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„In den Schulen herrscht heute Willkür“

Viele Menschen sind negativ von den politischen Corona-Maßnahmen betroffen. Für Kinder und Eltern sind sie „ein wahrer Alptraum“, sagt Diana Osterhage. Die Heilpraktikerin aus Hannover ist niedersächsische Landesvorsitzende der neuen Partei „die Basis“ und aktiv bei der Bürgerinitiative „Eltern stehen auf“. Im Interview beschreibt Diana Osterhage, wie sie von einer frühzeitigen Maskenträgerin zur Maßnahmenkritikerin wurde, warum Lehrer willkürlich Maßnahmen verschärfen und dass Politiker sich von kritischen Fragen provoziert fühlen.

STEFAN KORINTH, 21. Dezember 2020, 1 Kommentar

Multipolar: Frau Osterhage, Sie sind Heilpraktikerin. Erläutern Sie zu Beginn des Gesprächs doch bitte, was Heilpraktiker tun und wie Sie konkret arbeiten.

Osterhage: Heilpraktiker sind neben Ärzten die einzige Berufsgruppe, die selbstständig medizinische Diagnosen stellt und behandelt. Ich bin auf Frauen und Kinder spezialisiert. Die Homöopathie habe ich mir als Heilmethode ausgesucht, weil es neben der chinesischen Medizin die Methode ist, die Gesundheit ganzheitlich wieder herstellt. Der ganze Mensch reagiert ja auf das jeweils gegebene Mittel. Dieses Verständnis erklärt am besten, wie Menschen krank werden und wie sie wieder gesund werden können.

Multipolar: Im Vorgespräch hatten Sie erwähnt, dass die Arbeit von Homöopathen immer auch sozial und biographisch angelegt ist. Was bedeutet das genau?

Osterhage: Was wir als Homöopathen beobachten ist, dass eine Krankheit selten aus dem luftleeren Raum heraus entsteht. Klar wenn man hinfällt und sich das Bein bricht, dann gibt es eine direkte Ursache nämlich den Sturz. Aber warum das Bein bei dem einen gut verheilt und bei dem anderen langsamer oder der sich sogar noch eine Infektion dabei zuzieht, hat wiederum etwas mit dem jeweiligen Menschen zu tun.

Und bei chronischen Erkrankungen ist häufig die Frage: Warum werde ich gerade jetzt krank? Jeder kennt das, in einer stressigen Phase erkrankt man nicht, aber wenn der Stress vorbei ist, dann kommt die Krankheit. In der Stressphase schüttet der Körper Cortisol aus, was quasi dafür sorgt, dass man nicht krank wird. Es hat also mit Stress zu tun. Und eine chronische Krankheit, wie ein Heuschnupfen oder beispielsweise eine Auto-Immun-Erkrankung, das hat oft konkrete zeitliche Auslöser.

Multipolar: Was sind die wichtigsten Stressquellen der Menschen, mit denen Sie in Ihrem Praxisalltag konfrontiert sind?

Osterhage: Die Konzepte, die die Menschen in ihrer Kindheit und Jugend vermittelt bekommen haben. Zum Beispiel, dass Menschen in ihrer Schulzeit auf gute Leistungen und gute Zensuren getrimmt werden, woran wiederum die Anerkennung der Eltern gekoppelt ist. Also für die Eins gibt es ein Lob. Bei der Drei folgt die Frage, warum es keine Zwei geworden ist. Die Kinder werden mit Smileys irgendwo hin motiviert und wenn sie drei Smileys bekommen, dann dürfen sie am Wochenende mit Mama und Papa was Schönes machen. Wer das nicht schafft, wird abgestraft. Anerkennung und Zuneigung werden also an Leistung gekoppelt. Das hat emotionale Folgen.

Jemand, der solche Glaubenssätze von Kindesbeinen an beigebracht bekommen hat, dem fällt das auf die Füße, wenn er beispielsweise im Arbeitsverhältnis steht. Derjenige macht sich dann schon Sonntagabend Stress und Druck, das Gedankenkarussell geht los, alles zu schaffen, was in der Woche ansteht. Nur das gibt Anerkennung. Nach dem Motto: Ich bin nicht gut, weil ich bin, sondern, weil ich etwas geleistet habe. So ein in der Kindheit vermitteltes Konzept, führt dann im Erwachsenenalter mitunter zum Burnout, weil man das Konzept nicht mehr los wird. Beim Krankwerden ist also auch viel Prägung mit im Spiel.

Multipolar: Wie sind Sie als Heilpraktikerin denn zu Jahresbeginn 2020 mit dem damals noch neuen Thema Corona umgegangen?

Osterhage: Ich habe mich früh mit Corona beschäftigt. Im Januar gab es ja schon Informationen und Bilder aus China. Homöopathen suchen den sogenannten Genius Epidemicus – das ist ein für viele Menschen wirksames Heilmittel. In jeder Grippewelle kann man mithilfe der Sentinel-Praxen sehen, von wo sie über das Land rollt und wo sie wann wieder abflaut. Wir Homöopathen stehen deutschlandweit in engem Austausch miteinander. Wenn man dann beispielsweise von den Kollegen erfährt, dass die Menschen in Schleswig-Holstein und in Baden-Württemberg zu 80 Prozent auf dasselbe Mittel gut reagieren, dann kann man sagen, wenn jetzt Leute mit Grippesymptomen zu mir kommen, dann kann ich Menschen auch hier mit diesem Mittel mit guten Erfolgsaussichten behandeln. Eine Grippe darf ich behandeln, aber Infektionskrankheiten sind für Heilpraktiker verboten. Was das für ein Mittel ist, muss man als Homöopath herausfinden, indem man sich an den Symptomen orientiert: Fließschnupfen oder verstopfte Nase, Geschmacks- und Geruchsverlust und so weiter. Das wird dann abgeglichen.

