Demonstration gegen Impfpflicht und Corona-Politik am 26. Februar in Düsseldorf | Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt

Offener Brief eines Polizisten: „Ich bin erschüttert über den Zustand unserer Polizei“

Ein Polizeibeamter wendet sich mit einem offenen Brief an seine Kollegen und die Öffentlichkeit. Er spricht mit Blick auf die Umsetzung der Corona-Verordnungen durch die Polizei von einem „systemischen Versagen“. Viele erfahrene Kollegen wüssten „instinktiv“, dass ein „nicht unerheblicher Teil der Maßnahmen rechtswidrig beziehungsweise verfassungswidrig“ ist, wagten aber nicht den Schritt, ihre Kritik auch zu äußern. „Wir sind halt ein zutiefst hierarchisches System“, so der Polizist, dessen Identität der Redaktion bekannt ist und der hier unter Pseudonym schreibt. Er appelliert: „Gerade wir als Polizei sollten Garant von Rechtsgrundsätzen und Grundrechten sein und nicht reine Erfüllungsgehilfen der Politik.“

SEBASTIAN GRAU, 3. März 2022, 5 Kommentare, PDF

Ich bin seit über 25 Jahren bei einer Landespolizei im Einsatz und seit längerem in der sogenannten mittleren Führungsebene beheimatet. Die letzten beiden Jahre sind die bisher schwierigsten meiner Berufslaufbahn, da ich – nach einer gewissen Zeit der Unsicherheit und persönlichen Meinungsbildung durch Eigenrecherche – noch nie so wenig hinter dem Inhalt meiner Arbeit gestanden habe wie derzeit, wenn es um das Thema „Pandemiebekämpfung“ geht. Intern habe ich mit Anordnungen von Vorgesetzten und „Hygieneregeln“ zu kämpfen, die teilweise absurd sind und einen geregelten Dienstablauf immer wieder stark behindern. Trotzdem wird, gerade von der Politik und der obersten Führung, so getan, als ob die Leistungsfähigkeit unserer Organisation dadurch nur bedingt belastet wird und es schon irgendwie geht.

Ich war einmal sehr idealistisch unterwegs, habe an unser Rechtssystem und Gesetz geglaubt. Ja, auch ich habe manchmal mit Kollegen etwas sehr interpretationsbedürftige Rechtsauslegungen getätigt, um Einsatzlagen zu bewältigen, oder den „Richtigen“ zu erwischen. Aber das war nie systemisch und wir haben das verantwortet. Wichtigster Grundsatz war und ist für mich immer noch die Verhältnismäßigkeit. Das Grundgesetz und unsere Idee von einem demokratischen Rechtsstaat halte ich für sehr gut. Leider ist da fast nur noch eine leere Hülle übrig, wenn es um bestimmte Themen geht.

Querdenker, Rechte, Leugner: Mich stören die Begrifflichkeiten

Mich persönlich stören ungemein die internen Begrifflichkeiten über die Demonstranten, aber da wurden von Anfang an Schlagworte eingeführt, die sich jetzt einfach verfestigt haben und natürlich von allen Kollegen und Dienststellen kritiklos übernommen wurden. Jeder Spaziergang ist eine „Querdenker-Demonstration“, wenn nicht sogar eine von Corona-Leugnern.

