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KBV-Daten und Geburtenrückgang: Über echte und falsche Risikosignale

Multipolar berichtete im Dezember 2022 über Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), aus denen einige Beobachter eine schädigende Wirkung der Impfkampagne ableiteten, was die KBV bestritt. Christof Kuhbandner hat den Datensatz für Multipolar nun gründlich untersucht. Er warnt vor Fehlinterpretationen sowie Limitationen der Daten und erklärt zugleich, warum sich dennoch einige verlässliche Risikosignale daraus gewinnen lassen. In diesem Zusammenhang stellt er neue, valide und überaus brisante Befunde vor – so etwa zum starken Anstieg von Schwangerschaftsbeschwerden und dem Rückgang der Geburten, trotz gleichbleibender Schwangerschaftszahlen.

CHRISTOF KUHBANDNER, 6. Februar 2023, 3 Kommentare, PDF

Vorbemerkung der Redaktion: Die vorliegende Untersuchung ist sehr umfangreich. In der ersten Hälfte beschreibt der Autor ausführlich die Limitationen der KBV-Daten. Die neuen Befunde, die sich aus den Daten dennoch ableiten lassen, folgen weiter unten, ab der Zwischenüberschrift "Echte Risikosignale in den KBV-Daten".

Im Dezember wurden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Zuge einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz Daten zur Häufigkeit von im Rahmen der Abrechnung von medizinischen Leistungen kodierten medizinischen Diagnosen von Beginn 2016 bis zum ersten Quartal 2022 veröffentlicht. Nachdem auf einer Pressekonferenz der AfD aus diesen Daten abgeleitet wurde, dass eine starke Zunahme unklarer Todesfälle ab dem Jahr 2021 zu beobachten sei, ist eine intensive Debatte darüber entbrannt, wie die KBV-Daten zu interpretieren sind und welche Risikosignale daraus ableitbar sind.

Widersprüchliche Interpretationen

Vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung – dem zentralen Forschungsinstitut für ärztliche Versorgung in Deutschland – wurde in einer Stellungnahme argumentiert, dass die starke Zunahme unklarer Todesfälle darauf zurückzuführen sei, dass der Datensatz nur die abgerechneten Leistungen von Personen enthalte, die im Jahr 2021 mindestens eine kassenärztliche Leistung beziehungsweise Behandlung erhalten haben. Der in den KBV-Daten zu beobachtende Anstieg sei in Wirklichkeit kein Anstieg, weil in dem Datensatz alle Personen fehlen, die in den Jahren 2016-2020 verstorben sind. Denn Personen, die im Jahr 2021 eine kassenärztliche Leistung erhalten haben, müssen in den Jahren 2016-2020 noch am Leben gewesen sein. Die für diese Jahre im KBV-Datensatz ausgewiesenen Todesfälle seien daher auf eine fehlerhafte Kodierung zurückzuführen.

In einem auf dem Youtube-Kanal Actuarium veröffentlichten Video eines Diplom-Mathematikers wurde wiederum diese Erklärung des Zentralinstituts angezweifelt, weil es beispielsweise bei weiteren ICD-Codes wie der Erstickung (ICD T71) keinen Sprung vom Jahr 2020 auf das Jahr 2021 gebe. Weiterhin wurde argumentiert, dass zumindest die Anstiege bei nicht sterbefallbezogenen ICD-Codes so zu interpretieren seien, dass die entsprechenden Krankheiten in der Bevölkerung zugenommen haben. So wurde beispielsweise in einem auf dem Blog-Portal tkp.at veröffentlichten Artikel argumentiert, der in den KBV-Daten zu beobachtende starke Anstieg der Häufigkeit des ICD-Codes für Autismus zeige, dass Autismus rapide zugenommen habe.

Ein genauerer statistischer Blick

Um Licht in diese verwirrende Interpretationslage zu bringen, ist es hilfreich sich genauer anzusehen, welche Konsequenzen sich ergeben müssten, wenn der KBV-Datensatz tatsächlich nur Personen enthalten würde, die 2021 mindestens eine kassenärztliche Leistung erhalten haben. Man würde in diesem Fall das Schicksal einer Personengruppe mit einer festen Zusammensetzung über einen Zeitraum von mehreren Jahren beobachten, und sich fortlaufend ansehen, wie viele kassenärztliche Leistungen in dieser Personengruppe in jedem Quartal abgerechnet wurden. In einem solchen Fall können sich aufgrund verschiedener Dynamiken Anstiege in den beobachteten abgerechneten Leistungen zu einer Krankheit geben, selbst wenn sich die Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung über die Zeit hinweg nicht geändert hat.

Dynamik 1: Krankheiten mit langfristigen Behandlungen

Eine erste Dynamik tritt dann auf, wenn Krankheiten eine längerfristige Behandlung nach sich ziehen. Betrachtet man eine Personengruppe in ihrem Verlauf über die Zeit, so kommen in jedem Quartal jeweils neue Erkrankungen hinzu. Wenn eine Krankheit eine längere Behandlung über mehrere Quartale nach sich zieht, müssen dann von Quartal zu Quartal zunehmend mehr Personen in der Personengruppe behandelt werden, weil zu den Behandlungen der bereits in den vorherigen Quartalen Erkrankten die Behandlungen der in einem Quartal neu Erkrankten hinzukommen. Das führt zu einem Anstieg der Behandlungszahlen, und zwar selbst dann, wenn die Anzahl der neuen Krankheitsfälle pro Quartal in der Bevölkerung gleichbleibt.

Man kann diesen Effekt mit einer einfachen Simulation illustrieren. Nehmen wir an, in der beobachteten Personengruppe gibt es zu einem bestimmten Zeitpunkt 1000 Krankheitsfälle, welche langfristig behandelt werden müssen. In jedem Quartal kommen nun 10 neue Krankheitsfälle hinzu, die zusätzlich behandelt werden müssen. Die Anzahl der Neuerkrankungen ändert sich also in Wirklichkeit nicht. Wie die folgende Abbildung zeigt, beobachtet man in diesem Fall einen linearen Anstieg der Behandlungszahlen (blaue Linie). Hier wäre es ein Fehler, aus der Beobachtung eines Anstiegs der Behandlungszahlen zu schließen, dass sich eine Krankheit mit der Zeit stärker verbreitet hätte.

Ein Beispiel für eine Krankheit, welche in der Regel eine langjährige Behandlung nach sich zieht, ist der frühkindliche Autismus. Bezogen auf die Personengruppe der 2021 noch lebenden Personen, kommen hier in jedem Jahr seit 2016 neue einjährige Personen dazu, von denen jeweils immer ein Teil an Autismus erkrankt und dann zusätzlich zu den bereits laufenden Behandlungen längerfristig behandelt werden muss.

Die folgende Abbildung zeigt die abgerechneten Leistungen zum frühkindlichen Autismus (ICD F84.0) laut KBV-Daten (ein methodischer Hinweis: die KBV-Daten wurden ursprünglich getrennt für Personen mit versus ohne kodierte Impfnebenwirkung im Jahr 2021 veröffentlicht; diese und alle folgenden Analysen beziehen sich immer auf die Gesamtgruppe aller Personen).

Wie die Abbildung zeigt, ist bis zum Beginn der Corona-Krise im zweiten Quartal 2020 in der Tat bei der Anzahl der abgerechneten Leistungen ein linearer Anstieg über die Zeit hinweg zu beobachten, mit einem sich regelmäßig wiederholendem, leicht saisonal schwankendem Muster innerhalb eines Jahres. Hier wäre es ein Fehler, aus dem in den KBV-Daten beobachteten Anstieg zu schließen, dass Autismus-Erkrankungen im Laufe der Zeit in der Bevölkerung zugenommen hätten. In einem solchen Fall darf ein beobachteter Anstieg also nicht als ein Risikosignal interpretiert werden.

Allerdings zeigt sich danach ein echtes Risikosignal. Zunächst ist ein vermutlich lockdownbedingter Einbruch der abgerechneten Leistungen im zweiten Quartal 2020 zu beobachten. Danach steigen die Zahlen plötzlich stärker an und liegen zunehmend über der Prognose, die man angesichts des Verlaufs der vorpandemischen Zahlen erwartet hätte (für eine genauere Betrachtung, siehe unten).