„Das war der Moment, als ich Masken bestellt habe“

Deswegen haben wir früh begonnen, uns auch über das Thema Corona auszutauschen und auf der Suche nach einem möglichen Mittel auf die Symptome zu achten, die in diesen Berichten aus China genannt werden. In den Berichten hieß es zum Beispiel, dass Tröpfchen auf Oberflächen bis zu neun Tage infektiös bleiben. Das war der Moment, als ich Masken bestellt habe. Und hier neben meiner Praxis wohnen viele ältere Leute. Dort habe ich eine Kiste Masken hingestellt und auch welche im Bekanntenkreis verteilt. Ich habe Desinfektionstücher in der Handtasche und Desinfektionsmittel zu Hause gehabt. Wir machen hier in Hannover Car Sharing. Ich habe darauf bestanden, dass wir im Auto Masken anziehen. Nach den Fahrten habe ich in den Autos alles, was wir angefasst haben, desinfiziert. Eben weil ich aus den Berichten erfahren habe, dass es eine neun Tage lange Infektiosität gibt. Ich wollte kein Risiko eingehen und das Auto clean hinterlassen.

Interessanterweise bin ich im Februar krank geworden. Es hat mich richtig mit Fieber ins Bett gehauen, weil ich mich mental so stark mit dem Thema befasst habe. Diese Angst hat mich so geschwächt, dass ich krank geworden bin. Wir saßen also im Februar schon mit Masken im Auto und haben von Passanten fragende Blicke geerntet. Im Verlauf dieser Zeit wurde klar, dass Corona doch nicht so schlimm ist, wie befürchtet. Die Todesfallrate ist deutlich niedriger. Das mit der neun Tage anhaltenden Infektiosität von Tröpfchen scheint auch nicht zu stimmen. Und dann haben wir unsere Masken wieder abgelegt.

Multipolar: Woher hatten Sie diese Informationen, dass es doch nicht so schlimm wie befürchtet ist?

Osterhage: Von der Bundesregierung. Damals wurde zum Beispiel klar und deutlich erklärt, Masken braucht man nicht, weil Masken nichts nützen. Schlussfolgerungen zur geringen Gefährlichkeit konnte man auch aus den Handlungen der Behörden ziehen: Im Januar gab es ja diesen Fall der chinesischen Frau, die bei der Firma Webasto in Bayern mehrere Mitarbeiter angesteckt hatte. Die Reaktion der Behörden damals passte überhaupt nicht zu dem, was an Bildern und Informationen aus China kam. Wenn diese Frau die Leute angesteckt hat, nur indem sie mit denen in einem Raum war, dann muss man doch zwingend nachvollziehen, mit welcher Bahn oder mit welchem Taxi sie vom Flughafen gefahren ist, welche Kontakte sie hatte. Damals gab es ja nur diese eine Frau. Das hätte man gut und einfach nachvollziehen können. Darum hat man sich von Behördenseite aber gar nicht gekümmert.

Das Verhalten der Behörden im Januar war medizinisch nicht nachvollziehbar

Darüber habe ich mich sehr gewundert und gedacht: Wenn das so ansteckend ist, dann muss man doch zwingend diesen Flieger evakuieren und die Kontaktketten bremsen. Wenn Covid-19 so gefährlich ist, dann sollten wir jetzt lieber keine Flugzeuge aus China reinlassen, bis das geklärt ist. Das hat man aber alles nicht getan. Und das war auch der erste Punkt, wo ich mich gewundert habe, weil das aus medizinischer Sicht nicht zusammenpasste. Und auch die betroffenen Mitarbeiter, die positiv getestet wurden damals, die hatten ja größtenteils nicht mal Erkältungssymptome.

Multipolar: Sie haben also aus den Informationen der Regierung, dem Verhalten der Behörden und medizinisch-logischen Überlegungen geschlussfolgert, dass SARS-CoV-2 nicht überdurchschnittlich gefährlich ist und besondere Schutzmaßnahmen unnötig sind.

Osterhage: Genau.

Multipolar: Das ist interessant, denn es ist genau der umgekehrte Weg, den Politik und in der Folge auch die Mehrheit der Menschen hierzulande gegangen sind. Wie haben Sie denn diesen Widerspruch empfunden, als die Politik im März ihre Haltung zur Gefährlichkeit von Corona plötzlich um 180 Grad gedreht und einen Lockdown angeordnet hat?

Osterhage: Ich fand das unnötig und ein Stück übervorsichtig. Da habe ich gar nichts Böses unterstellt oder vermutet, dass da etwas anderes dahinter stecken könnte. Ich habe gesagt: „Okay, dann bleibe ich eben auch zu Hause. Wir machen da jetzt mal mit.“ Aber es wurde dann immer absurder. Spätestens als sie die Masken empfohlen haben, da war für mich der Punkt erreicht, wo es medizinisch vorbei war. Es hat einfach alles dagegen gesprochen.

Im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gab es ein Merkblatt zu Masken. Zu den Community-Masken stand dort, dass diese zwar das Bewusstsein für soziale Distanzierung erhöhen, aber eben nicht vor Viren schützen. Als ich zu Jahresbeginn selbst Maske getragen habe, war mir klar, dass ich damit nicht die Übertragung von Viren verhindern kann, sondern es ging mir darum, beim Sprechen keine Tröpfchen in die unmittelbare Umgebung zu verteilen. Das kann man mit Masken schaffen, aber Viren in der Atemluft kann man damit nicht blockieren.

Multipolar: War Ihre Praxis während des Lockdown geschlossen?

Osterhage: Nein, die war offen, weil es medizinisch notwendig ist, dass sich Menschen mit Allergien behandeln lassen können – gerade in so einer Phase der Grippewelle. Die Menschen mit akuten Covid-Symptomen waren natürlich aufgefordert, sich telefonisch zu melden. Aber es kamen damals sowieso nur wenige neue Patienten.

Multipolar: Hatte sich das Verhalten der Patienten geändert?

