Forsa-Umfrage: 19 Prozent hatten Impfnebenwirkung, 40 Prozent fordern Untersuchungsausschuss
PAUL SCHREYER, 15. Oktober 2024, 15 Kommentare, PDFLaut einer von Multipolar initiierten und von der Neuen Osnabrücker Zeitung daraufhin beauftragten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sind 40 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Zeit zu weit gingen. Im Osten sagt das sogar eine Mehrheit von 51 Prozent. Bislang wurden niedrigere Zahlen berichtet. So ergab eine Umfrage im April dieses Jahres, dass lediglich 31 Prozent der Befragten die Maßnahmen rückblickend für unangemessen hielten.
Mitverantwortlich für die deutliche Zunahme der Kritik ist offenbar die Veröffentlichung der RKI-Protokolle. Laut der aktuellen Umfrage wissen zwar immer noch nur 28 Prozent der Deutschen von diesen Protokollen, doch fast die Hälfte von diesen, 12 Prozent aller Befragten, sehen die Maßnahmen, seit sie von den Protokollen erfahren haben „jetzt kritischer“. Hochgerechnet acht Millionen Bürger sind demnach durch die Kenntnis der Dokumente skeptischer geworden (nimmt man die erwachsene Bevölkerung als Bemessungsgrundlage, die ungefähr 80 Prozent der Gesamtbevölkerung und damit 67 Millionen ausmacht). Auch bei den Anhängern der Grünen – welche die Maßnahmen weiterhin am stärksten befürworten – sind mehr als ein Drittel derjenigen, die von den RKI-Protokollen gehört haben, nun kritischer.
90 Prozent der Befragten haben eine Corona-„Impfung“ erhalten. Das deckt sich mit den Zahlen des RKI, wonach 87 Prozent der Menschen ab 18 Jahre in Deutschland mindestens eine Injektion mit den mRNA-Präparaten erhielten. Ein methodischer Hinweis: Die im Folgenden präsentierten Prozentahlen zu Impfnebenwirkungen beziehen sich auf die Gesamtmenge aller Befragten, auch der Ungeimpften. Da aber nur 90 Prozent der Befragten geimpft waren, müssen diese Prozentwerte mit dem Faktor 1/0,9 – also 1,1 – multipliziert werden um eine korrekte Bezugsgröße der Anzahl der Nebenwirkungen auf die Zahl der Geimpften zu erhalten.
17 Prozent aller Befragten (19 Prozent der Geimpften) berichten von einer Nebenwirkung nach der Impfung. Dieses Ausmaß steht in starkem Kontrast zu den Aussagen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), nach dessen letztem veröffentlichten Sicherheitsbericht vom März 2023 lediglich „1,77 Verdachtsfallmeldungen auf 1.000 Impfungen“ registriert wurden, also 0,177 Prozent. Da die meisten Menschen mehrere Impfungen erhalten haben (im Durchschnitt drei), liegt die Quote pro Geimpftem entsprechend höher, wird vom PEI aber nicht separat ausgewiesen. Die Quote beruht auf den mehr als 300.000 Verdachtsfallmeldungen, die beim PEI im Rahmen des Spontanmeldesystems eingegangen sind. Sie stammen zum einen von Ärzten, zum anderen aber auch direkt von den Betroffenen. In welchem Verhältnis Ärzte und Betroffene Nebenwirkungen meldeten, hat das PEI nicht veröffentlicht. Die Behörde erklärt: „Meldungen über den Verdacht einer Nebenwirkung aus der Spontanerfassung sind zumeist nicht geeignet, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer gemeldeten unerwünschten Reaktion und der Gabe eines Impfstoffes herzustellen.“
Paul-Ehrlich-Institut überfordert mit Auswertung
Allerdings war das PEI nach eigener Aussage mit der Auswertung der Verdachtsfälle aufgrund von deren Anzahl völlig überfordert. Das ZDF berichtete bereits im Juni 2021 dass die Daten von 500.000 Bürgern, die Nebenwirkungen über eine Smartphone-App des PEI („SafeVac“) gemeldet hatten, „zunächst nur erhoben – aber noch nicht ausgewertet und veröffentlicht“ wurden, da die Behörde durch die Masse der Meldungen vollkommen überlastet sei. Das PEI äußerte damals, „die Aufbereitung von Zwischenergebnissen für die wissenschaftliche Veröffentlichung für das Fachpublikum in einem Fachmagazin“ befinde sich „weiterhin in der Vorbereitung“. Bis heute, mehr als drei Jahre später, ist keine solche Auswertung publiziert worden.