Dynamik 2: Krankheiten, die mit steigendem Alter häufiger auftreten

Bei Krankheiten, welche umso häufiger auftreten, je älter eine Person wird, kommt ein weiterer Effekt hinzu. Da man eine Personengruppe mit einer festen Zusammensetzung beobachtet, werden alle Personen in der Personengruppe mit jedem Quartal, dass man nach vorne schreitet, um ein Quartal älter. Von 2016 auf 2021 sind also alle Personen im KBV-Datensatz um fünf Jahre gealtert.

Nimmt nun bei einer Krankheit das Erkrankungsrisiko mit steigendem Lebensalter zu, kommt aufgrund des zunehmenden Alters in jedem Quartal nicht nur dieselbe Anzahl an Krankheiten hinzu, sondern es kommt eine von Quartal zu Quartal zunehmende Anzahl von Krankheiten hinzu. Die Verlaufskurve der Anzahl der Behandlungen wird also zunehmend steiler, und zwar selbst dann, wenn die Anzahl der neuen Krankheitsfälle in der Bevölkerung über die Zeit hinweg gleichbleibt.

Man kann das wieder beispielhaft mit einer einfachen Simulation illustrieren, bei der angenommen wird, dass man es mit einer Krankheit zu tun hat, bei welcher jeweils mit einer Zunahme des Lebensalters um drei Monate die Anzahl der neu erkrankten Personen jeweils um zehn Personen zunimmt. Wie die folgende Abbildung zeigt, steigt in einem solchen Fall bei der Betrachtung einer Personengruppe mit einer festen Zusammensetzung über einen Zeitraum von mehreren Jahren die Anzahl der Neuerkrankungen zunehmend an (blaue Linie).

Der Anstieg der Neuerkrankungen ist in dieser Simulation ausschließlich auf den Effekt zurückzuführen, dass man eine Personengruppe betrachtet, die von Quartal zu Quartal älter wird. Es wäre also ein Fehler, aus dem zunehmenden Anstieg der Zahlen zu schließen, dass die Anzahl der Krankheitsfälle in der Bevölkerung gestiegen sei.

Ein Beispiel für eine Krankheit, welche mit steigendem Alter zunimmt, ist die Demenz. Wie in der folgenden Abbildung ersichtlich, zeigt sich in den KBV-Daten in der Tat bei den abgerechneten Leistungen zur Demenz (ICD F84.0) ein Verlauf, der bis zum Beginn der Corona-Krise im zweiten Quartal 2020 nahezu perfekt einem solchen Anstiegsmuster folgt. Auch hier wäre es also ein Fehler, aus dem zunehmenden Anstieg der Zahlen in den KBV-Daten zu schließen, die Demenz habe sich in der Bevölkerung stärker ausgebreitet:

Im zweiten Quartal 2020 zeigt sich auch hier ein vermutlich lockdownbedingter Einbruch der abgerechneten Leistungen, der offenbar danach wieder durch leicht höhere Zahlen kompensiert wird. Allerdings zeigt sich dann im Jahr 2021 etwas Eigenartiges: Überraschenderweise ändert sich das Muster bei der Demenz plötzlich, und man hat den Eindruck, als wären die Demenzerkrankungen auf wundersame Weise stagniert.

Dynamik 3: Das Fehlen von Diagnosen aufgrund von Todesfällen in den Jahren 2016 bis 2020

Interessanterweise findet man ein solches plötzliches Stagnieren der abgerechneten Leistungen im Jahr 2021 im KBV-Datensatz bei mehreren Krankheiten, wie zum Beispiel bei nahezu allen Krebserkrankungen, wie es in der folgenden Abbildung beispielhaft anhand der abgerechneten Leistungen zum Pankreaskopf-Krebs (IDC C25.0) illustriert wird:

Auf den ersten Blick könnte man fast meinen, dass im Jahr 2021 auf wundersame Weise die Anzahl der Krebserkrankungen gestoppt wurde. Allerdings wäre das ein fundamentaler Fehlschluss. Denn dieses eigenartige Anstiegsmuster geht auf eine dritte Dynamik zurück, die sich ergibt, wenn man die abgerechneten Leistungen in den Jahren 2016-2021 in einer Personengruppe untersucht, die nur aus den Personen besteht, die 2021 noch am Leben waren.

Man kann sich diese Dynamik anhand eines Gedankenexperiments bewusst machen. Nehmen wir an, man hat es mit einer Krankheit zu tun, bei welcher es in jedem Quartal von 2016 bis 2021 exakt genau gleich viele neue Fälle gibt. Die Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung ist also über die Jahre exakt gleichgeblieben. Betrifft diese Krankheit hochbetagte Menschen, sind von den Personen, welche von der Krankheit in den Jahren 2016-2020 betroffen waren, einige Menschen inzwischen verstorben, und zwar umso mehr, je weiter die Diagnose zurückliegt. Diese Personen sind dann nicht mehr im Datensatz enthalten, wenn dieser nur die Personen enthält, die im Jahr 2021 noch am Leben waren. Im Jahr 2021 sind dagegen alle behandelten Personen enthalten, also auch die, welche im Verlauf des Jahres 2021 verstorben sind.

Man kann die sich daraus ergebende Konsequenz mit einer Simulation illustrieren, welche in der folgenden Abbildung gezeigt wird. Nehmen wir an, es erkranken in jedem Quartal immer 100 Personen neu, es gibt also über die Zeit hinweg keinerlei Änderung in der Ausbreitung der Krankheit. Die Gesamthöhe der beiden Balken pro Jahr (rot und grau bzw. rot und orange) zeigt jeweils die Anzahl der neuen Krankheitsfälle in einem Quartal. Je weiter eine Erkrankung zurückliegt, umso höher ist der Anteil der Fälle, die inzwischen verstorben sind (graue und orange Balken). Wenn ein Datensatz nun aber nur die 2021 verstorbenen Fälle (orange Balken) enthält, aber nicht die vor 2021 verstorbenen Fälle (graue Balken), werden zwei Illusionen erzeugt: Man hat den Eindruck, (1) dass die Anzahl der Krankheiten bis Ende 2020 angestiegen sei, und (2) dass dann die Krankheit nach einem Sprung von 2020 auf 2021 im Jahr 2021 stagniert sei.

Besonders stark ist dieser Effekt, bei Krankheiten, an denen Personen sehr schnell versterben. Der Grund ist, dass es im Jahr 2021 kaum noch lebende Personen gibt, die eine solche Diagnose in den Vorjahren erhalten haben, was zu einem starken Sprung der abgerechneten Leistungen von 2020 auf 2021 führt. Man kann diesen Effekt mit derselben Grafik wie oben illustrieren:

Aus der Beobachtung eines plötzlichen Anstiegs der Anzahl der abgerechneten Leistung von 2020 auf 2021 in den KBV-Daten kann also nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Anzahl der Erkrankungen in der Bevölkerung von 2020 auf 2021 gestiegen sei.

Dynamik 4: Der Anstieg der versicherten Personen von 2016 auf 2021

Wenn der KBV-Datensatz nur Personen enthält, die 2021 noch am Leben waren, kann sich also selbst dann ein Anstieg der abgerechneten Leistungen ergeben, wenn sich die Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung in Wirklichkeit gar nicht geändert hat. Das ist dann der Fall, wenn Krankheiten längerfristige Behandlungen nach sich ziehen, mit steigendem Alter zunehmen oder mit einem höheren Sterberisiko verbunden sind. In solchen Fällen kann bei der Beobachtung eines Anstiegs in den KBV-Daten also nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Anzahl der Erkrankungen in der Bevölkerung gestiegen sei.

Aber selbst bei Krankheiten, auf welche all diese Aspekte nicht zutreffen, ist ein Anstieg von Quartal zu Quartal in den KBV-Daten zu beobachten. In der folgenden Abbildung sind als Beispiel die abgerechneten Leistungen zur Behandlung von offenen Wunden (Schnittwunden, Risswunden, Tierbisse, etc. (ICD T14.1) gezeigt, welche üblicherweise keine längerfristige Behandlung über mehrere Monate nach sich ziehen, kein relevantes Sterberisiko aufweisen und nicht insbesondere hochbetagte Menschen betreffen. Die blaue Linie zeigt das Ergebnis einer linearen Regression, welche den Anstieg der Behandlungszahlen über die Zeit hinweg abbildet.