Osterhage: Ja. Also mit meinem Patientenstamm mache ich Telefonsprechstunden. Das ist bei Homöopathen nach der Erst-Anamnese normal. Als neuer Patient, der etwa einen Hautausschlag oder chronische Ohrenschmerzen hat, muss man aber zur Anamnese in die Praxis kommen. Und die Zahl der neuen Patienten ist stark zurückgegangen, weil ja alle zu Hause bleiben sollten.

Meine Telefonsprechstunde hatte sich auch sehr geändert, weil die akuten Infekte durch die allgemeine Kontaktreduzierung nicht mehr stattgefunden hatten. Also die Frauen wurden nicht mehr krank, weil die Kinder nicht mehr in die Kindergärten gehen und sich dort nicht mehr anstecken konnten. Es gab auch weniger Allergiesymptome, weil die Leute weniger draußen waren. Aber die Stresssymptome sind gestiegen. Es gab mehr Blutdruckbeschwerden, mehr Sorgen, einige hatten richtig Angst, rauszugehen.

Sprechstunden wurden zu einer Art Seelsorge

Ich habe immer versucht, zu beruhigen und auch das medizinische Vertrauen auf das eigene Immunsystem zu betonen. Ich habe Vitamin C und Vitamin D empfohlen. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Krankheit nicht so gefährlich scheint, wie zu Jahresbeginn vermutet. Es ist auch nicht gesund, die ganze Zeit drinnen zu sitzen. Kontaktreduzierung heißt auch, dass das Immunsystem nicht mehr trainiert wird. Ich habe während des Lockdown in Patientengesprächen oft so eine Art Seelsorge gemacht. Einige Personen waren schon stark in Angst. Mit denen habe ich dann mehrmals pro Woche telefoniert, weil sie sich große Sorgen gemacht haben. Für sie wurde Einkaufen oder das Rausgehen generell großer Stress.

Multipolar: Wenn die politische Empfehlung der Masken Ihr Wendepunkt war, wie ging es dann weiter?

Osterhage: Am 25. April gab es hier in Hannover die erste Demonstration gegen die Maßnahmen der Regierung. Die Gruppe, die das organisiert hatte, heißt „Wir wachen auf“. Da hatte Professor Stefan Homburg eine Rede gehalten. Mir war das ganze Thema damals auch nicht nur aus medizinischer Sicht wichtig. Mit Börsenkrisen oder Bargeldabschaffung hatte ich mich vorher schon beschäftigt. Das ganze Wirtschaftsthema spielte eine Rolle, denn es war klar, dass der Lockdown auch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben wird. Anfang April war zudem schon das Strategiepapier der Bundesregierung geleakt worden, das als „Panikpapier“ bekannt wurde, weil man darin empfahl, der Bevölkerung und vor allem Kindern gezielt Angst zu machen, für den Tod von Verwandten verantwortlich zu sein.

Ich wollte mich zu dem ganzen Themenkomplex bei der Demo gern informieren. Ich bin dann aber nicht hingegangen, weil ich an dem Tag Geburtstag hatte und wir abends ein befreundetes Pärchen zu Gast hatten. Den ganzen Tag hatte ich mit mir gehadert und mich dann geärgert. Ich dachte, es wird die einzige Demo sein, und ich war nicht da. Aber weil die Politik nicht aufgehört hat, gingen auch die Demos weiter und seit dem 2. Mai war ich regelmäßig bei den Protestveranstaltungen. Ich habe mich dort auch mehrere Wochen lang als Ordnerin betätigt.

Multipolar: Sie engagieren sich auch bei der Initiative „Eltern stehen auf“.

Osterhage: Ja, ich habe zwei Kinder, 13 und 15 Jahre alt. Beim Messenger-Dienst „Telegram“ habe ich die Ortsgruppe von „Eltern stehen auf“ in Hannover entdeckt. Die war damals noch sehr klein, hatte nur etwa 40 Mitglieder. Weil die politischen Maßnahmen auch meine Kinder treffen, habe ich mich in der Gruppe noch vor den Sommerferien vernetzt und habe mich da als Admin engagiert. Wir haben dann Treffen organisiert, um die Eltern zusammenzubringen. Und es wurden schnell immer mehr. Es sind jetzt mehr als 300 Mitglieder.

Multipolar: Was sind Ihrer Erfahrung nach die konkreten Gründe dafür, dass Eltern bei der Initiative mitmachen?

Osterhage: Die politischen Maßnahmen wurden immer übergriffiger und die Eltern wollen ihre Kinder dagegen schützen. Befristete Schulschließungen kann man verstehen, wenn man sagt: „Okay, da ist eine Gefahr, wenn viele Leute auf engem Raum zusammensitzen.“ Auch das Wechselmodell – also halbierte Klassen – kann man erst mal nachvollziehen. Aber die Masken in der Schule waren zu viel.

Lehrer haben die Regeln viel härter ausgelegt, als die Politik das vorsah

Für das neue Schuljahr ab dem August ließ der Rahmenplan Hygiene des Landes Niedersachsen den Schulen die Wahl, dass die Schüler auf dem Schulhof entweder Masken tragen oder die jeweiligen Jahrgänge getrennt voneinander Pause machen. An der Schule meiner Kinder musste aber beides gemacht werden: Pausen in getrennten Bereichen und trotzdem mit Masken. Die Regeln waren also schärfer, als es die Verordnung der Landesregierung vorgegeben hatte. Und das war nicht nur an der Schule meiner Kinder so, sondern flächendeckend.

An nahezu allen Schulen herrscht seitdem eigentlich Willkür. Die Lehrer haben das Maskentragen auch im Unterricht zum Teil dringend empfohlen oder sogar angeordnet. Die Kinder, die keine Masken trugen, wurden angesprochen, es gab viel sozialen Druck. An der Schule meiner Kinder hat vor den Sommerferien die Schülervertretung eine Umfrage gemacht, ob die Schüler nicht freiwillig eine Maske tragen wollen. Aber die Schüler haben sich mehrheitlich dagegen entschieden. Es wurde spürbar sozialer Druck aufgebaut aus Teilen der Schülerschaft und auch von Lehrern.

