Der Krieg ernährt den Krieg
KARSTEN MONTAG, 28. November 2024, 3 Kommentare, PDF„Der Krieg ernährt den Krieg“ – so beschrieb Friedrich Schiller das Vorgehen der Söldnerheere im Dreißigjährigen Krieg, angesichts leerer Staatskassen den Lebensunterhalt ihrer Soldaten durch Abgaben, Kontributionen und Plünderungen aufzubessern. Diese Einnahmen gingen hauptsächlich zu Lasten der einfachen Bevölkerung in den Regionen, durch welche die Heere zogen und in denen sie Krieg führten. Und heute? Nach Auskunft der Bundesregierung hat Deutschland seit Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 der Ukraine Leistungen im Gesamtwert von über 37 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – in Form der Aufnahme von Flüchtlingen, direkten Zahlungen oder Waffenlieferungen.
Abbildung 1: Ukrainehilfe des Bundes nach Ressort in Euro, Datenquelle: Deutsche Bundesregierung, Stand: 21.11.2024
Geplant sind weitere Waffenlieferungen sowie Kredite von der EU und den Staaten der G7. Auch die Aufenthaltstitel der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland wurden vorerst bis zum März 2025 verlängert.
Geldquelle: Höhere Steuereinnahmen wegen steigender Energiepreise
Die in der Verfassung verankerte und seit 2011 geltende Schuldenbremse hat die maximale Höhe der Nettokreditaufnahme deutlich reduziert. Ausnahmen sind nur für Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen vorgesehen. Beides trifft nicht auf den Krieg in der Ukraine zu. Offiziell dürfen Zahlungen an die Ukraine daher nicht durch neue Schulden finanziert werden. Einen Hinweis, woher ein Großteil der Mittel stammt, liefern die Tabellen des Bundeshaushalts.
Abbildung 2: Bundeshaushalt in Euro, Datenquellen: Statistisches Bundesamt und Statistische Bibliothek
Die seit 2020 deutlich erhöhten Ausgaben wurden größtenteils durch zweckgebundene Neuverschuldungen für den „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ und das „Sondervermögen Bundeswehr“ finanziert. Auffällig ist jedoch, dass trotz eines stagnierenden Wirtschaftswachstums mit einer Tendenz zur Rezession auch die Einnahmen des Bundes seit 2021 deutlich gestiegen sind.
Laut der Kassenergebnisse des Öffentlichen Gesamthaushalts sind zwischen 2021 und 2022 allein die Einnahmen des Bundes aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben um 30 Milliarden Euro gestiegen. Zwischen 2022 und 2023 ist noch einmal ein Plus von über 16 Milliarden Euro zu verzeichnen. Zudem sind die Einnahmen des Bundes aus Gebühren und sonstigen Entgelten zwischen 2022 und 2023 um mehr als sieben Milliarden Euro angewachsen. Die höheren Steuereinnahmen sind größtenteils auf gestiegene Einnahmen bei den Gemeinschaftssteuern zurückzuführen: Lohnsteuer, Umsatzsteuer sowie diverse Unternehmens- und Kapitalertragsteuern. Der Bund erhält davon Anteile zwischen 42,5 und 50 Prozent.
Abbildung 3: Staatseinnahmen aus Gemeinschaftssteuern in Euro, Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Tabelle 71211-0001
Ungewöhnliche Zuwächse sind bei der Umsatzsteuer, der Einfuhrumsatzsteuer sowie einigen Unternehmenssteuern zu verzeichnen. Die außergewöhnlich hohen Einkünfte des Bundes 2022 und 2023 resultieren also größtenteils aus höheren Verbraucherpreisen, die wiederum auf höhere Energiepreise zurückzuführen sind – welche ihrerseits ja erst durch den Krieg und die von Deutschland mitbeschlossenen Sanktionen ausgelöst wurden.