Es zeigt sich zum einen ein sich in jedem Jahr exakt wiederholendes saisonales Muster: Von April bis Oktober werden immer deutlich mehr offene Wunden behandelt als in den anderen Monaten. Zum anderen zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg der abgerechneten Leistungen über die Zeit hinweg.

Der naheliegende Grund ist, dass die Anzahl der gesetzlich versicherten Personen seit 2016 zunehmend angestiegen ist. So ist die Anzahl der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (hier sind die mitversicherten Familienangehörigen nicht mitgezählt) laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes von 55,2 Millionen im Jahr 2016 auf 57,3 Millionen im Jahr 2021 – also um mehr als zwei Millionen Personen – angestiegen. Von den Personen, die im Jahr 2021 eine kassenärztliche Behandlung erhalten haben, war also ein bestimmter Teil in den Vorjahren noch nicht gesetzlich versichert, so dass die von diesen Personen in den Vorjahren bezogenen Leistungen im KBV-Datensatz nicht enthalten sind. Das erweckt den Anschein, als sei die Anzahl der abgerechneten Leistungen mit der Zeit angestiegen, obwohl dieser Anstieg nur darauf beruht, dass mit der Zeit immer mehr Personen neu in die gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden.

Die hohe Anzahl von Todesfällen im KBV-Datensatz in den Jahren 2016-2020

Die beschriebenen Befunde sprechen klar dafür, dass der KBV-Datensatz nur Personen enthält, die im Jahr 2021 mindestens eine kassenärztliche Leistung erhalten haben. Allerdings gibt es mehrere Befunde, die eindeutig nahelegen, dass im KBV-Datensatz trotzdem Todesfälle aus den Jahren 2016-2020 enthalten sind.

Zum einen ist schon allein die Anzahl von todesfallbezogenen ICD-Codes in den Jahren 2016-2020 so hoch, dass die Behauptung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, bei den Kodierungen für Todesfälle in den vorausgegangenen Jahren könne es sich nur um sehr seltene Fehler bei der Eingabe oder Übertragung handeln, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zutreffen kann. Beispielsweise gibt es allein zum ICD-Code R99 (Sonstige ungenaue oder nicht näher bezeichnete Todesursachen) über 23.000 Diagnosen aus den Jahren 2016-2020 in den KBV-Daten.

Weiterhin verteilen sich diese angeblichen „Eingabefehler“ nicht zufällig, sondern systematisch über die verschiedenen todesfallbezogenen ICD-Codes. So gibt es in den Jahren 2016-2020 zum Code R99 über 23.000 Einträge, zum Code R98 (Tod ohne Anwesenheit anderer Personen) aber nur knapp 400 Einträge. Das entspricht genau dem Muster, welches zu beobachten sein müsste, wenn Vertragsärzte zu Fällen, welche ohne die Anwesenheit anderer Personen verstorben sind, üblicherweise nicht hinzugezogen werden würden.

Schließlich sprechen auch die Verlaufskurven zu manchen todesfallbezogenen ICD-Codes klar dafür, dass Todesfälle aus den Jahren 2016-2020 enthalten sein müssen. In der folgenden Abbildung wird die Anzahl der abgerechneten Diagnosen zur Erstickung (ICD T71), zum Plötzlichen Herztod (ICD I46.1) und zum Plötzlichen Kindstod (ICD R95) gezeigt:

Wenn es sich bei den kodierten Todesfällen in den Jahren 2016-2020 nur um seltene zufällige Eingabefehler handeln sollte, müsste die Kurve in den Jahren 2016-2020 flach und niedrig verlaufen und im Jahr 2021 plötzlich stark nach oben springen. Das ist aber nicht der Fall, beim Plötzlichen Kindstod scheinen sogar alle Todesfälle aus den Jahren 2016-2020 im KBV-Datensatz enthalten zu sein.

Letzteres weist auf die vermutliche Lösung des Rätsels der eigenartigen Zahlen zu den todesfallbezogenen ICD-Codes im KBV-Datensatz hin: Es gibt für Kinder keine eigene Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse, weil Kinder automatisch in die Familienversicherung kommen, wenn die Eltern gesetzlich krankenversichert sind. In der Regel können Kinder dann bis zum 18. Lebensjahr familienversichert werden, und diese Zeit verlängert sich bis zum 23. Lebensjahr, wenn das Kind nicht erwerbstätig ist, und sogar bis zum 25. Lebensjahr, wenn es in Ausbildung oder einem Studium ist. Weiterhin können auch Ehe- und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung ihres Angehörigen beitragsfrei mitversichert werden.

Da das versicherte Mitglied beim Tod eines Kindes oder des Lebenspartners in den Jahren 2016-2020 weiterhin versichert bleibt und im Jahr 2021 Leistungen beziehen kann, könnte es also sein, dass Todesfälle von Personen aus den Jahren 2016-2020, die über ihre Angehörigen familienversichert waren, trotzdem im KBV-Datensatz enthalten sind. In den Vorjahren würden demnach nur die Todesfälle fehlen, bei denen die verstorbene Person selbst versichert war, aber nicht die Todesfälle, bei denen die verstorbene Person familienversichert war.

Ein Beleg dafür ist der in der obigen Abbildung zu sehende unterschiedliche Verlauf bei der Erstickung und dem plötzlichen Herztod auf der einen Seite und dem Plötzlichen Kindstod auf der anderen Seite. Am Plötzlichen Kindstod können ausschließlich Kinder versterben, die alle nicht eigenständig, sondern familienversichert waren, so dass hier alle Todesfälle in den KBV-Daten enthalten sein sollten. An den beiden anderen Todesfallarten können zwar auch Kinder versterben, aber auch eigenständig versicherte Erwachsene, so dass hier zwar auch einige Todesfälle aus den Vorjahren in den KBV-Daten enthalten sein sollten, aber nicht alle.

Im KBV-Datensatz fehlen also offenbar alle verstorbenen Personen aus den Jahren 2016-2020, die eigenständig versichert waren, während die Daten zu verstorbenen Personen, die über ihre Angehörigen familienversichert waren, enthalten sind.

Können die KBV-Daten überhaupt die Ausbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung widerspiegeln?

Zusammenfassend kann man also an dieser Stelle festhalten: Offenbar sind im KBV-Datensatz nur die abgerechneten Leistungen der Personen enthalten, die im Jahr 2021 mindestens eine kassenärztliche Leistung erhalten haben, sowie die abgerechneten Leistungen der Personen, die zwar im Jahr 2021 keine Leistung erhalten haben, die aber bei einer leistungsbeziehenden Person familienmitversichert waren. Aufgrund dieser Zusammensetzung des KBV-Datensatzes kann es Anstiege der abgerechneten Leistungen bei manchen Krankheiten geben, und zwar selbst dann, wenn eine Krankheit in der Bevölkerung in Wirklichkeit gar nicht zugenommen hat.

Allerdings heißt das nicht, dass man aus den KBV-Daten generell keine validen Rückschlüsse über die Ausbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung ziehen kann. Dass die KBV-Daten durchaus bei manchen Krankheiten die Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung abbilden, kann man anhand von meldepflichtigen Krankheiten demonstrieren, bei denen man die Anzahl der Erkrankungen pro Jahr kennt. Ein Beispiel ist der Keuchhusten. In der folgenden Abbildung sieht man oben die Anzahl der laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldeten Keuchhustenfälle von 2016-2021 und unten die Anzahl der laut KBV-Datensatz abgerechneten medizinischen Leistungen mit der Diagnose Keuchhusten (ICD A37.0) von 2016-2021:

Es wurden zwar mehr Leistungen mit der Diagnose Keuchhusten abgerechnet als Fälle gemeldet wurden, was vermutlich darauf zurückgeht, dass im KBV-Datensatz nicht nur gesicherte Diagnosen (Zusatzkennzeichen „G“) sondern auch Verdachtsdiagnosen (Zusatzkennzeichen „V“) enthalten sind. Aber der Verlauf der abgerechneten Leistungen im KBV-Datensatz spiegelt relativ genau den Verlauf der laut IfSG gemeldeten Fälle wider.