Ich habe der Schulleitung die Frage gestellt, warum die Maßnahmen strenger gehandhabt werden als das Land es vorgibt, aber es gab nur ausweichende Antworten. Ich habe die Schulleitung auf viele Dinge hingewiesen, etwa dass Studien die nur sehr geringe Infektiosität von Kindern nachgewiesen haben, dass von Kindern keine Gefahr ausgeht, ich habe das Infoblatt des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte angehängt, was sagt, dass Masken nicht gegen Viren schützen. Ich habe viele Links in meine E-Mails gepackt.

Ich habe auch auf die Schulordnung hingewiesen. Da stehen ja so tolle Sätze drin wie: Wir helfen den Kindern eigenverantwortlich zu handeln und eigenständig zu denken und so weiter. Kinder, die genau das tun, kriegen in der Realität aber Druck von der Schule. Auf all diese Hinweise habe ich jedenfalls gar keine oder nur ausweichende Antworten bekommen.

Grundschulkinder bleiben noch am ehesten bei sich und sagen: „Maske tragen tut mir nicht gut, ich setze sie ab.“ Aber die Jugendlichen in der Pubertät haben so einen hohen Konformitätsdruck, dass die die Maske auch gegen ihren Willen aufsetzen und es geht ihnen vielfach schlecht damit. Mein Sohn sagte erst, die Maske stört ihn nicht. Später bekam er davon Nasenbluten und er will sie nun nicht mehr aufsetzen.

Das menschliche Miteinander ist völlig auf der Strecke geblieben

Multipolar: Welche Erfahrungsberichte haben Sie bei „Eltern stehen auf“ von anderen Eltern bekommen?

Osterhage: Ich habe ganz viele Zuschriften bekommen, wo Eltern geschildert haben, wie es ihren Kindern geht. Es wurde eigentlich immer schlimmer. Die Kinder mit Attest werden in der Klasse separiert. Die mussten die Pausen getrennt von den anderen verbringen, sie durften das Schulgebäude nach Schulschluss erst eine Viertelstunde nach allen anderen verlassen. Das ist Mobbing von Schutzbefohlenen – vor allem seitens der Lehrer und Schulleitungen. Kinder lässt man vor der Schule stehen, weil sie ihre Maske im Bus liegengelassen haben. Das menschliche Miteinander ist völlig auf der Strecke geblieben.

Multipolar: Mein Eindruck ist, dass gerade Lehrer sehr viel krasser und irrationaler als andere Berufsgruppen mit dem Corona-Thema umgehen. Wie Sie geschildert haben, sind das keine Einzelfälle sondern flächendeckende Vorfälle. Lehrer sind ausgebildete Pädagogen. Gerade sie sollten doch den Anspruch haben, die Potenziale von Kindern zu entfalten, sie weiterzubringen, ihnen jedenfalls nichts Schlechtes zu tun. Und trotzdem sieht man hier ein stark autoritäres Vorgehen, das auf kindliche Verhaltensweisen, Sensibilitäten und Bedürfnisse überhaupt keine Rücksicht nimmt. Wie kann man diese Unversöhnlichkeit vieler Lehrer und diese Bereitschaft erklären, Druck auf Minderjährige auszuüben, sie auszugrenzen und zu instrumentalisieren?

Osterhage: Einerseits ist Schule an sich schon eine autoritäre Struktur. Lehrer verspüren andererseits aber durchaus Druck von beiden Seiten. Es gibt Eltern wie mich, die kritisieren, dass alles viel zu streng ist. Wahrscheinlich gibt es aber auch Eltern, denen alles noch nicht streng genug ist. Der Schulelternrat an der Schule meiner Kinder hat beispielsweise dankend auf meine Informationen verzichtet. Ich hatte angeboten, dass man sich gemeinsam Lösungen überlegen kann. Das wollte man in dem Elternrat aber nicht. Lehrer befinden sich eben in diesem Spannungsfeld und auch sie haben Angst, sich anzustecken. Sie stehen da mit 25 Schülern in der Klasse und haben auch das Verantwortungsgefühl, dass in ihrer Obhut niemand zu Schaden kommen darf.

Die ganze Struktur ist zudem völlig unflexibel. Ich habe zum Beispiel vorgeschlagen, dass Lehrer die Angst haben, zu Hause bleiben können und von dort den Online-Unterricht mit Schülern machen, die ebenfalls zu Hause bleiben. Dass kommt allen Betroffenen entgegen und senkt für alle anderen in der Schule den Infektionsdruck. Das wird dann aber auch nicht genehmigt. Ich möchte derzeit kein Lehrer sein.

Multipolar: Ja, Verantwortungsgefühl und Spannungsfeld sind nachvollziehbar. Aber erklärt das auch, diese extremen Handlungen, die Sie davor geschildert haben? Kinder vor der Schule stehen zu lassen, sie räumlich und menschlich auszugrenzen, Regeln ohne Not zu verschärfen. Sie selbst sprachen von „Mobbing gegen Schutzbefohlene“. Stehen solche Lehrer wirklich in der Mitte eines Spannungsfeldes oder nicht doch viel mehr auf der extremen Seite derjenigen, denen die Regeln gar nicht hart genug sein können?