An den Folgen des Krieges, die hauptsächlich zu Lasten deutscher Verbraucher und Unternehmen gehen, verdient der Bund also mit und kann mit den außergewöhnlichen Einnahmen wiederum den Krieg in der Ukraine finanzieren. Leidtragende dieses Teufelskreises sind in Deutschland insbesondere die unteren und mittleren Einkommensschichten, die immer größere Probleme haben, für die höheren Nahrungsmittel- und Energiepreise aufzukommen. Unterstützungen von Seiten des Staates wie die einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro, die temporäre Senkung des Umsatzsteuersatzes für Gaslieferungen zwischen Oktober 2022 und März 2024 oder die einmaligen Heizkostenzuschüsse für Bürgergeldempfänger in 2022 und 2023 mit einem Budget von insgesamt 53 Millionen Euro haben die Einnahmesteigerungen des Bundes kaum geschmälert.
Kürzungen bei den Kommunen sowie de facto bei der Rente
Am 7. November, einen Tag nach dem Bruch der Ampelkoalition, hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in einem Interview erklärt, dass für die deutsche Unterstützung der Ukraine Kürzungen bei Sozialleistungen vorgenommen worden seien. Als Beispiel nannte sie die frühkindliche Bildung in der Kita und Schule, die nicht weiter finanziert wird. Diese Aussagen stehen in deutlichem Gegensatz zur Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Dezember 2023, „einschneidende Kürzungen im Sozialbereich“ seien „ausgeschlossen“. Scholz hat zudem wenige Tage nach Baerbocks Eingeständnis in einem Interview bekräftigt, dass Kürzungen bei den Geldern für Renten, Kommunen und „die Zukunft unseres Landes“ mit ihm nicht zu machen seien. Was also ist richtig?
Bei der Spurensuche fällt zunächst auf, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil des Bundeshaushaltes mittlerweile in so genannte „Extrahaushalte“ ausgelagert wurde. Dies macht die Nachverfolgung von Einnahmen und Ausgaben sowie der Verschuldung des Bundes intransparent und schwer nachvollziehbar. Zu diesen Extrahaushalten gehören beispielsweise der bereits genannte „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ sowie das „Sondervermögen Bundeswehr“. Doch auch einige Entlastungen des Bundes zugunsten der Kommunen sind auf Extrahaushalte verteilt. Hierunter fallen beispielsweise die „Sondervermögen“ „Ausbau der Betreuung für Kinder bis zum Schuleintritt“ (Laufzeit 2007 bis 2026), und „Ausbau Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter“ (Laufzeit 2020 bis 2028).
Um das Budget dieser Extrahaushalte einzusehen, muss man tief in die Haushaltsplanung des Bundes eintauchen. Die beiden genannten Sondervermögen sind beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angegliedert. Aus dem Haushaltsplan des Ministeriums für 2024 geht hervor, dass für 2023 und 2024 das Budget für diese beiden Sondervermögen komplett gestrichen wurde. Diese Erkenntnis bestätigt die Aussagen der Außenministerin und straft den Bundeskanzler Lügen.
Ähnlich sieht es bei den Zuschüssen des Bundes zur Rentenversicherung aus. Berücksichtigt man die hohe Inflation seit 2021, ist das preisbereinigte Budget für die Zuschüsse des Bundes seit 2022 deutlich zurückgegangen.
Abbildung 4: Zuschüsse des Bundes zur Rentenversicherung, nominal und preisbereinigt in Euro, Datenquellen: Bundesministerium der Finanzen, Statistisches Bundesamt, Tabelle 61111-0001
Ein angemessener Inflationsausgleich hat also bei den Renten nicht stattgefunden. Zwar rühmt sich die Bundesregierung damit, dass die Renten beispielsweise in 2022 deutlich angehoben wurden (um 5,35 Prozent im Westen und um 6,12 Prozent im Osten). Doch die Preise sind 2022 im Vergleich zu 2021 um 7,9 Prozent gestiegen. Scholz hat also auch bezüglich der Renten sein Wort nicht gehalten.
Weitere Kürzungen im Haushalt
Nominal sind im Bundeshaushalt 2024 Kürzungen gegenüber den Vorjahren in den Ressorts Gesundheit, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Auswärtiges Amt zu verzeichnen. Berücksichtigt man die Inflation, fanden Kürzungen de facto auch bei den Ressorts Bildung und Forschung, Wirtschaft und Klimaschutz sowie Ernährung und Landwirtschaft statt.