Was mich persönlich auch sehr stört, ist der Versuch unserer politischen Führung, alle Kritiker und Demonstranten in die „rechte Ecke“ zu stellen, ihnen Gewalttätigkeit zu unterstellen und der Versuch, sie so zu diskreditieren und delegitimieren. Wir bekommen an jedem Morgen die Zahlen und können so sagen: In den wenigsten Fällen kommt es zu Straftaten. Ja, die Auflagen der Versammlungsbehörden (Maskenpflicht und Abstand) werden schon öfter, teilweise auch sehr zahlreich, nicht eingehalten, aber unter freiem Himmel und da dies ja auch oft Inhalt des Protestes ist, durchaus nachvollziehbar. Jeder Teilnehmer weiß auch, dass er dadurch Gefahr läuft, eine Ordnungswidrigkeitenanzeige zu bekommen, aber dieses Verhalten stellt per se keine grundsätzliche Gewaltbereitschaft dar. Wenn es zu Gewalttaten – Straftaten gegen Polizeibeamte – kommt, dann fast ausschließlich bei der Ahndung der Verstöße (Beleidigungen, Widerstände) beziehungsweise bei polizeilichen Maßnahmen, um sich fortbewegende Versammlungen zu verhindern. Hier findet leider bis jetzt von Seiten der obersten Polizeiführungen und der Politik noch keine Ursachen-Wirkung-Analyse statt.

Trotzdem kann ich keinerlei Angriffe auf meine Kollegen tolerieren, mögen die persönlichen Schicksale in der Corona-Krise für den Einzelnen auch noch so schlimm gewesen sein. Aber auch wir sind Menschen, die sehr unter der Situation leiden und nicht alle stehen vorbehaltlos hinter der derzeitigen politischen Linie. Man merkt dies auch schon bei einigen Spaziergängen, wo insbesondere bei polizeilicher Zurückhaltung nichts passiert. Und das ist die Mehrzahl. Meist wird nur bei großer Kräfteanzahl in den größeren Städten „hart“ durchgegriffen, insbesondere um die oft aberwitzigen Allgemeinverfügungen durchzusetzen.

Bei vielen Kollegen reift schon die Erkenntnis, dass die überwiegende Mehrheit der Demonstranten normale, besorgte Bürger sind und (nicht tolerierbare) Gewalttätigkeit oftmals erst durch das Eingreifen der Kollegen wegen Auflagenverstößen zustande kommt.

Mich erschreckt die völlige Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen

Ich komme immer wieder auf die selben Punkte zurück. Mich erschreckt diese völlige Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen, diese nahezu kritiklose Umsetzung und mangelnde Remonstration, insbesondere hochrangiger Polizeiführer. Allein wenn ich daran denke, wie die Ausgangssperre in Bayern verkündet wurde und ich reflexartig gesagt habe: „Das geht nicht durch, das ist verfassungswidrig und unverhältnismäßig.“ Und trotzdem wurde sie umgesetzt und überwacht. Ich bin so erschüttert über den Zustand unserer Polizei. Für mich ein systemisches Versagen. Ein Zusammenspiel aus einigen willfährigen Erfüllungsgehilfen der Politik, vielen Mitläufern und Technokraten und einigen Überzeugten. Das Schlimmste ist die Ohnmacht. Zu wissen, dass „Aufstehen“ vermutlich das Karriereende bedeuten würde.

Ich spreche seit 20 Monaten sehr viel mit Kollegen, streite mich auch hin und wieder (konstruktiv), versuche zu argumentieren und stoße auf unterschiedliche Reaktionen. Jedoch ist entgegen dem Bild von der geschlossenen Staatsmacht durchaus eine heterogene Meinung erkennbar. Leider meist nur privat, denn ein Faktor wiegt unheimlich schwer und der verhindert fast vollständig jeglichen Widerstand: Das Berufsbeamtentum, die Dienstpflicht und die große Abhängigkeit der Kollegen vom Staat. Der Umgang des Dienstherren mit den kritischen Geistern schreckt nahezu alle Kollegen ab, über persönliche Meinungsäußerungen intern im geschützten Rahmen hinaus, weitere Schritte zu wagen.