Osterhage: Ja, das wirkt durchaus extrem. Aber ich glaube, das ist vor allem angstgetrieben. Nicht nur Angst vor der Krankheit, sondern auch Angst vor der Auseinandersetzung. Ich habe mich mit den Lehrkräften meiner Kinder per Mail ausgetauscht – man darf ja wegen Corona nicht mehr ins Schulgebäude. Aber auch die Lehrer gehen auf meine Argumente nicht ein. Sie halten das Thema von sich fern. Vielleicht sind sie sehr stark in Angst und können überhaupt nicht verstehen, warum man diese Maßnahmen jetzt nicht mitmacht. Dazu kommt einfach diese autoritäre Struktur Schule, wo die Lehrer sagen: Du machst diese und diese Aufgaben und wenn nicht, dann gibt es eine schlechte Note oder einen Brief an die Eltern. Also das Denken von Lehrern ist an vielen Stellen auf die Logik geeicht: „Ich ordne an und Du hast das zu tun!“

Die Mehrheit der Lehrer blockt kritische Diskurse ab

Multipolar: Lehrer sind Bildungsbürger, die sich oft auch persönlich den Prinzipien der Aufklärung verpflichtet fühlen und diese auch beruflich den Schülern vermitteln sollen: Also Behauptungen zu hinterfragen, den Streit der Argumente zu suchen, These und Antithese, logische Beweisführung und so weiter. Aber in der Realität müssen wir nun feststellen, dass diese Prinzipien überhaupt keine Rolle spielen.

Osterhage: Das ist auch mein Eindruck, weil ja auch innerhalb der Lehrerschaft kein Diskurs stattfindet. Es gibt kritische Lehrer und die wünschen sich sicher auch einen kritischen Austausch, aber die Mehrheit blockt das ab.

Multipolar: Aus meinem familiären und privaten Umfeld höre ich von Lehrern, dass sie nichts machen könnten, weil das alles Vorgaben von oben sind und sie als Beamte müssten dem Folge leisten und könnten dagegen gar nichts tun. Also Gehorsam statt Aufklärung. Letztlich wären dann eher Parallelen zu Institutionen wie der Polizei angebracht, wo sich auch alle darauf zurückziehen und sagen, sie folgen ja nur Befehlen von oben. Wie beurteilen Sie diese Gesellschaft, in der viele Menschen ihre Verantwortung wegschieben und sich auf Befehlsketten zurückziehen?

Osterhage: Mir gegenüber haben Lehrer auch diese Argumentation benutzt, sie folgen nur Vorgaben von oben. Diese Einstellung findet sich in diesen Berufsgruppen sicherlich stärker, weil sie durch das Beamtentum geprägt sind. Ich kann aber nicht einschätzen, ob die meisten Lehrer vorher schon so denken und sich deshalb einen Beamtenjob suchen oder ob man erst in diesen Strukturen so wird. Ich glaube aber, weil mir dieses Verhalten auch anderswo in der Gesellschaft etwa beim Einkaufen begegnet ist, dass es für viele Leute einfach und bequem ist, sich auf Vorschriften zurückzuziehen, weil sie dann selbst keine Verantwortung übernehmen müssen. Supermarktmitarbeiter sagen auch: „Entschuldigen Sie, ich muss Sie nach Ihrem Attest fragen, weil mein Chef das so will.“

Multipolar: Jetzt haben wir Dezember. Hat sich das harsche Verhalten der Lehrer seit dem Frühling verändert oder ist es gleich geblieben?

Osterhage: Es ist eher schlimmer geworden. Je restriktiver die Maßnahmen werden, desto schlimmer wird auch das Verhalten der Lehrer. Die engagierten Eltern bei „Eltern stehen auf“ haben schon lange befürchtet, dass es eine Maskenpflicht im Unterricht geben wird. Viele haben gehofft, dass man die Klassen teilt und dadurch keine Maskenpflicht nötig ist. Trotzdem wurde hier in Niedersachsen nach den Herbstferien die Maskenpflicht im Unterricht ab Klasse 5 eingeführt. Ab dem 11. Januar wird sie nun auch in Grundschulen im Unterricht eingeführt. Für kritische Eltern ist das ein wahrer Alptraum.

Atteste ohne Diagnosen werden nicht mehr akzeptiert

Dazu kommt, dass bestehende Atteste nicht mehr anerkannt werden, wenn keine Diagnose drinsteht. Vorher wurde das anerkannt, jetzt hat sich die Vorgabe verändert. So als würde man plötzlich ansteckender, wenn in seinem Attest keine Diagnose drinsteht. Jetzt werden die Kinder der Schule verwiesen und der Landesschulbehörde als unentschuldigt fehlend gemeldet, wenn in ihren Attesten keine Diagnose steht. Da gibt es dann auch kein Pardon und kein Augenmaß. Das ist menschlich ein Alptraum und auch von der medizinischen Logik her ein Alptraum.

Multipolar: Teilen Sie den Eindruck, dass es hier nicht um Infektiosität geht, sondern eher darum, dass ein übergriffiger Staat wie ein lernendes System Schritt für Schritt „Schwachstellen“ ausmerzt – man schaut, welche Wege gehen Kritiker, um Corona-Vorgaben zu bekämpfen und dann werden von staatlicher Seite all diese Wege nacheinander verbaut?

Osterhage: Klar, das wird sukzessive unterbunden. Nicht nur über die amtlichen Vorgaben, sondern auch durch Druck auf Ärzte. Es gibt nun schon viel weniger, die Atteste ausstellen. Vielleicht werden auch bald gar keine Atteste mehr zugelassen. Aber trotz des Drucks von außen – es bleibt die persönliche Entscheidung jedes Arztes und jeder Ärztin, ob sie mitmachen und sich beugen oder nicht. Von Hannah Arendt gibt es ein kleines Buch mit dem Titel „Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?“ Darin geht es im Prinzip genau um solche Fragen.

Multipolar: Wie kann die Initiative „Eltern stehen auf“ den Menschen helfen, die dazukommen? Was für Unterstützung kann die Gruppe bieten?

Osterhage: Gefühlt wird es zunehmend weniger. Wichtig ist die Solidarität untereinander. Eltern merken, dass sie die Probleme und Gefahren nicht allein so sehen. Dort bekommt man auch Kontakt zu Anwälten, die bereit sind, Eltern zu vertreten. Das ist eine wichtige Information. Wir vernetzen Eltern mit den Klagepaten. Die haben auch Dokumente zum Download auf ihrer Website.