Der Grund ist, dass hier die oben genannten Effekte größtenteils keine Rolle spielen: Keuchhusten betrifft nicht schwerpunktmäßig ältere Menschen, geht nicht mit einem höheren Sterberisiko einher und erfordert keine über Monate fortdauernde Behandlung. Einzig die mit den Jahren leicht steigende Anzahl der gesetzlich versicherten Personen scheint dazu zu führen, dass die Anzahl der abgerechneten Leistungen laut KBV-Daten die Anzahl der laut IfSG gemeldeten Keuchhustenfälle von Jahr zu Jahr leicht nach oben verzerrt abbildet.

Echte Risikosignale in den KBV-Daten

Mit diesem Vorwissen kann man sich nun auf die Suche nach echten Risikosignalen in den KBV-Daten machen. Wie beschrieben, lässt sich allein aus der Beobachtung eines Anstiegs der Zahlen kein Risikosignal ableiten, weil sich allein aus der Zusammensetzung der im KBV-Datensatz enthaltenen Personengruppe Anstiege ergeben können.

Wenn sich bei einer Krankheit eine kontinuierliche und regelmäßige Zunahme von Quartal zu Quartal zeigt (wie beispielsweise beim obigen Beispiel der abgerechneten Leistungen zu offenen Wunden), oder wenn sich zwar ein abrupter Sprung der Behandlungszahlen im ersten Quartal 2021 zeigt, aber in den nachfolgenden Quartalen kein weiterer Anstieg zu beobachten ist (wie beispielsweise beim obigen Beispiel der abgerechneten Leistungen zum Pankreaskopf-Krebs), kann man nicht valide auf Veränderungen der Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung schließen. Das heißt nicht, dass es in Bezug auf solche Krankheiten keinen Anstieg in der Bevölkerung geben kann, sondern nur, dass man mit den KBV-Daten keine validen Aussagen darüber treffen kann.

Allerdings heißt das nicht, dass sich anhand der KBV-Daten generell keine Risikosignale im Sinne von plötzlichen Anstiegen von Krankheiten detektieren lassen. Das ist durchaus möglich, und zwar dann, wenn sich – wie beispielsweise beim obigen Beispiel des frühkindlichen Autismus – bei einer Krankheit eine plötzliche Veränderung des bisher zu beobachtenden Anstiegs der abgerechneten Leistungen zeigt, wenn also beispielsweise bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein flacherer Anstieg zu beobachten ist, und dann ab diesem Moment die Anzahl der abgerechneten Leistungen plötzlich steil ansteigt. Ein solches Muster kann sich aus der Zusammensetzung der in den KBV-Daten enthaltenen Personengruppe nicht ergeben.

Im Folgenden soll anhand von drei Beispielen – Risikosignale in Bezug auf Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung), Risikosignale im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, Risikosignale im Bereich psychischer Erkrankungen – demonstriert werden, dass mit dem KBV-Datensatz Risikosignale zuverlässig detektiert werden können.

Zwei wichtige Hinweise vorab

Wichtig ist vorab zum einen noch der Hinweis, dass im Rahmen dieses Artikels keine Aussagen über die Ursachen von beobachteten Anstiegen getroffen werden können. Das Auftreten von Risikosignalen wie die Beobachtung eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Start der Impfkampagne und dem Anstieg bestimmter Krankheiten bedeutet nicht, dass es notwendigerweise einen kausalen Zusammenhang geben muss. So kann ein zeitlicher Zusammenhang durch dritte Variablen vermittelt sein oder auch rein zufällig auftreten. Das Auftreten eines solchen Risikosignals ist nur ein Hinweis auf einen möglichen kausalen Zusammenhang, welcher dann in weitergehenden Studien ausgeschlossen beziehungsweise nachgewiesen werden muss.

Zum anderen ist vorab der Hinweis wichtig, dass sich aus den im Folgenden berichteten Risikosignalen keine allgemeinen Empfehlungen für oder gegen eine COVID-Impfung ableiten lassen. Für solche Aussagen müssen die möglichen Risiken dem möglichen Nutzen der COVID-Impfungen gegenübergestellt und abgewogen werden, ob der Nutzen die Risiken überwiegt.

Beispiel 1: Risikosignale zur Myokarditis und Perikarditis

Um zu prüfen ob Risikosignale zuverlässig entdeckt werden können, kann man sich zunächst Krankheiten ansehen, von denen bekannt ist, dass sie im zeitlichen Zusammenhang mit den COVID-Impfungen angestiegen sind. Auf der FAQ-Seite des RKI zur Sicherheit der COVID-Impfstoffe wird die Herzmuskelentzündung als eine nachgewiesene Nebenwirkung genannt:

„Seit Einführung der Impfung wurden nach Gabe der mRNA-Impfstoffe sehr selten Fälle von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditis und Perikarditis) beobachtet.“

Die folgende Abbildung zeigt die Anzahl der abgerechneten Leistungen pro Quartal laut KBV-Daten zum ICD-Code „Myokarditis“ (I51.4: Myokarditis, nicht näher bezeichnet). Die blaue Linie – eine einfache lineare Regression – zeigt die für das Jahr 2021 zu erwartenden Zahlen basierend auf den in den Jahren 2016-2020 abgerechneten Leistungen:

Bis zum zweiten Quartal 2021 – dem Beginn der Impfkampagne – zeigt sich ein sehr stabiler Verlauf mit einem regelmäßig auftretenden saisonalen Muster über die Jahre hinweg, mit jeweils im ersten Quartal leicht erhöhten und im zweiten und dritten Quartal leicht niedrigeren Werten, was damit zu erklären ist, dass oft ein verschleppter Virusinfekt Ursache einer Herzmuskelentzündung ist, und Virusinfektionen üblicherweise im ersten Quartal stärker verbreitet sind.

Dieses Muster ändert sich drastisch mit Beginn der Impfkampagne. Seit dem zweiten Quartal 2021 liegen die Behandlungszahlen in den KBV-Daten über den laut den Vorjahren zu erwarteten Werten, besonders stark ist die Zunahme im dritten und vierten Quartal, als vor allem die jüngeren Altersgruppen geimpft wurden. Im vierten Quartal 2021 wurden beispielsweise knapp 10.500 mehr kassenärztliche Leistungen zu Herzmuskelentzündungen abgerechnet als laut den Vorjahren prognostiziert, was einer Zunahme von über 37 Prozent entspricht.

Dieser plötzliche Anstieg im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Impfkampagne kann nicht durch die obigen Effekte der Zusammensetzung der in den KBV-Daten enthaltenen Personengruppe erklärt werden. Zum einen erfolgt der Sprung nach oben nicht zu Beginn 2021 sondern erst mit Beginn der Impfkampagne, was nicht durch das Fehlen von Todesfällen aus den Vorjahren im KBV-Datensatz erklärt werden kann. Zum anderen ist der Anstieg der Zahlen seit Beginn der Impfkampagne deutlich steiler als vorher. Hier zeigt sich also ein klares Risikosignal in den KBV-Daten, welches man spätestens im dritten Quartal 2021 sehr klar erkennen kann.

Exakt dasselbe Muster zeigt sich bei den abgerechneten Leistungen zum ICD-Code „Perikarditis“ (30.9: Akute Perikarditis, nicht näher bezeichnet), wie die folgende Abbildung zeigt. Auch hier zeigt sich also ein klares Risikosignal in den KBV-Daten, welches man ab dem dritten Quartal 2021 klar erkennen kann:

Beispiel 2: Risikosignale im Zusammenhang von Schwangerschaft und Geburt

Die Zunahme von Schwangerschaftsbeschwerden

Auffällige Risikosignale finden sich auch in Bezug auf Diagnosen, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt auftreten. Hier gibt es ein auffälliges Risikosignal bei den Schwangerschaftsbeschwerden in Form von übermäßigem Erbrechen während der Schwangerschaft, welches zu einem Gewichtsverlust und einem Flüssigkeits- und Nährstoffmangel führen kann. Während sich beim Erbrechen in der frühen Schwangerschaft in den KBV-Daten noch keine Auffälligkeiten zeigen (ICDs O21.0 und O21.1), ist ein Risikosignal bei den abgerechneten Leistungen zum übermäßigen Erbrechen ohne nähere Bezeichnung zu erkennen (ICD O21.9), welches noch deutlicher zu Tage tritt, wenn Veränderungen in der Anzahl der Schwangerschaften einbezogen werden (siehe unten). Ein äußerst starkes Risikosignal ist bei der Anzahl der abgerechneten Leistungen zum übermäßigen Erbrechen während der Schwangerschaft zu beobachten, welches durch andere Krankheiten bedingt ist (ICD 021.8):

In beiden Fällen zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei der Myokarditis und Perikarditis: Bis Mitte 2021 sind die Behandlungszahlen – abgesehen von einer für das Auftreten von Schwangerschaften typischen saisonalen Schwankung pro Jahr (siehe unten) – über die Jahre hinweg stabil, mit einem leichten Anstieg in den ersten beiden Quartalen im Jahr 2021. Danach zeigt sich plötzlich ein Anstieg der Behandlungszahlen. Beim übermäßigen Erbrechen während der Schwangerschaft, welches durch andere Krankheiten bedingt ist, explodieren die Behandlungszahlen förmlich, im ersten Quartal 2022 wurden diesbezüglich beispielsweise knapp 2.750 mehr kassenärztliche Leistungen abgerechnet als laut den Vorjahren prognostiziert, was einer Zunahme von über 337 Prozent entspricht.