Ich kann nicht sagen, wie viele Kollegen wirklich kritisch sind, wie viele „Hardliner“ und wer Unbehagen hat, aber eben mitmacht. Es gibt ja auch in der Kritik nicht nur Schwarz und Weiß, alles richtig oder alles völlig falsch. Ja, da gibt es Kranke, Schwerkranke, auch Menschen die versterben. Aber so verbissen, wie die Politik ihre Regeln und Verordnungen durchsetzt, das sollte doch mehr Kollegen zum Nachdenken bringen. Ich glaube jedoch, die meisten machen einfach mit. Wir sind halt ein zutiefst hierarchisches System. Und wenn nicht ganz oben in der Hierarchie jemand widerspricht, der auch Gewicht und Durchhaltevermögen hat, gibt es kaum Chancen, dass sich etwas in der Polizei tut. Ich setze da eher auf die „kleinen“ Widerstände. Einmal wegsehen – nicht anzeigen, ein Lächeln hier oder eine interne Regel, die nicht so strikt befolgt wird.

Nicht unerheblicher Teil der Maßnahmen verfassungswidrig

Viele erfahrene Kollegen wissen instinktiv, dass ein nicht unerheblicher Teil der Maßnahmen nach unserem gesunden Rechtsempfinden eigentlich „rechtswidrig“ beziehungsweise „verfassungswidrig“ ist. Das haben wir alle einmal gelernt. Wenn wir mit solchen Ideen in unserer Ausbildung zur „Lösung“ einer Einsatzlage angekommen wären: setzen, 6! Durchgefallen! Nicht verfassungskonform und nicht verhältnismäßig. Gerade diese – für mich nicht gegebene – Verhältnismäßigkeit stört mich ungemein, denn für sie ist nicht nur der Gesetzgeber oder Verordnungsschreiber zuständig, sondern jeder Beamte, der eine Maßnahme umsetzt. Aber, wie gesagt, wir sind ein hierarchisches System – und haben wenig selbstbewusste Vorgesetzte mit „gesundem Menschenverstand“. Bei den meisten hat man das Gefühl, je weiter sie nach oben kommen, desto mehr wollen sie auch noch erreichen. Bloß nicht mit der Hand anlegen, die Dich füttert.

Es gibt teilweise im Dienstbetrieb, fast wie in der gesamten veröffentlichten Meinung der „Gesellschaft“, nur mehr Schwarz und Weiß, Fakten und Fake, Gute und Böse. Man könnte als fast folgerichtige Konsequenz der aufziehenden digitalen Diktatur sagen: 0 oder 1. Keine Zwischentöne mehr, keine oder kaum Differenzierung. Damit nichts Menschliches mehr. Viele würden sicherlich sagen: Du siehst viel zu schwarz, so schlimm ist es nicht. Doch, finde ich schon. Gerade wir als Polizei sollten Garant von Rechtsgrundsätzen und Grundrechten sein und nicht reine Erfüllungsgehilfen der Politik. Denn die kann ihre Meinung, ihre Ausrichtung schnell ändern, und damit die Anordnungen und Leitlinien. Die daraus resultierende Unsicherheit bei den Bürgern zerstört das Vertrauen in die Grundsätze des Rechtsstaates und damit das Vertrauen der Bürger in uns.

Wir Kritiker innerhalb der Polizei sind mehr, als wir glauben

Jedoch bin ich der Meinung, wir Kritiker innerhalb der Polizei sind mehr, als wir glauben. Wie oft habe ich schon in Dienst- oder Abschnittsbesprechungen die verdrehten Augen von Kollegen bei der Nennung bestimmter „Fakten“ wahrgenommen. Leider keine Stimmen. Ja, auch ich habe meist geschwiegen. Aber nach mehr als 20 Jahren im Einsatzgeschehen, teilweise in der gesamten Republik, habe ich noch nie so eine große Diskrepanz zwischen meinen täglichen Erfahrungen und der „offiziellen“ dienstlichen Meinung wahrgenommen.

Wir bräuchten eine Stimme, die man nicht so einfach verstummen lassen kann. Es wäre sicher eine Aufgabe, die kritischen Kollegen zu vernetzen und ihnen die Möglichkeit zu geben, anonym, aber zahlenmäßig Gesicht zu verleihen. Denn wie gesagt, viele können beziehungsweise wollen sich ein Karriereende (noch) nicht leisten. Wenn wir (die kritischen Polizisten) jedoch merken würden, dass unsere Zahl so groß ist, dass wir die Funktionsfähigkeit der Polizei und damit des Staates beeinflussen können, würden sich vielleicht noch mehr trauen, Farbe zu bekennen!