Der Handlungsspielraum von Eltern wird immer weiter eingegrenzt

Wir haben Briefaktionen gemacht. Briefe an die Schulen geschickt im Namen von „Eltern stehen auf“ damit eben nicht die Mütter und Väter einzeln im Sturm stehen. Wir haben gleich nach den Sommerferien an alle Schulen in Hannover und der Region ein Schreiben geschickt, in dem wir unsere Mithilfe bei der Handhabung des Rahmenhygieneplanes angeboten haben und auf diverse Studien hingewiesen haben bezüglich der Infektiosität von Kindern. Die Schulleitungen ignorieren das aber.

Der Handlungsspielraum wird immer kleiner. Wenn Eltern sagen: „Mein Kind soll keine Maske tragen im Unterricht. Das tut meinem Kind nicht gut.“ Dann kann man sich nur noch ein Attest mit Diagnose besorgen, was immer schwieriger wird, oder man nimmt sein Kind aus der Schule und kommt dann in Kontakt mit dem Jugendamt. Ich habe mich aus der Arbeit bei „Eltern stehen auf“ zuletzt aber etwas rausgezogen, weil ich durch mein politisches Engagement zusätzlich viel beschäftigt bin.

Multipolar: Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Mich würde noch interessieren, wie Politik und Medien mit der Initiative „Eltern stehen auf“ umgegangen sind. Die Kritik von Eltern an den politischen Corona-Maßnahmen ist ja ein gesellschaftlich durchaus relevantes Thema.

Osterhage: Ich kann nur für Hannover sprechen. Positiv berichtet wurde nicht. Wenn dann hieß es, es gebe in der Gruppe „rechte Tendenzen“ also die inzwischen leider üblichen Verleumdungstaktiken. Aber es waren wenig Medienberichte. Man hat versucht, uns zu ignorieren. Dabei gibt es eine Redakteurin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), die sich gezielt mit Schul- und Familienthemen beschäftigt. Und diese Redakteurin ist in der „Eltern stehen auf“-Gruppe bei Telegram und liest da mit. Wir haben mehrfach versucht, mit ihr in Kontakt zu kommen. Auch ich. Aber das hat nicht funktioniert. Es gab bis heute kein Treffen oder Interview oder Ähnliches.

Medien dürfen durchaus mal kritisch über die aktuellen Zustände berichten

Normalerweise würde das zu einer ausgewogenen Berichterstattung gehören, dass man über so eine Initiative wie „Eltern stehen auf“ berichtet. Da gibt es eine Bürgerinitiative, die den kritischen Eltern eine Stimme verleiht. Das muss eine Lokalzeitung doch abbilden. In einem sozialen Miteinander ist es nicht zu vertreten, dass Kinder von institutioneller Seite gemobbt und ausgegrenzt werden, weil sie zum Beispiel aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können. Das ist ein Zustand, den dürfte es nicht geben. Darüber dürfen Medien ruhig auch mal kritisch berichten.

Multipolar: Und wie hat die Politik auf die Initiative „Eltern stehen auf“ reagiert?

Osterhage: Ich war im Herbst zweimal im Schul- und Bildungsausschuss der Stadt Hannover um Fragen zu stellen, einmal mit einer anderen Mutter und einmal mit etwa zehn weiteren Eltern von der Initiative. Man darf da als Bürger hinkommen und jeder darf drei Fragen stellen. Das haben wir gemacht. Zuerst wurden wir vom Vorsitzenden des Ausschusses darauf hingewiesen, dass wir nur mit Maske dort sitzen dürfen, wobei ein Großteil der anwesenden Politiker keine Maske trug. Auf meine Frage, ob seine Aerosole weniger ansteckend seien als meine, antwortete er nicht, sondern verwies auf das Hausrecht. Das ging so weit, dass sogar die Polizei kam und mein Attest prüfte.

In unseren Fragen ging es zum Beispiel um das Thema Lüften. Mir hat der Ausschuss gesagt, dass es keinen Temperaturabfall in den Räumen geben wird, weil die Lehrer stoßlüften und die Heizungsanlagen das gut abfangen. Aber das wird in den Schulen ja willkürlich gehandhabt. Manche Lehrer halten sich daran, aber viele andere haben die ganze Zeit die Fenster offen. Wir haben darauf hingewiesen, dass Kinder in Klassenräumen mit Decken sitzen und frieren. Da hieß es, die könnten ihre Jacken anbehalten oder sich mehr Sachen kaufen. Wir haben gefragt, was finanziell schwache Familien machen sollen. Da sagte man uns, die könnten zur Kleiderkammer gehen. Das klang, ich will nicht sagen menschenverachtend, aber jedenfalls von der viel beschworenen „Solidarität“ war da nichts zu hören.

„Die Lokalpolitiker fühlten sich wohl provoziert von unseren Fragen“

Ich glaube diese Antworten der Politiker im Ausschuss waren ein Stück weit davon getragen, dass sie sich von uns provoziert fühlten. Von unserer Anwesenheit und unseren Fragen. Wir haben damit natürlich auf Missstände hingewiesen. Das kann schon ärgerlich für Politiker sein. Aber dieses Verhalten, einen Missstand aufgezeigt zu bekommen und daraufhin nicht bemüht zu sein, eine tragbare Lösung zu finden, ist schon erschreckend. Der Ausschuss ist sicher nicht für die Beschaffung von Decken zuständig, aber er führt ja diesen Zustand mit herbei und dann ist so ein Verweis auf die Kleiderkammer schon eine unmenschliche Antwort.

Multipolar: Politiker fühlen sich von Fragen provoziert: Stellen Bürger dort sonst keine Fragen?

Osterhage: Ich war nur zweimal in diesem Ausschuss. Aber bei diesen beiden Terminen waren außer uns keine Menschen dort, die Fragen gestellt haben.