Brigitte Keller-Stanislawski, in der Corona-Zeit Leiterin der Abteilung für Arzneimittelsicherheit am PEI, erklärte vor dem Brandenburger Corona-Untersuchungsausschuss im September 2023 ebenfalls, dass man mit der Überprüfung nicht hinterhergekommen sei. Die IT-Struktur der App sei auf die Masse an Meldungen nicht vorbereitet gewesen. Daten von hunderttausenden Meldungen seien unbearbeitet geblieben.
Brigitte Keller-Stanislawski vor dem Brandenburger Corona-Untersuchungsausschuss im September 2023 | Foto: Tom Lausen
Vor wenigen Wochen teilte das PEI mit, nun eine Studie zu beginnen, um die Forschung zur Sicherheit mRNA-Präparate „weiter zu vertiefen“. Dazu müssten aber – mehr als drei Jahre nach Beginn der Impfkampagne – „noch einige datentechnische und methodische Hürden überwunden werden“. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang von „Arbeitsverweigerung“ der Behörde. Klar ist ein massiver Interessenkonflikt: Da das PEI auch für die Zulassung der mRNA-Präparate zuständig war, würde sein Eingeständnis außerordentlich vieler Impfnebenwirkunegn ein gravierendes Fehlverhalten bei der Zulassung nahelegen. Ehrgeiz bei der Erfassung der Meldungen kann strukturell nicht im Interesse der Behörde liegen.
4 Prozent mit ärztlich bestätigter Nebenwirkung
Die 17 Prozent der Befragten (19 Prozent der Geimpften), die in der Forsa-Umfrage eine Nebenwirkung angegeben haben, gliedern sich folgendermaßen auf: 10 Prozent der Befragten (11 Prozent der Geimpften) suchten keinen Arzt auf, 7 Prozent der Befragten (8 Prozent der Geimpften) hingegen veranlassten die Beschwerden offenbar zu einem Arztbesuch. 4 Prozent aller Befragten bestätigte der Arzt eine Impfnebenwirkung. Diese Zahl deckt sich mit den „circa 4 bis 5 Prozent der geimpften Menschen wegen Impfnebenwirkungen in ärztlicher Behandlung“, von denen Krankenkassenchef Andreas Schöfbeck auf Grundlage seiner eigenen Versichertendaten Anfang 2022 öffentlich sprach – und danach fristlos gekündigt wurde.
Schöfbeck hatte diese Zahl damals dem PEI, der STIKO und der Bundesärztekammer in einem Warnbrief gemeldet, den Multipolar und die WELT gemeinsam veröffentlichten. Das Bundesgesundheitsministerium wehrte die Daten damals als „unseriös“ ab, die Tagesschau bezeichnete sie als „fragwürdig“. Ärztefunktionär Dirk Heinrich nannte Schöfbecks warnenden Appell seinerzeit „kompletten Unfug“. Schöfbeck hatte von einer „erheblichen Untererfassung der Impfnebenwirkungen“ gesprochen und als Grund vermutet, dass keine Vergütung für die Meldung von Nebenwirkungen bezahlt wird und deshalb eine solche Meldung an das PEI „wegen des großen Aufwandes vielfach unterbleibt“. Ergänzend zu nennen ist sicherlich der Interessenkonflikt, dass ein Arzt, der selbst Patienten geimpft hat, indirekt auch eigene Fahrlässigkeit beim Verabreichen der Injektionen einräumen würde, wenn er überdurchschnittlich viele Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen meldet.
Neben den 4 Prozent, denen vom Arzt eine Impfnebenwirkung bestätigt wurde, berichten 3 Prozent aller Befragten, dass der Arzt keine solche Bestätigung gab. Brisant dabei: Zwei Drittel dieser 3 Prozent geben auf Nachfrage an, mit der Meinung ihres Arztes nicht einverstanden zu sein.