Ich habe nicht zufällig ausgerechnet hier auf Multipolar den ersten Schritt gewagt. Ich bin überzeugt von der sachlichen Herangehensweise in diesem Online-Magazin, die auch Kritik an getätigten Äußerungen zulässt und sich mit ihr auseinandersetzt. Deswegen mein Aufruf an alle Kollegen (natürlich auch immer Kolleginnen):

Lasst mich wissen, ob ich so total falsch liege mit meinem Gefühl, meiner Einschätzung, dass wir als Polizei auf einem bedenklichen Weg sind und etwas ändern müssen. Oder irre ich mich, ist meine Sichtweise völlig abwegig, bin ich der Geisterfahrer und „Nestbeschmutzer“? Es ist so schwer einzuschätzen, insbesondere über die Ländergrenzen hinweg, wie viele wir sind.

Lasst uns die Stimme erheben, schreibt Multipolar und lasst uns versuchen, konstruktiv zu bleiben. Ich möchte wieder mit einem guten Gefühl auf das Grundgesetz in meinem Bücherregal im Büro schauen können, das mich seit meiner Ausbildung begleitet.

STRUPPI, 3. März 2022, 13:15 UHR

In dem Kontext wäre es interessant, die Polizisten zu erwähnen, die aufgrund ihrer Äußerungen und/oder Teilnahmen an Demonstrationen vom Dienst suspendiert wurden. Denn auch die gab es.

Und wenn ich mich recht erinnere, war es auch ein "Skandal", als die Polizei sich bei den "Spaziergängern" nach einer Demo per Lautsprecher bedankte. Die öffentliche Debatte läßt vermuten, dass auch dort danach "gehobelt" wurde.

PAUL SCHREYER, 3. März 2022, 23:25 UHR

Siehe dazu auch diese Meldung vom 20.12.2021 beim MDR:

"Hochrangiger Polizist wegen Sympathie für Corona-Demo suspendiert"

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/saalekreis/polizeirevier-merseburg-leiter-suspendiert-corona-demo-100.html

Hintergrund war, dass bei einer Demo mehrere hundert Teilnehmer den Polizeibeamten applaudiert hatten, woraufhin deren Revierchef dann seinerseits klatschend auf die Demonstranten zugegangen sei, wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtet hatte.

MARKUS, 4. März 2022, 08:55 UHR

"Wichtigster Grundsatz war und ist für mich immer noch die Verhältnismäßigkeit."

Und genau hier liegt für mich das eigentliche Problem. Wer bestimmt denn, was verhältnismäßig ist? Das oberste Gericht? Dann ist und war bislang jede Pandemie-Maßnahme verhältnismäßig. Oder jeder für sich? Dann ist dieser Grundsatz für die Bewertung der Maßnahmen völlig wertlos, weil die Befürworter sie natürlich als verhältnismäßig betrachten.

Ich glaube, wir werden langfristig nicht umhinkommen, Grundrechte objektiv auszulegen. Eventuelle Widersprüche müssen anders aufgelöst werden als dadurch, einfach ein Recht einem anderen unterzuordnen. Wir sehen doch gerade "in live", wie gut sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewährt.

BERNHARD MÜNSTERMANN, 4. März 2022, 21:15 UHR

Die Verhältnismäßigkeit von staatlichen Eingriffen in bürgerliche Rechte und behördlich angeordnete Maßnahmen zu prüfen, soweit sie gesetzlich zulässig sind, wird weiterhin ein entscheidendes Kriterium im öffentlichen Dienst bleiben. Es setzt allerdings einen wenigstens halbwegs noch funktionierenden Rechtsstaat voraus, in dem wirklich unabhängige Richter dies kritisch prüfen.