Interessanterweise kann dieses Muster nicht damit erklärt werden, dass gleichzeitig auch die Anzahl der Schwangerschaften gestiegen sei. Im Rahmen der kassenärztlichen Leistungen werden auch durchgeführte Untersuchungen und Tests zur Feststellung einer Schwangerschaft abgerechnet (ICD Z32), was einen guten Indikator für Veränderungen in der Anzahl der Schwangerschaften über die Zeit hinweg darstellt. Dort sieht der Verlauf folgendermaßen aus:

Bis zum Ende des Jahres 2021 ist ein sich jedes Jahr regelmäßig wiederholendes saisonales Muster zu beobachten, mit einer erhöhten Anzahl von abgerechneten Leistungen im ersten Quartal. Weiterhin ist – wie aufgrund der im KBV-Datensatz enthaltenen Personengruppe zu erwarten – ein kontinuierlicher leichter Anstieg über die Zeit zu beobachten. Das Jahr 2021 folgt hier vergleichsweise genau den laut der Vorjahre zu erwarteten Werten, mit leicht erhöhten Schwangerschaftstestzahlen im ersten Quartal 2021, was vermutlich den leichten Anstieg in den Behandlungszahlen zum übermäßigen Erbrechen während der Schwangerschaft in den ersten beiden Quartalen erklärt. Die Schwangerschaftstestzahlen im zweiten, dritten und vierten Quartal 2021 stimmen relativ genau mit den laut den Vorjahren zu erwarteten Werten überein. Es ist also – anders als beim Erbrechen während der Schwangerschaft – kein plötzlicher steilerer Anstieg Mitte 2021 zu beobachten.

Es handelt sich hier also um eine tatsächliche Zunahme des Risikos von Schwangerschaftsbeschwerden, welches zeitgleich mit Beginn der Impfkampagne auftritt. Dies zeigt sich auch, wenn man den prozentualen Anteil der Behandlungen von übermäßigem Erbrechen bezogen auf die abgerechneten Feststellungen einer Schwangerschaft bestimmt, welches für einen durch einen Anstieg der Schwangerschaftszahlen bedingten Anstieg der Schwangerschaftsbeschwerden kontrolliert. Wie die folgende Abbildung zeigt, tritt dann tatsächlich das Risikosignal in Bezug auf das übermäßige Erbrechen ohne nähere Bezeichnung (ICD O21.9) sogar noch stärker zu Tage.

Zusammenfassend zeigt sich also bei den Schwangerschaftsbeschwerden in Form von übermäßigem Erbrechen ein klares Risikosignal, das man anhand der KBV-Daten ab dem dritten Quartal 2021 erkennen kann, und dessen Ursache der Klärung bedarf.

Der Rückgang der Geburtenzahlen trotz gleichbleibender Schwangerschaftszahlen

Der bis zum Ende des Jahres 2021 relativ stabile Verlauf der Anzahl der Schwangerschaften liefert ein weiteres besorgniserregendes Risikosignal. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt sich im ersten Quartal 2022 plötzlich ein massiver und historisch sehr ungewöhnlicher Einbruch der Anzahl der Geburten um 14 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren. Dieser Rückgang erfolgt genau neun Monate nach Beginn der Impfkampagne und kann laut den Analysen des BiB nicht durch Veränderungen in der Arbeitslosigkeit oder durch COVID-bezogene Faktoren erklärt werden. Konkret schreibt das BiB:

„There is no association of the fertility trends with changes in unemployment, infection rates, or COVID-19 deaths. However, there is a strong association between the onset of vaccination programmes and the fertility decline nine months after of this onset.”

Übersetzt:

„Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Fruchtbarkeitsstrends und Veränderungen bei der Arbeitslosigkeit, den Infektionsraten oder den COVID-19-Todesfällen. Es besteht jedoch ein starker Zusammenhang zwischen dem Beginn von Impfprogrammen und dem Rückgang der Fruchtbarkeit neun Monate nach dem Beginn dieser Programme.”

Das BiB selbst versucht diesen plötzlichen massiven Rückgang der Geburten genau neun Monate nach Beginn der Impfkampagne – ohne dass empirische Belege dafür vorliegen würden – dadurch zu erklären, dass Frauen beim Start der Impfkampagne ihren Kinderwunsch zunächst zurückgestellt hätten. Martin Bujard, Forschungsdirektor am BiB, sagt konkret:

„Es ist plausibel, dass sich manche Frauen erst impfen lassen wollten, bevor sie schwanger werden. Da die Impfung zunächst für Schwangere nicht empfohlen war, wurde der Kinderwunsch oftmals aufgeschoben."

Diese mögliche Erklärung wird allerdings durch die KBV-Zahlen zu den abgerechneten Leistungen zur Feststellung einer Schwangerschaft widerlegt. Sollte der Rückgang der Geburten tatsächlich darauf beruhen, dass Frauen den Kinderwunsch aufgeschoben hätten, müsste sich ein vergleichbar massiver Einbruch wie beim Verlauf der Geburtszahlen auch im Verlauf der Zahlen zur Feststellung einer Schwangerschaft zeigen, und zwar im zweiten Quartal 2021, als die Impfkampagne begann.

Wie bereits in der obigen Abbildung gezeigt, ist bei den Leistungen zur Feststellung einer Schwangerschaft aber im Jahr 2021 kein Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren zu beobachten. In der folgenden Abbildung wird zur Illustration noch einmal der Verlauf der durchgeführten Untersuchungen und Tests zur Feststellung einer Schwangerschaft gezeigt, sowie der Verlauf der Anzahl der Geburten laut den Daten des statistischen Bundesamtes – verschoben um zwei Quartale nach hinten gegenüber der Zeitachse bei den Feststellungen einer Schwangerschaft, weil die Geburten im Schnitt in etwa zwei Quartale nach der Feststellung der Schwangerschaft erfolgen:

Abgesehen von den im KBV-Datensatz enthaltenen typischen Anstieg in den abgerechneten Leistungen, stimmt das Verlaufsmuster der Anzahl der Geburten über die Jahre hinweg relativ genau überein mit dem Verlaufsmuster der laut KBV-Daten abgerechneten Leistungen zur Feststellung einer Schwangerschaft zwei Quartale zuvor. Bei den Geburten zeigt sich dann aber plötzlich im ersten Quartal 2022 ein deutlicher Rückgang, während bei den Leistungen zur Feststellung einer Schwangerschaft zwei Quartale zuvor kein Rückgang zu beobachten ist.

Der massive Rückgang der Geburten neun Monate nach Beginn der Impfkampagne scheint demnach nicht darauf zu beruhen, dass Paare den Kinderwunsch aufgeschoben haben, weil die Anzahl der Schwangerschaften mit Beginn der Impfkampagne nicht im selben Ausmaß zurückgegangen ist.