Abbildung 5: Preisbereinigter Etat ausgewählter Ressorts in Preisen von 2020 in Euro, Datenquellen: Bundesministerium der Finanzen, Statistisches Bundesamt, Tabelle 61111-0001
Insbesondere die Kürzung beim Gesundheitsetat, die 2024 preisbereinigt im Vergleich zu 2019 bei zehn Prozent liegt, ist auffallend. Die Kosten der anstehenden Krankenhausreform in Höhe von 50 Milliarden Euro sollen zur Hälfte von den gesetzlich Krankenversicherten getragen werden. Der Gesundheitsexperte des BSW, Matthias Schrappe, bezeichnete diese Art von Finanzierung daher als „versteckte Steuer“ – ein weiterer Hinweis darauf, dass das Geld für die Ukraine an anderen neuralgischen Punkten des deutschen Staatshaushalts fehlt.
Markant sind auch die Kürzungen beim Auswärtigen Amt und dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Beide Ressorts haben die Ukraine mit jeweils knapp zwei Milliarden Euro unterstützt – unter anderem zur Räumung von Minen, dem Ersatz der Energieinfrastruktur, der Dokumentation von Kriegsverbrechen sowie zum Wiederaufbau der Ukraine. Durch die hohen Hilfeleistungen für die Ukraine und die Budgetkürzung fällt die Finanzierung ähnlicher Leistungen, beispielsweise im Gazastreifen, deutlich geringer aus. Eine Anfrage von Multipolar, in welcher Höhe das Auswärtige Amt jeweils für die Ukraine und den Gazastreifen Mittel für humanitäre Hilfe sowie die Dokumentation von Kriegsverbrechen und Kriegszerstörung bereitgestellt hat, wurde nicht konkret beantwortet.
Intransparent: Die Zahlungen des Bundesfinanzministeriums an die Ukraine
Laut Auskunft der Bundesregierung hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Zahlungen in Höhe von 7,27 Milliarden Euro für die Ukraine geleistet. Schwerpunkt der Leistungen sollen „die finanzielle und logistische Unterstützung der Länder und Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von aus der Ukraine Geflüchteten“ sein. Allerdings findet sich im Haushalt des Ministeriums kein einziger Posten, der derartige Leistungen in Milliardenhöhe widerspiegelt. Des Weiteren ist aus der Auskunft der Bundesregierung zu erfahren, dass das BMF Zuschüsse zu einem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Ukraine verwalteten Konto und ein zeitlich befristetes Schuldenmoratorium bereitgestellt hat. Schlussendlich würden im Rahmen der Verantwortung für die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts die Holocaust-Überlebenden in der Ukraine vom Ministerium unterstützt.
Auf der Webseite des BMF ist zu erfahren, dass der über das Sonderkonto des IWF an die Ukraine übermittelte bilaterale Zuschuss sich auf eine Milliarde Euro belief. Die Zahlungen an die 10.000 Holocaust-Überlebenden in der Ukraine machten insgesamt etwa zwölf Millionen Euro aus. Es ist aus den Veröffentlichungen des BMF jedoch nicht erkennbar, aus welchen Töpfen die verbleibenden mindestens sechs Milliarden Euro finanziert wurden. Eine Anfrage von Multipolar, in der eine detaillierte Auflistung der Finanzierung der Unterstützungsleistungen für die Ukraine durch das BMF erbeten wurde, wurde nur unzureichend beantwortet.
Waffenschenkungen für die Ukraine aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“
Nach Informationen der Bundesregierung erfolgt die militärische Unterstützung der Ukraine aus Beständen der Bundeswehr und durch Lieferungen der Industrie, die aus Mitteln der Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung finanziert werden. So soll seit dem 24. Februar 2022 Material aus Beständen der Bundeswehr mit einem geschätzten Wiederbeschaffungswert von etwa 5,2 Milliarden Euro an die Ukraine abgegeben worden sein.
Weitere Finanzierungen erfolgen im Rahmen der „Ertüchtigungsinitiative“.