Funktioniert der Rechtsstaat hingegen weitgehend nicht mehr, wie es derzeit an einschlägigen Urteilen bis hinauf zum BVG abzulesen ist, nützt eine ganz in die Einzelheiten gehende Gesetzgebung auch nichts. Am wenigsten ist hier derzeit auf den Gesetzgeber selbst Verlass für die Staatsbürger. So werden auch Entscheidungen gegen die eindeutige Gesetzeslage üblich, die dem Rechtsempfinden der Bürger Hohn sprechen. Die Angriffskriege in Jugoslawien, in Afghanistan etwa: Was wäre hier an den gesetzlichen Schranken unklar gewesen, die solches Regierungshandeln und den Einsatz der Bundeswehr hätten ausschließen müssen? Bietet nicht auch § 11 Soldatengesetz die Möglichkeit, einen ungesetzlichen und verfassungswidrigen Befehl zu verweigern? Schon deshalb wäre eine vergleichbare Initiative zur Selbstorganisation auch für kritische Soldaten und Offiziere der Bundeswehr wünschenswert. Auch da haben sich einzelne Angehörige der Streitkräfte ja couragiert aus der Deckung gewagt, aber eben nur die relativ wenigen. Beamte und Akademiker haben mehr an Privilegien zu verlieren und scheuen typischerweise das Risiko.

Upton Sinclair schrieb treffend: It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends on his not understanding it. Bei Jürgen Habermas lauteten die dialektisch gegenübergestellten Begrifflichkeiten: Erkenntnis und Interesse. Aber auch das Übersehen eines unterschrittenen Mindestabstands oder einer unter dem Kinn getragenen Maske ist kleinteilig, wie vom Autor geschildert, ein Ermessensspielraum für jeden einzelnen Beamten im Dienst. Eine niedrigschwellige Möglichkeit, sich der Instrumentalisierung für diesen Irrsinn als Beamter im Dienst zu verweigern.

AYU, 5. März 2022, 01:45 UHR

Vielen Dank, Herr "Grau" für die gewisse Offenheit, insbesondere aber auch für den erklärten Zweifel, den ich - offengestanden - nicht ganz einschätzen kann, da ich Sie nicht kenne, aber dennoch würdigen möchte, da ich hierin einen weiteren wichtigen Aspekt eines "rechtschaffenden" Wirkens im Leben neben der Verhältnismäßigkeit ausmache.

Ich beziehe mich vor allem auf Zitat Herr "Grau":

"Lasst mich wissen, ob ich so total falsch liege mit meinem Gefühl, meiner Einschätzung, dass wir als Polizei auf einem bedenklichen Weg sind und etwas ändern müssen. Oder irre ich mich, ist meine Sichtweise völlig abwegig, bin ich der Geisterfahrer und „Nestbeschmutzer“? Es ist so schwer einzuschätzen, insbesondere über die Ländergrenzen hinweg, wie viele wir sind."

Ihnen wie vielen anderen ist unlängst bewusst und gewahr geworden, mit welchen Verhältnissen "wir" generell täglich konfrontiert sind, wir: ohne Millionenkapitalvermögen und ohne, dass auf unser Geheis am nächsten Tage die Nation fortan durch Plastik atmet. Wir, die den Bezug zur Realität auf der Straße vielleicht insofern verlieren könnten, als dass wir ebenso nur unser mittelbares Tätigkeitsumfeld selbst erleben und vieles Ferne nur berichtet erfahren.

Doch Sie, ich und viele, viele andere haben diese Realität jeden Tag auf der Handfläche, der Schuhsohle, der FFP2-Masken, in den Gelenken und Gedanken. Und man hört sich viel um und prüft und vergewissert sich überall, wo man selbst steht und waltet, doch wer kann einem insofern beipflichten, dass man sich gewiss sein kann und stimmt, was man meint? Der beste Freund, der eher gleich Tickt und einen vielleicht wortlos verstehen kann? Die Kollegen, welche eigene Probleme haben, in erster Linie vielleicht Kollegen sind, wechseln und privat nicht selten vom Arbeitswesen abweichen - und zwar Richtung menschlich? Daher rührt gerne mal ein Zweifel dergestalt, wie Sie ihn oben zu Schrift bringen, so, als ob man sich nicht vielleicht selber voll verinformiert und verrannt hat und das alles schon seine Richtigkeit hat?