Gegen eine solche Erklärung spricht auch der Verlauf der abgerechneten Leistungen von empfängnisverhütenden Maßnahmen (Z30.9). Sollten Paare mit Beginn der Impfkampagne versucht haben, eine mögliche Schwangerschaft aufzuschieben, wäre hier eigentlich ein Anstieg der Fallzahlen zu erwarten. Allerdings zeigt sich überraschenderweise genau das Gegenteil: Bis zum Beginn der Impfkampagne zeigt sich ein stabiler Verlauf über die Jahre hinweg. Mit Beginn der Impfkampagne beginnt die Anzahl der abgerechneten empfängnisverhütenden Maßnahmen plötzlich zunehmend zu sinken:

Dieser plötzliche Rückgang beruht nicht darauf, dass ein Absetzen empfängnisverhütender Maßnahmen bei COVID-Impfungen empfohlen wurde. So heißt es beispielsweise auf der Seite infektionsschutz.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:

„Setzen Sie Ihre Medikamente vor der COVID-19-Impfung nicht ab. (…) Die Einnahme der Antibaby-Pille zum Zeitpunkt der Impfung ist unbedenklich. Die Pille muss im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auch nicht pausiert werden.“

Über mögliche Erklärungen des plötzlichen Rückgangs empfängnisverhütender Maßnahmen mit Beginn der Impfkampagne kann hier im Rahmen dieses Artikels keine Aussage getroffen werden. Allerdings ist das ein weiteres Argument gegen die Vermutung, der plötzliche massive Rückgang der Geburten neun Monate nach Beginn der Impfkampagne beruhe auf einer impfkampagnenbedingten Aufschiebung des Kinderwunsches von Paaren.

Der Anstieg der Totgeburten

Die KBV-Daten legen nahe, dass es im ersten Quartal 2022 zu einem Einbruch der Geburtenzahlen gekommen ist, obwohl die Anzahl der Schwangerschaften vergleichsweise stabil geblieben ist. Das würde heißen, dass mehr schwangere Frauen während der Schwangerschaft ihr Kind verloren haben müssen, als es normalerweise der Fall ist. Man kann diese Vermutung anhand der Daten des Statistischen Bundesamtes zur Anzahl der Totgeburten überprüfen. (Der Autor hat die Daten zu den Totgeburten vom Statistischen Bundesamt auf eine Anfrage hin erhalten; diese können für wissenschaftliche Zwecke weitergegeben werden).

Ende 2018 wurden die Diagnoserichtlinien für eine „Totgeburt“ verändert. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde ein totgeborenes Kind als „Totgeburt“ bezeichnet, wenn ein Geburtsgewicht von mindestens 500 Gramm erreicht wurde. Seit Ende 2018 gilt ein totgeborenes Kind als Totgeburt, wenn mindestens 500 Gramm oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde, was zu einer diagnostisch bedingten Zunahme von Totgeburten im Jahr 2019 geführt hat. Das bedeutet, dass der Verlauf der Anzahl der Totgeburten ohne komplexere Analysemethoden nur ab 2019 interpretierbar ist.

Die folgende Abbildung zeigt oben den Verlauf der Anzahl der Lebendgeburten pro Quartal seit 2019. Der starke Einbruch der Geburtenzahlen im ersten Quartal 2022 ist sehr gut erkennbar. Inzwischen wurden vom Statistischen Bundesamt die Geburtenzahlen bis Oktober 2022 veröffentlicht. Wie ersichtlich wird, zeigt sich keine Erholung der Geburtenzahlen, was zu erwarten wäre, wenn Paare den Kinderwunsch nur aufgeschoben hätten. Selbst im dritten Quartal 2022 wurden noch immer knapp 14 500 weniger Kinder lebend geboren als es im Schnitt in den drei Vorjahren der Fall war.

Darunter ist der Verlauf der Anzahl der Totgeburten zu sehen. Dort zeigt sich ein anderes Bild. Bis Ende des ersten Quartals 2021 ist der Verlauf seit 2019, ähnlich wie bei den Lebendgeburten, sehr stabil. Im zweiten Quartal 2021 ist ein plötzlicher Anstieg zu beobachten, und auch im dritten und vierten Quartal ist die Anzahl der Totgeburten höher als in den Vorjahren. Bevor also zu Beginn 2022 die Anzahl der Lebendgeburten einbricht, steigt in den Quartalen zuvor die Anzahl der Totgeburten an.

Es scheint also in der Tat das aufzutreten, was laut den KBV-Daten zu erwarten war: dass mit Beginn des zweiten Quartals 2021 mehr schwangere Frauen ihr Kind während der Schwangerschaft verloren haben. Um abzuschätzen wie stark der Anteil der schwangeren Frauen, welche ihr Kind verloren haben, angestiegen ist, kann man die Totgeburten zu den Lebendgeburten ins Verhältnis setzen.

Dazu ist zu beachten, dass bei Frauen, welche zum selben Zeitpunkt schwanger wurden, Totgeburten in etwa ein Quartal früher auftreten als Lebendgeburten. Das kann man in der obigen Abbildung daran sehen, dass die saisonalen Spitzenwerte bei den Totgeburten ein Quartal früher auftreten als bei den Lebendgeburten. Zur Abschätzung des Anteils der schwangeren Frauen, welche ihr Kind verloren haben, muss man also die Totgeburten in einem Quartal zur Anzahl der Lebendgeburten im darauffolgenden Quartal ins Verhältnis setzen.

In der folgenden Abbildung ist der so geschätzte Anteil der schwangeren Frauen, die ihr Kind verloren haben, seit 2019 zu sehen (Anzahl der Totgeburten pro 1000 Gesamtgeburten):

Wie man sehen kann, ist bis zum ersten Quartal 2021 keine größere Veränderung zu erkennen, abgesehen von der üblichen saisonal bedingten Schwankung. Im zweiten Quartal 2021 steigt der Anteil plötzlich um 9,4 Prozent im Vergleich zum Mittelwert der beiden Vorjahre an, im vierten Quartal 2021 liegt der auf diese Weise geschätzte Anteil der schwangeren Frauen, die ihr Kind verloren haben, um 19,6 Prozent höher als in den beiden Vorjahren.

Dieses Anstiegsmuster – ein erster kleinerer Anstieg im ersten Quartal und ein stärkerer Anstieg im vierten Quartal 2021 – stimmt zeitlich überein mit den öffentlichen Empfehlungen zur Impfung während der Schwangerschaft. Bereits im zweiten Quartal 2021 wurde von den deutschen gynäkologischen Fachgesellschaften eine COVID-Impfung für alle Schwangeren empfohlen, obwohl die STIKO noch keine solche Empfehlung ausgesprochen hatte, wie der folgende Artikel aus der Pharmazeutischen Zeitung von Anfang Mai 2021 zeigt:

Von der STIKO wurde dann Mitte September 2021 – also kurz vor Beginn des vierten Quartals – eine explizite Empfehlung einer Impfung für alle bisher nicht oder unvollständig geimpften Schwangeren ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel ausgesprochen.

Zusammengenommen zeigt sich also folgendes Bild: Im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfkampagne bei Schwangeren steigt die Anzahl der Totgeburten, und neun Monate nach Beginn der Impfkampagne sinkt die Anzahl der Lebendgeburten. In beiden Fällen treten also besorgniserregende Risikosignale auf, denen unbedingt genauer nachgegangen werden sollte.

Der Anstieg der psychischen Störungen im Wochenbett

Die Risikosignale auf der Ebene der Lebendgeburten und der Totgeburten sind nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung detektierbar, weil die entsprechenden Zahlen vom Statistischen Bundesamt mit einer Zeitverzögerung von mehreren Monaten veröffentlicht werden. Allerdings lässt sich ein darauf bezogenes Risikosignal in den KBV-Daten frühzeitiger erkennen.

Dazu muss man wissen, dass auch nach einer Totgeburt eine Wochenbettphase durchlaufen wird. Da das Erleben einer Totgeburt ein psychisch belastendes Ereignis darstellt, kann man die Vermutung anstellen, dass bei einer zunehmenden Anzahl an Totgeburten auch die Anzahl der Behandlungen wegen psychischer Probleme im Wochenbett ansteigen sollte. Hierzu gibt es einen ICD-Code, welcher die Anzahl der abgerechneten Leistungen zu schweren psychischen und Verhaltensstörungen im Wochenbett (F53.1) kodiert. Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der diesbezüglich abgerechneten Leistungen in den KBV-Daten:

In der Tat zeigt sich auch hier ein Risikosignal, das ab dem dritten Quartal 2021 klar erkennbar ist: Während bis dahin ein sehr stabiler Verlauf der Behandlungszahlen zu beobachten ist, steigen die Zahlen plötzlich im dritten Quartal 2021 steil an. Im vierten Quartal 2021 und im ersten Quartal 2022 liegt die Zahl der Behandlungen um mehr als 65 Prozent über der Prognose laut den Vorjahren.