Die Liste der gelieferten Waffensysteme ist lang: Kampfpanzer Leopard 1 und 2, Schützenpanzer Marder, Mehrzweckfahrzeuge, Truppenfahrzeuge, Flakpanzer, Brückenlegepanzer, Minenräumpanzer, Luftverteidigungssysteme, Luftraumüberwachungssysteme, Panzerhaubitzen, Raketenwerfer, Munition, Drohnen, Drohnenabwehrsysteme und etliches mehr. Bisher wurden beispielsweise 88 Kampfpanzer Leopard 1 A5, 18 Kampfpanzer Leopard 2 A6 sowie 140 Schützenpanzer Marder an die Ukraine verschenkt.
Aus einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums geht hervor, dass die Kosten für die derzeit 105 für die Bundeswehr bestellten Kampfpanzer Leopard 2 A8 über das „Sondervermögen Bundeswehr“ und den regulären Verteidigungshaushalt aufgebracht werden. Eine weitere Mitteilung weist darauf hin, dass 50 Schützenpanzer Puma über das „Sondervermögen Bundeswehr“ finanziert werden. Der Schützenpanzer Puma löse den Schützenpanzer Marder ab. Es ist offensichtlich, dass de facto die an die Ukraine abgegebenen Waffensysteme durch neuere Modelle, die über das „Sondervermögen Bundeswehr“ finanziert werden, ersetzt werden.
Bis 2023 wurde die Ersatzbeschaffung für die Bundeswehr offiziell über den Einzelplan 60 „Allgemeine Finanzverwaltung“ des Bundeshaushalts finanziert. Im zugehörigen Haushaltsplan findet sich unter dem Titel „687 03“ die Formulierung: „Ersatzbeschaffungen für Material, das zum Zwecke einer zeitgerechten Ertüchtigung aus den eigenen Beständen der Bundeswehr abgegeben wurde, können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen aus diesem Titel finanziert werden.“ Das Budget für 2022 war mit zwei Milliarden, das Budget für 2023 mit 2,2 Milliarden Euro festgelegt worden.
Im Haushaltsplan für 2024 wurde unter diesem Titel ein Budget von knapp 7,5 Milliarden Euro eingeplant. Es findet sich in diesem Dokument zudem der Zusatz: „Verpflichtungen für Folgejahre für Ersatzbeschaffungen für an die Ukraine abgegebenes militärisches Material werden zu Lasten der bei diesem Titel veranschlagten Verpflichtungsermächtigung begründet.“ Diese Verpflichtungsermächtigung ist mit einer Finanzierung von sechs Milliarden Euro ausgestattet.
Mitte Dezember 2023 wurde jedoch bekannt, dass die Bundesregierung sich darauf geeinigt hat, ab 2024 die Wiederbeschaffung von abgegebenen Waffensystemen an die Ukraine aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“ zu finanzieren. Die Entscheidung ist jedoch rechtlich heikel, denn das „Sondervermögen“ wurde zur Finanzierung von Ausrüstungsvorhaben der Bundeswehr eingerichtet und nicht zur Ersatzbeschaffung von Waffensystemen, die an die Ukraine abgegeben werden. Von dem Budget der Ertüchtigungsinitiative für 2024 stehen laut Auskunft der Bundesregierung 7,1 Milliarden Euro als „bilaterale militärische Unterstützung“ für die Ukraine bereit. Darin enthalten seien 256 Millionen Euro für „die Wiederbeschaffung von an die Ukraine abgegebenem Material“. Hinzu kämen „520 Millionen Euro aus Mitteln des Sondervermögens der Bundeswehr für Wiederbeschaffungen“.
In der Auskunft der Bundesregierung finden sich auch Angaben für die Kosten der Wiederbeschaffung von den an die Ukraine gelieferten Waffensystemen in den Vorjahren, die über die Ertüchtigungsinitiative finanziert wurden. Für 2022 fielen 51,6 Millionen, für 2023 fielen 236,8 Millionen Euro an. Zusammen mit den für 2024 eingeplanten 256 Millionen Euro für Wiederbeschaffung sind also insgesamt Waffensysteme im Wert von etwas mehr als einer halben Milliarde Euro mithilfe der Ertüchtigungsinitiative ersetzt worden. Diese Wiederbeschaffungen können also nur zu einem geringen Teil die an die Ukraine abgegebenen Waffensysteme mit einem Wert von 5,2 Milliarden Euro ersetzen.
