besonders, dass Sanktionen nur eine sehr kurze Wirkung haben und sich vielleicht sogar derjenige, der die Sanktionen ausspricht, selber schadet. Denn: Jede Sanktion ist auch ein enormer Vertrauensverlust in die Währung und Zahlungsverkehrssysteme dieser Länder. Wie kann es denn sein, dass das "Völkerrecht" Kriegserklärungen und somit gewaltsame Verschiebungen von Grenzen zulässt, andererseits diese Staaten dann aber abgeschnitten werden?

Beim Iran ist es ähnlich: Hat wohl den Atomwaffensperrvertrag derzeit nicht rechtskräftig unterschrieben, wird aber trotzdem sanktioniert.

Hat vielleicht doch ein Parteichef einer inzwischen in die Bedeutungslosigkeit abdriftenden kleinen Ampel-Partei Recht gehabt, wenn er sagt: "Wandel durch Handel"? Denn: Sanktionen treffen immer die Bürger und nicht die Führungsschicht des betroffenen Landes. Und natürlich den eigenen Mittelstand, der über Nacht die Existenz verliert. Das können spezialisierte Reiseveranstalter sein, Speditionen, die im Verkehr zwischen beiden Ländern führend waren. Und: Ohne Kontakte zwischen den Ländern entfremden sich die Bevölkerungen weiter....

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