Multipolar: Sie haben ja schon angedeutet, dass Sie sich nun auch aktiv politisch betätigen: Sie sind niedersächsische Landesvorsitzende der Partei „die Basis“. Was ist das für eine Partei?

Osterhage: Wir haben die Partei am 4. Juli gegründet. Entstanden ist sie aus dieser Widerstandsbewegung gegen die politischen Corona-Maßnahmen. Viele von uns – ich auch – haben versucht, bei „Widerstand 2020“ Mitglied zu werden. Mir hat daran die Idee gut gefallen, dass Politik anders funktionieren muss. Politik muss von den Bürgern kommen und nicht autoritär von oben nach unten gemacht werden. Jetzt sind da Lobbyisten und Think Tanks und andere, die Einfluss nehmen und drücken den Bürgern ihre Konzepte auf. Es muss anders herum funktionieren.

Bodo Schiffmann sprach immer von einem Talking Stick. Das ist ein indianisches Debattenkonzept – ein Stock, der in der Reihe herumgeht und wer ihn bekommt, darf reden, muss aber zuvor die geäußerte Position seines Vorredners korrekt wiedergeben. Dieses Konzept kommt mir als Homöopathin natürlich entgegen. Ich habe gelernt: Sei für deine Patienten wie ein weißes Blatt Papier. Also in der Anamnese soll man den Gesprächspartner nicht mit eigenen Gedanken interpretieren, sondern abbilden, was sein Gedanke ist, was seine Empfindungen sind. Das habe ich jetzt so viele Jahre gemacht, ich bin großer Freund von interpretationsarmer Kommunikation. Also den Sachverhalt betrachten und nicht meine Emotionen mit drauf zu packen. Das funktioniert mit dem Konzept „Talking Stick“ sehr gut, weil wenn ich erst mal wiederholen muss, was der andere sagt, dann wird deutlich, an welcher Stelle ich Missverständnisse hatte.

Leider hat „Widerstand 2020“ keine Struktur auf die Beine gebracht. Wir hier in Hannover wie auch andere bundesweit waren da aber schon vernetzt. Und dann haben wir „die Basis“ gegründet. Der Rechtsanwalt Ralf Ludwig hat so ein wenig den Anstoß dazu gegeben.

Multipolar: Welche Ziele setzt sich die neue Partei für das Jahr 2021?

Osterhage: Das große Ziel ist die Teilnahme an der Bundestagswahl. Dazu müssen aber 16 Landesverbände vorhanden sein. „Die Basis“ hat aktuell zwölf. Wir müssen ein Parteiprogramm aufstellen. Und wir müssen die Menschen mitnehmen, indem wir unsere Idee davon, wie Politik funktionieren sollte, transportieren. Uns tragen vier Säulen: Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz. Wenn man sein Tun an diesen vier Säulen ausrichtet, macht das ganz viel mit den Debatten.

Die Bürger müssen endlich gefragt und eingebunden werden

Aus meiner Sicht ist es politisch das Wichtigste, dass die Schwarmintelligenz genutzt wird. Also endlich mal die Menschen fragen, was sie für Themen haben, was sie meinen, wo man sich dringend kümmern muss. Themen müssen von Bürgern kommen. Dann braucht es dazu einen Schwarm von Fachleuten – nicht nur einzelne wie jetzt – die verschiedene Lösungsmöglichkeiten dafür erarbeiten.

Multipolar: Und dann stimmen die Bürger über die beste Lösung ab – also direkte Demokratie?

Osterhage: Das ist sicher eine Möglichkeit. Letztlich muss man erarbeiten, welche Werkzeuge am besten funktionieren, um mögliche Lösungen umzusetzen. Heutige Abgeordnete – egal in welchem Parlament – sind eben abgeordnet, also entsendet worden von den Menschen, die sie gewählt haben. Der Abgeordnete müsste sich also in seiner Arbeit eigentlich ständig rückversichern, ob das was er tut, noch im Interesse derjenigen ist, die ihn gewählt haben. Bürger brauchen dazu transparente und vollumfängliche Informationen, um sich ihre Meinung zu bilden. Bürgerbeteiligung muss sichergestellt werden.

Diese Sichtweise ist bei mir aber unabhängig vom Thema Corona entstanden. Das war vorher schon so. Bei den Wahlen hatte ich schon lange nicht mehr den Eindruck, dass da nun jemand dabei ist, der meine Interessen vertritt. Selbst wenn ich mit vielen Dingen in einem Parteiprogramm einverstanden war, gab es immer auch große Themenbereiche, wo ich sagen musste: „Nein, das kann ich nicht unterschreiben.“

Die Krise hat viele gute Leute zusammengebracht, die jetzt handeln

Wahlen funktionierten ja letztlich so: Marketingagenturen stylen Wahlplakate, um Bürger emotional anzusprechen. Die machen dann ihr Kreuz. Und hinterher machen die gewählten Politiker ganz andere Sachen und der Bürger hat keine Chance mehr, Einfluss zu nehmen. Die Corona-Krise ist so gesehen eine gute Fügung, die ganz viele gute kritische Leute zusammengebracht hat, die sich jetzt zusammen auf den Weg machen.

Multipolar: Was sagen Sie denn zur Kritik, dass das jetzt wieder nur eine neue Partei ist, die vom System absorbiert werden wird. Protest- und Reformbewegungen gab es ja vorher schon, die als Parteien antraten, viel ändern wollten, sich aber letztlich sang- und klanglos ins System integrieren ließen – von den Grünen, über die WASG (Die.Linke) bis hin zu den Piraten. Diese Gruppen sind ja heute überhaupt nicht mehr rebellisch oder grundsätzlich kritisch gegenüber den Herrschenden.

Osterhage: Wir müssen alle dafür sorgen, dass das nicht passiert. Eine unserer Säulen ist Machtbegrenzung. In unserer Partei ist es nicht möglich zwei Ämter zu haben. Ich kann Landesvorsitzende sein, aber wenn ich beispielsweise in den Bundestag gewählt würde, müsste ich mein Amt als Landesvorsitzende aufgeben. Personalunion bedeutet immer ein Mehr an Macht. Das muss begrenzt werden.