Bei der Frage der Impfungen gibt es je nach Parteianhängerschaft erhebliche Unterschiede. So ist nur 1 Prozent der SPD-Anhänger ungeimpft, 3 Prozent der Grünen- und 5 Prozent der CDU/CSU-Anhänger, jedoch 13 Prozent der BSW-Sympathisanten und sogar 35 Prozent der AfD-Anhänger. Letztere beiden Gruppen berichten auch in massiv stärkerer Zahl von Impfnebenwirkungen. Das könnte entweder so interpretiert werden, dass sie aufgrund ihrer Skepsis gegenüber den mRNA-Präparaten unkritischer gegenüber anderen möglichen Ursachen sind und schneller andere Krankheiten als Impfnebenwirkung einordnen – oder es könnte bedeuten, dass sie Nebenwirkungen tatsächlich aufmerksamer zuordnen. Anders gesagt: Da beispielsweise SPD-Anhänger von Beginn an der Impfung nahezu vollständig positiv gegenüberstanden, führen sie eigene Erkrankungen wahrscheinlich auch in weit geringerem Maß auf die mRNA-Injektionen zurück, kommen also gar nicht erst auf die Idee eines Zusammenhangs. Dennoch berichten immerhin auch 3 Prozent der SPD-Anhänger von einer ärztlich bestätigten Impfnebenwirkung (AfD: 7, BSW: 15).
35 Prozent kennen persönlich Menschen mit schwerer Nebenwirkung
Explosiv ist noch eine andere Zahl: 35 Prozent aller Befragten berichten, persönlich jemanden zu kennen, bei dem nach den mRNA-Injektionen schwere Nebenwirkungen aufgetreten sind. Dies räumen auch 20 Prozent der Anhänger der Grünen ein (BSW: 55, AfD: 70). Jedem Dritten in Deutschland ist es heute demnach zweifelsfrei bewusst, dass die Impfung alles andere als risikolos ist – entgegen nahezu sämtlicher Beteuerungen zu Beginn der Impfkampagne.
Laut der Umfrage fordern nun 40 Prozent der Deutschen die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Die größte Gegnerschaft hierzu findet sich bei den Anhängern von CDU/CSU und SPD. 29 Prozent sind zudem der Meinung, dass juristische Ermittlungen mit entsprechenden Konsequenzen gegen die verantwortlichen Politiker eingeleitet werden sollten.
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Zum Hintergrund dieser Umfrage: Im Zeitraum vom 7. bis 8. Oktober wurden 1.000 Personen befragt. Die statistische Fehlertoleranz gibt Forsa mit 3 Prozentpunkten an. Anmerkung: Multipolar hatte bereits im Mai mehrere Umfrageinstitute angefragt. Forsa, Allensbach und Insa antworteten damals nicht und ignorierten die Bitte um ein Angebot (bei der das beabsichtigte Fragethema noch nicht genannt worden war). Infratest dimap reagierte damals als einziges Institut, sagte jedoch ab: es sei „aus Kapazitätsgründen leider nicht möglich“ für Multipolar eine Umfrage durchzuführen. Auf Nachfrage, zu welchem Zeitpunkt voraussichtlich wieder Kapazität frei wäre, kam keine weitere Antwort. Wir wandten uns daraufhin an die Neue Osnabrücker Zeitung, die in diesem Jahr bereits einen Multipolar-Beitrag per Lizenz übernommen hatte. Chefredakteur Burkhard Ewert war zu einer Kooperation mit Multipolar bereit und beauftragte Forsa – was nun ohne Probleme funktionierte.
Korrektur 15.10., 13 Uhr: Im Titel und der Einleitung des Artikels war zunächst die Rede von einer Umfrage „im Auftrag von Multipolar und der Neuen Osnabrücker Zeitung“. Am 15.10. um 10 Uhr erhielt Multipolar ein von Forsa beauftragtes Anwaltsschreiben mit der Aufforderung, bis 13 Uhr eine Unterlassungsverpflichtungserklärung zu unterzeichnen und nicht mehr zu behaupten, die Umfrage sei auch von Multipolar beauftragt worden. Tatsächlich hatte Multipolar die Umfrage initiiert und die zu stellenden Fragen vorgeschlagen, die dann in Abstimmung mit der Neuen Osnabrücker Zeitung formuliert wurden. Formell beauftragt hat die Umfrage aber allein die Neue Osnabrücker Zeitung. Der Text wurde entsprechend geändert.
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