Auf Nachfrage von Multipolar beim Verteidigungsministerium, ob durch das „Sondervermögen Bundeswehr“ auch diejenigen Waffensysteme ersetzt werden, welche die Bundeswehr der ukrainischen Armee zur Verfügung gestellt hat, antwortete eine Sprecherin, dass „Wiederbeschaffungen aufgrund von militärischen Abgaben aus den Beständen der Bundeswehr zur Unterstützung der Ukraine grundsätzlich über den Einzelplan 60 finanziert“ würden. Trotz Nachhakens nahm die Sprecherin zu den Widersprüchen zwischen ihrer Aussage und der Auskunft der Regierung keine Stellung.
Mit den rechtlichen Folgen der Entscheidung der Bundesregierung haben sich auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages beschäftigt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Frage, ob die Finanzierung von Wiederbeschaffungen von an die Ukraine abgegebenen Waffensystemen aus dem Sondervermögen Bundeswehr mit den Vorgaben der zugrundeliegenden Gesetze vereinbar wäre, entscheidend davon abhängt, ob „die Wiederbeschaffungen der Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ dienen. Beim Erwerb lediglich militärisch gleichwertiger Waffensysteme könne man sich auf den Standpunkt stellen, dass „die Finanzierung der Wiederbeschaffung nicht dem gesetzlich vorgegebenen Zweck der Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ dient. Anders wäre die Situation jedoch zu beurteilen, so die Wissenschaftlichen Dienste, wenn „das zuvor vorhandene Waffensystem im Rahmen der Wiederbeschaffung durch ein militärisch höherwertiges System“ ersetzt wird.
Unabhängig davon, ob mittlerweile offiziell Ersatzbeschaffungen über das Sondervermögen Bundeswehr finanziert werden oder nicht, wird de facto ein beträchtlicher Teil der an die Ukraine abgegebenen Waffensysteme durch neuere Modelle ersetzt. Diese werden wiederum zu großen Teilen aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“ finanziert, bei dem es sich um eine Neuverschuldung des Bundes handelt.
Keine Kürzungen bei den Empfängern von Bürgergeld
Den größten Anteil der deutschen Unterstützung der Ukraine machen mit knapp 15 Milliarden Euro die Finanzierung der Flüchtlinge über das Bürgergeld sowie andere Sozialleistungen aus. Die Anzahl der ausländischen Bürgergeldempfänger ist im ersten Halbjahr 2022 sprunghaft angestiegen.
Abbildung 6: Anzahl der Bürgergeldempfänger in Deutschland, Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit, Tabelle „Bedarfsgemeinschaften und deren Mitglieder - Deutschland, West/Ost, Länder und Kreise (Monatszahlen)“
Hier wurde offenbar nicht gekürzt. Angesichts der Steigerung des Budgets für das Bürgergeld/Arbeitslosengeld II und der Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sind selbst unter Berücksichtigung der hohen Inflation keine Kürzungen bei diesen Leistungen je Bedarfsempfänger festzustellen. Diese Erkenntnis wird auch durch die Erhöhung des Regelsatzes des Bürgergelds 2023 und 2024 bestätigt.
Abbildung 7: Budget Bürgergeld und Beteiligung an Leistungen für Unterkunft und Heizung je Bedarfsempfänger in Euro, Datenquellen: Bundesagentur für Arbeit, Tabelle „Bedarfsgemeinschaften und deren Mitglieder - Deutschland, West/Ost, Länder und Kreise (Monatszahlen)“, Bundesministerium der Finanzen, Statistisches Bundesamt, Tabelle 61111-0001
Was bleibt als Fazit? Die Mehrausgaben für die Flüchtlinge aus der Ukraine, wie auch die Kosten für die immens teuren Waffengeschenke an Kiew werden mit Steuern auf stark angestiegene Verbraucher- und Energiepreise, Kürzungen im Sozialbereich sowie als „Sondervermögen“ kaschierten neuen Schulden finanziert. Sie sind sämtlich Folge einer verfehlten beziehungsweise fehlenden deutschen Diplomatie.
Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.
Weiterer Artikel zum Thema:
- Aufrüstung: Bei wem landet das Geld? (Karsten Montag, 21.11.2022)
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