Wenn es nach unseren Wünschen ginge, gäbe es auch die Möglichkeit, Abgeordnete wieder abzuberufen, wenn das, was er betreibt, nichts mehr mit unseren vier Säulen zu tun hat. Darüber würde dann der Schwarm entscheiden beziehungsweise die Menschen, die den Abgeordneten gewählt haben. Das lässt aber die deutsche Parteienordnung nicht zu. Wenn er im Parlament sitzt, sitzt er da bis zum Ende der Legislaturperiode. Wir suchen noch nach Möglichkeiten, wie es doch gehen könnte.

Macht muss begrenzt werden

Machtbegrenzung ist sehr wichtig. Leute können sich fachlich einbringen, aber wenn sie beginnen, Gruppen zu dominieren, dann müssen sie in ihrer Macht begrenzt werden. Das werden wir erst innerparteilich umsetzen und aus diesen Erfahrungen heraus Konzepte entwickeln, wie man das gesellschaftlich weiterentwickeln kann.

Multipolar: Mit „Wir 2020“ gibt es eine weitere Partei, die aus den Protesten dieses Jahres hervorging. Wie kann garantiert werden, dass das kritische Wählerpotenzial nicht gespalten wird, wenn beide Parteien zur Bundestagswahl antreten? Es könnten ja beide an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, obwohl das Potenzial zusammen groß genug für einen Einzug ist.

Osterhage: Ich gebe Ihnen recht, dass wir alle Menschen und Gruppierungen, die sich kritisch mit der derzeitigen Situation auseinandersetzen, brauchen. Wie der aktuelle Stand bei „Wir 2020“ ist, kann ich nicht sagen. Wir sind dabei, Landes- und Kreisverbände zu gründen und die notwendigen Strukturen für die Teilnahme an der Bundestagswahl zu schaffen.

Multipolar: Was halten Sie von den Leistungen der deutschen Parlamentarier im Jahr 2020 insgesamt?

Osterhage: Ich habe die Abgeordneten in Landesparlament und im Bundestag zu wenig wahrgenommen. Ich habe die Debatten zum Thema Corona vermisst. Ich habe die kritische Auseinandersetzung vermisst. Das hat ja alles nicht stattgefunden. Sie hätten Fachleute befragen müssen. Sie hätten wahrnehmen müssen, dass es auch andere Stimmen gibt, als nur Herrn Drosten. Sie hätten eine Debatte der Fachleute herstellen müssen, damit sie als Abgeordnete selbst eine Entscheidungsgrundlage haben. Sie haben extrem viel versäumt.

Zur Interviewpartnerin: Diana Osterhage, Jahrgang 1972, geboren in Aachen, absolvierte 2007 die Heilpraktikerprüfung und eröffnete im selben Jahr ihre eigenen Praxis in Hannover. Seit 2013 arbeitet sie zudem als klassische Homöopathin. Diana Osterhage ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie ist Mitgründerin der Basisdemokratischen Partei Deutschland.

GEORG, 23. Dezember 2020, 16:40 UHR

Beinahe alle Vorkommnisse und Situationen, die Diana Osterhage in diesem ausführlichen Interview schildert, kenne ich von Berichten meiner privaten Musikschüler und deren Eltern. Es hat eine bedrohliche und enorm einengende Verhärtung in den Schulen und auch den Kindergärten stattgefunden, die ich noch Anfang Mai, kurz vor der sukzessiven Wiederöffnung der Bildungseinrichtungen nicht für möglich gehalten hätte.

Es erinnert an üble und dunkle Zeiten, wenn 11jährige Kinder von Lehrern vor versammelter Klasse als potentielle Superspreader verunglimpft werden, weil sie kurzzeitig ihre Nase aus der gesundheitsfeindlichen Maske herausstecken. Ebenso ist es grausam, Kindergartenkindern schwarze Stempel auf die Hände zu drücken, damit diese sich diese dann restlos mit Seife abscheuern und so eine AHA-Anerkennung verdienen dürfen. Dazu kommt das unsägliche Dauerlüften in den Klassenräumen, was selbst mit Mützen, Schals und Decken nicht menschenwürdig zu ertragen ist.

Dass es unter den Eltern noch viel zu wenig Protest oder gar Widerstand gegen diese unmenschlichen Maßnahmen und das in Teilen charakterlich deformierte Verhalten von Pädagogen gibt, hat mich in den vergangenen Monaten traurig, fassungslos und wütend gemacht. Wo bleiben die Kinderärzte, -psychologen, wenigstens 10 Prozent des Lehrpersonals?

Auch diejenigen Kinder und Jugendliche, welche in geborgenen häuslichen Verhältnissen aufwachsen dürfen und durchaus "corona-kritische" Eltern haben (bei meiner Klientel etwa 50 %), können kaum auf Unterstützung durch ihre Erziehungsberechtigten hoffen. Zu groß ist der Konformitätsdruck, zu weit fortgeschritten ist die Gefahr der Stigmatisierung und Ausgrenzung mittels Social Media. Also hält man lieber seine Klappe und hofft, die Coronazeit möge ganz bald vorübergehen.....

....in meinem privaten Einzelunterricht gibt es keine Maskenpflicht und auch Eltern dürfen dem musikalischen Geschehen ohne Gesichtsverhüllung lauschen. Einige waren nach dem ersten Lockdown und auch in der Zeit der ständigen Verschärfungen nach den Sommerferien überrascht und konnten es erst gar nicht glauben. Umso mehr freue ich mich, dass ausnahmslos alle freiwillig auf die Masken verzichten und ihren Unterricht in angstfreier Atmosphäre genießen. Das wünsche ich allen Schülern von Herzen für das kommende Jahr. Da muss sich ganz viel ändern!

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