Beispiel 3: Risikosignale im Bereich psychischer Erkrankungen

Autismus und Asperger-Syndrom

Als drittes Beispiel für die in den KBV-Daten enthaltenen Risikosignale soll der Bereich der psychischen Erkrankungen beleuchtet werden. Wie bereits weiter oben dargestellt, zeigt sich ein klares Risikosignal bei den abgerechneten Leistungen zum frühkindlichen Autismus, einer tiefgreifenden neurologischen Entwicklungsstörung, welche nicht geheilt werden kann, so dass viele Betroffene aufgrund der umfassenden Beeinträchtigungen eine lebenslange Hilfe und Unterstützung benötigen. In der folgenden Abbildung wird noch einmal der Verlauf der abgerechneten Leistungen laut KBV-Daten gezeigt. Die blaue Linie zeigt das Ergebnis einer linearen Regression basierend auf den Zahlen bis zum Beginn der Corona-Krise.

Wie in der Abbildung ersichtlich, zeigt sich bis zum Beginn der Corona-Krise ein sehr stabiles Anstiegsmuster mit einer sich exakt wiederholenden saisonalen Schwankung pro Jahr in Form eines Anstiegs im jeweils ersten Quartal. Ab dem zweiten Quartal 2020, in welchem die Behandlungszahlen vermutlich lockdownbedingt deutlich niedriger waren, beginnen die abgerechneten Leistungen plötzlich deutlich anzusteigen. Im vierten Quartal 2021 wurden knapp 9.000 Leistungen mehr abgerechnet, als laut der Prognose basierend auf den vorpandemischen Zahlen (lineare Regression, blaue Linie) zu erwarten war, was einem Anstieg von 10,6 Prozent entspricht.

Ein vergleichbares Muster findet sich bei der eng verwandten Entwicklungsstörung des Asperger-Syndroms (F84.5):

Anorexie (Magersucht)

Auch in Bezug auf weitere psychische Erkrankungen finden sich ähnliche Anstiege. Eine der psychischen Erkrankungen mit der höchsten Sterberate ist die Magersucht. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben Menschen mit Magersucht ein mehr als 5-fach höheres Risiko zu sterben haben als Gleichaltrige ohne Magersucht. Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der abgerechneten Leistungen laut KBV-Daten zur Anorexie (ICD F50) seit 2018 (Änderung der ICD-Diagnoserichtlinien für Anorexie). Auch hier zeigt sich ein klares Risikosignal ab Anfang des Jahres 2021.

Soziale Phobie

Eine soziale Phobie ist charakterisiert durch das Erleben intensiver Ängste in sozialen Situationen und ist in der Regel verbunden mit einem niedrigen Selbstwertgefühl, im Extremfall kann sich die Angst bis zu Panikattacken steigern. Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der abgerechneten Leistungen laut KBV-Daten zur sozialen Phobie (ICD F40.1), auch hier zeigt sich ein klares Risikosignal ab dem zweiten Quartal 2021:

Da die KBV-Daten Behandlungszahlen und nicht personenbezogene Zahlen enthalten, bleibt bei den beobachteten Anstiegen in den KBV-Daten die Frage offen, ob im Zuge der Corona-Krise die Anzahl der Erkrankungen gestiegen ist, oder ob bereits erkrankte Personen häufiger behandelt werden mussten. Zumindest in Bezug auf die Magersucht und die soziale Phobie zeigen aber entsprechende weiterführende Studien, dass es hier tatsächlich einen Anstieg in der Anzahl der erkrankten Personen gab.

Das eigenartige Messen mit zweierlei Maß bei der Aussagekraft der Abrechnungsdaten der Krankenkassen

Die beschriebenen Analysen belegen also, dass mittels der KBV-Daten Risikosignale zuverlässig entdeckt werden können. Interessanterweise wurden in Bezug auf die Frage nach dem Anstieg psychischer Erkrankungen im Zuge der Corona-Krise die von den Krankenkassen abgerechneten Leistungen in der Tat bereits in mehreren wissenschaftlichen Studien herangezogen, um diesbezügliche Risikosignale zu erkennen. So wurden beispielsweise in einer Studie der Krankenkasse DAK die ambulanten und stationären Behandlungsdaten von 73.000 niedersächsischen Kindern und Jugendlichen ausgewertet, die bei der DAK versichert sind, mit dem Befund eines starken Anstiegs von Essstörungen und Depressionen von jungen Erwachsenen während der Corona-Krise.

Eigenartig ist, dass solche Studien basierend auf den Abrechnungsdaten der Krankenkassen zwar in Bezug auf die Auswirkungen der Corona-Krise existieren, nicht aber in Bezug auf die möglichen Nebenwirkungen der COVID-Impfungen. Während man im Falle der Auswirkungen der Corona-Krise diesen Daten Vertrauen schenkt, scheint man das plötzlich in Bezug auf die Nebenwirkungen der COVID-Impfungen nicht mehr zu tun. Das wird umso fragwürdiger, weil die obigen Analysen zeigen, dass mittels der Abrechnungsdaten der Krankenkassen verschiedene impfbezogene Risikosignale bereits relativ früh hätten entdeckt werden können.

Analysen zu möglichen kausalen Zusammenhängen auf der Basis der Abrechnungsdaten der Krankenkassen?

Wichtig ist noch einmal zu betonen, dass das Auftreten eines Risikosignals im Sinne eines Anstiegs abgerechneter Leistungen zu einer Krankheit mit Beginn der Impfkampagne nicht bedeuten muss, dass der Anstieg kausal durch die Impfungen hervorgerufen wurde. Um das zu klären sind weitere Analysen nötig, welche beim Auftreten eines solchen Risikosignals schnellstmöglich durchgeführt werden müssten.

Zur Klärung einer möglichen Kausalität sind genauere Daten nötig. Eine Möglichkeit wäre, sich die abgerechneten Leistungen getrennt für geimpfte und ungeimpfte Personen anzusehen. Sollte der in den obigen Analysen beobachtete Anstieg nur bei geimpften Personen auftreten und nicht bei ungeimpften Personen, wäre das ein Hinweis auf einen kausalen Effekt der Impfungen, andernfalls dagegen. Laut der im Rahmen der Presseerklärung zu den KBV-Daten vom wissenschaftlichen Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung veröffentlichten wissenschaftlichen Einordnung ist eine solche Aufschlüsselung aber angeblich nicht möglich. Dort heißt es:

„Im Hinblick auf eine Unterteilung der Versicherten in gegen SARS-CoV-2 Geimpfte und Ungeimpfte muss festgehalten werden, dass der Datensatz aufgrund der festgelegten Abrechnungsmodalitäten eine zuverlässige Zuordnung in die eine oder andere Gruppe nicht zulässt. Der Grund hierfür ist, dass die Abrechnung der Corona-Impfung aufgrund besonderer Abrechnungsbestimmungen bisher nicht im Datensatz nach § 295 SGB V enthalten ist. Zudem können Versicherte, die beispielsweise in einem Impfzentrum, bei Betriebsärzt:innen oder auch in Apotheken geimpft wurden, nicht identifiziert werden.“

Ein genauerer Blick in die KBV-Daten offenbart aber, dass man anhand der Daten zu den abgerechneten Leistungen womöglich durchaus zwei relativ große Gruppen von geimpften versus ungeimpften Personen identifizieren könnte. Zum einen gibt es dort seit April 2021 einen ICD-Code (ICD U11.9), welcher benutzt werden soll, um bei einer Person anzugeben, dass sie das Gesundheitswesen zum Zweck der COVID-19-Impfung in Anspruch nimmt. Wurde bei einer Person also ein solcher ICD-Code abgerechnet, ist davon auszugehen, dass es sich um eine geimpfte Person handelt.