Nun, wir haben inzwischen ein Jahrhunderte schweres Wissen, dass Kriege nicht einfach beginnen; können sie gar nicht: es brauchte schon immer einige Anstrengung und Gefolge sowie ein gemeinsam erklärtes Ziel (an dessen Erreichen sich bestenfalls alle Mitwirkenden zu beteiligen haben) bzw. eine gemeinsam erklärte sonstwede Bedrohung (die aber nebst Manipulierbarkeit noch Wehrfähigkeit aufweisen dürfte). Dadurch kann man Verantwortlichkeiten und Opferschäden ableiten, ziemlich direkt. Im aktuellen Falle des russichen Militärschlags auf Militärinstallationen im Nachbarland Ukraine ist diese alte, blutige Weisheit, auch aufgrund teils ungemein kritischer Aufbegehrung gegenüber der Partei Russland, anschaulich beobachtbar. (Eine alternative Erklärung für diese entschiedene Ablehnungsleistung zu einer Militäraktion in der reichweitenbreiten Öffentlichkeit könnte aber auch eine seltene Planetenkonstellation sein, in der sich alle Satteliten westlich des Horizonts befinden...)

Die Menschen kennen inzwischen einige der Lügen der Herrschenden und wie daraufhin Millionen gefolgt und schließlich verendet sind. Die Menschen kennen inzwischen schwere Irrtümer auch der Wissenschaft, der Technik sowie medizinischer Behandlungsmöglichkeiten. Die Liste kann beliebig lang ausfallen, je nachdem, wo man anfängt und aufhört. Die Sache ist, es gab eigentlich immer welche, die das anders sahen, bewerteten, beurteilten, ableiteten. Die wurden oft verabscheut, verunglimpft, oder Bestialischeres. An der sogenannten Wahrheit (daher nämlich, weil es später breite Anerkennung, also Realität wurde), waren solche Kritiker meist näher dran als der jeweilige kollektive Zeitgeist gestandener Eliten. So wird etwa Lebensgrundlagenschutz bestimmt noch länger ein Thema darstellen, ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich jemandes Vorschläge heranziehe, dessen Hintern schon unnützweise ressourcenverballernd im All war, dessen Geist und Seele aber dem Eindruck ausgesetzt war, den Planeten von dort sehen zu können...

Mit dem vorhandenen Wissen und Ressourcen kann mehr aufgebaut werden, außer vermeindlich von sowieso verhassten Russen oder Quedenkern kaputtgetretene "Sicherheitseinrichtungen" der Profiteure!

Insofern stimme ich denn den beiden Vorschreibern ebenso zu und meine, wir kommen als Gesellschaft bzw. als Menschheit wohl erst entscheidend weiter, mit dem wahrlich geschundenen und verschütteten Teil "Menschlichkeit", wenn wir, jede/r Einzelne, selbstverständlich weiterhin "bis ins letzte Getreu" (Karl Heinz Waggerl) den jeweils individuellen Blick, das feine Gespür, die ungeahnten Fähigkeiten und den Zweifel in die Abläufe und Dinge des Alltags einbringen, ihn miterschaffen, nachbilden, im frohen Sinne bereichern, anstatt diesen Wert der Humanität für Destruktives und Leidförderndes ja geradezu zu vergeuden oder gutgläubig zu vergeben an andere, die ihn weder schätzen noch zählen noch lebenssinnförderlich anwenden könnten und dies selbst längst bewiesen haben.

In dem Sinne: Es liegt nicht an uns, es liegt an jedem!

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