Zum anderen gibt es in den KBV-Daten den ICD-Code Z28, welcher kodiert, dass eine Impfung nicht durchgeführt wurde. Wie die folgende Abbildung zeigt, ist die betroffene Personengruppe relativ groß und insbesondere mit Beginn der Impfkampagne stark angewachsen:

Es ist also davon auszugehen, dass in der Personengruppe mit dem ICD-Code Z28 relativ viele Personen zu finden sind, die nicht COVID-geimpft wurden. Es lässt sich zwar nicht sicher ausschließen, dass eine Person mit einer abgerechneten Leistung zum Code Z28 COVID-geimpft wurde, weil es sich nicht um einen COVID-spezifischen Code handelt. Aber zumindest sollten sich in der Personengruppe mit einem abgerechneten ICD-Code Z28 weniger COVID-geimpfte Personen befinden als in der Personengruppe mit einem abgerechneten ICD-Code U11.9 (COVID-Impfung).

Würde es also in der Personengruppe mit einem abgerechneten ICD-Code Z28 keine vergleichbaren Anstiege geben wie in der Personengruppe mit einem abgerechneten ICD-Code U11.9, wäre das zumindest ein Hinweis auf einen möglichen kausalen Effekt der Impfungen. Da sich die Personengruppe mit einem abgerechneten ICD-Code Z28 aber vermutlich durch eine besondere Charakteristik auszeichnet, wie beispielsweise das Vorhandensein bestimmter impfverhindernder Vorerkrankungen, wäre auch eine solche Analyse mit Vorsicht zu genießen. Aber das wäre zumindest ein erster Schritt auf der Suche nach möglichen Belegen für einen kausalen Zusammenhang, solange keine valideren Daten zum Impfstatus der Personen vorliegen.

Eine Aufforderung an die Kassenärztliche Bundesvereinigung

Obwohl der von der KBV veröffentlichte Datensatzes größtenteils nur Personen enthält, die im Jahr 2021 mindestens eine kassenärztliche Leistung erhalten haben, zeigen sich bei einigen Krankheiten Anstiegsmuster, welche eindeutige Risikosignale hinsichtlich eines Anstiegs der Krankheitszahlen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfkampagne darstellen.

Ein Problem bleibt aber, dass sich bei vielen weiteren Krankheiten – insbesondere bei Krankheiten, die im höheren Alter auftreten und mit einem schnelleren Versterben einhergehen – keine validen Risikosignale aus den KBV-Daten detektieren oder ausschließen lassen, weil die beobachteten Anstiege durch die beschriebenen Effekte der Zusammensetzung der im KBV-Datensatz enthaltenen Personengruppe verzerrt werden.

Dieses Problem könnte sehr leicht gelöst werden, wenn die KBV einen Datensatz veröffentlichen würde, welcher wirklich alle abgerechneten Leistungen eines Quartals – inklusive der in diesem Quartal verstorbenen Personen – veröffentlichen würde. Hilfreich wäre weiterhin, wenn die Zahlen nicht nur bezogen auf die Anzahl der abgerechneten Leistungen über alle versicherten Personen hinweg veröffentlicht werden würden, sondern auch bezogen auf die Anzahl der behandelten Personen, unabhängig davon, wie häufig eine Person in einem Quartal behandelt wurde.

Hinsichtlich der Frage nach der Kausalität wäre es wünschenswert, wenn die Zahlen zumindest getrennt nach bestimmten Codes – beispielsweise wie oben beschrieben getrennt nach Personen mit und ohne Kodierung einer nicht durchgeführten Impfung – veröffentlicht würden.

Wie die obigen Analysen zum bereits veröffentlichten KBV-Datensatz zeigen, finden sich bereits in diesem Datensatz besorgniserregende Risikosignale, welche man mit diesen Daten frühzeitig erkennen kann. Es wäre fatal, wenn man existierende Nebenwirkungen verpassen würde, obwohl Daten vorliegen, die man mittels einfacher Analysen auf mögliche Risikosignale prüfen kann.

Über den Autor: Christof Kuhbandner, Jahrgang 1974, ist Professor für Psychologie und leitet den Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg. Zuvor war er an der LMU München, der TU Dresden und der International University Bremen tätig. Er forschte und lehrte in den Bereichen der Allgemeinen Psychologie, der Entwicklungspsychologie, der Persönlichkeitspsychologie und der Pädagogischen Psychologie. Forschungsschwerpunkte sind die Themen Emotion, Gedächtnis, Motivation und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung basierend auf experimentalpsychologischen, neurophysiologischen und korrelativen Forschungsmethoden sowie mathematischen Modellierungsmethoden. Er hat über 40 wissenschaftlich-empirische Artikel in internationalen peer-reviewed Fachzeitschriften veröffentlicht und ist wissenschaftlicher Fachgutachter für zahlreiche hochrangige internationale Fachzeitschriften und wissenschaftliche Institutionen wie beispielsweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

HELENE BELLIS, 6. Februar 2023, 19:20 UHR

Vielen Dank für diese wirklich hervorragende Arbeit. Es ist allerdings eine Schande sondergleichen, daß eine solche Analyse nicht von den zuständigen Stellen durchgeführt oder zumindest beauftragt wurde. Auch wenn Herr Kuhbandner hier wirklich sehr zurückhaltend argumentiert (für mich ist diese, für das offizielle Ziel komplett sinnlose, »Impferei« von Anfang an ein Verbrechen gewesen) – wenn Politik und Gesundheitswesen auch jetzt weder reagieren noch agieren, ist die Grenze zur Kriminalität allerspätestens überschritten. Und wir dürfen wohl davon ausgehen, daß sie es nicht tun werden.

ALEXANDER FEIN, 11. Februar 2023, 10:50 UHR

Herrn Professor Kuhbandner ist für seine kenntnisreiche und gewitzte Analyse zu danken, die leider bisher erst einen Kommentar erhalten hat. Offenbar verschlägt es vielen die Sprache angesichts der mangelnden Bereitschaft zur Mitarbeit von KBV, Zentralinstitut und PEI, deren Gebaren an den Mitschüler erinnert, der einem auf dem Schulhof grinsend ein Bein stellt, wohl wissend der Lieblingsschüler der Lehrer zu sein. Mit "Schulhof" ist das Soziotop der sogenannten westlichen Zivilisation vielleicht auch angemessen beschrieben.

Offenbar - das hat Professor Kuhbandner bewiesen - kann man aus Datenseen ("big data") tatsächlich etwas herauslesen, vorausgesetzt, man geht mit Entschlossenheit und Verantwortungsbewußtsein an die Aufgabe. Schon von daher hat sich die Präsentation der Daten durch u.a. Tom Lausen auf der AfD Pressekonferenz gelohnt.

Der US-Musiker Donald Fagen hat 1982 den Song "I.G.Y." auf dem sehr hörenswerten Album "The nightfly" veröffentlicht. I.G.Y bezieht sich auf das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58 und die damit verbundenen, positiven Zukunftsvisionen einer friedlichen und prosperierenden Gesellschaft. Eine seherische Zeile lautet:

"A just machine to make big decisions
Programmed by fellows with compassion and vision".

Den Song habe ich immer als bedrohlich empfunden, auch wegen der Orchestrierung. Das Gegenteil der jeweiligen Zeile seiner Komposition hat Donald Fagen sicherlich mitgedacht: Was wäre, wenn die "Fellows", die die Maschinen programmieren, durch Narzißmus motiviert wären, und die Visionen in einen Wahn umschlagen?

Die Antwort darauf finden wir realiter vor.

ROLAND M., 25. Februar 2023, 06:15 UHR

Mir ist das Diagramm bezüglich "Anzahl Untersuchungen zur Feststellung einer Schwangerschaft (ICD Z32)" und "Anzahl Geburten nach zwei Quartalen (Statistisches Bundesamt)" nicht ganz klar. Kann mir hier jemand auf die Sprünge helfen?

Zu finden ist das Diagramm am einfachsten, wenn man im Text nach folgendem sucht: " In der folgenden Abbildung wird zur Illustration noch einmal der Verlauf der durchgeführten Untersuchungen und Tests zur Feststellung einer Schwangerschaft gezeigt"

Wie kann die Anzahl der Geburten dauerhaft höher sein als die Anzahl der Untersuchungen zur Feststellung einer Schwangerschaft? Zum Beispiel: ca. 145.000 Schwangerschaftsuntersuchungen zu Beginn 2021, Mitte 2021 dann aber ca. 225.000 Geburten. Ist diese Differenz durch Mehrlingsgeburten, "Spontangeburten" (ohne Vorsorgeuntersuchungen) oder ähnlichem zu erklären?

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