Skambraks-Kündigung: Farbe bekennen!
REDAKTION, 29. Oktober 2021, 17 Kommentare, PDFZunächst: Man muss dem SWR und seinem Intendanten Kai Gniffke dankbar sein, dass die Fronten nun geklärt sind. Im Grunde hat es jeder längst gewusst oder geahnt: Wer als Mitarbeiter der Sender grundsätzliche Kritik an der Corona-Berichterstattung übt, der riskiert seinen Job. Anders war das Schweigen so vieler Journalisten über so lange Zeit kaum zu erklären. Nun ist das Wissen oder die Ahnung eindrücklich bestätigt worden: Wer deutliche Kritik äußert, der fliegt. Skambraks hatte das am Ende seines offenen Briefes vom 5. Oktober bereits vorausgesehen: „Diese Zeilen schreibend komme ich mir vor wie ein Ketzer; jemand, der Hochverrat begeht und mit Strafe rechnen muss."
Die – womöglich arbeitsrechtlich motivierte – Argumentation des SWR geht anders. Keinesfalls sei Skambraks wegen seiner Kritik am Sender entlassen worden, beteuert die Chefetage, sondern weil er „den SWR und damit die hier tätigen Kolleginnen und Kollegen fortgesetzt durch falsche Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit diskreditiert“ und damit den Betriebsfrieden „empfindlich gestört“ habe. In dieser Perspektive ist Skambraks ein Unruhestifter, der die eigenen Leute aufwiegelt.
Dem SWR zufolge sei nach einem Gespräch mit Skambraks am 8. Oktober außerdem „ein 14-tägiges öffentliches Stillhalten, um die Möglichkeit zur internen Aufklärung und Befriedung zu schaffen“, vereinbart worden, woran Skambraks sich aber nicht gehalten habe, sondern bei einem Fernseh-Auftritt seine Kritik wiederholte. Skambraks widerspricht dem auf Nachfrage:
„Die Darstellung, dass ich mich nicht an eine Stillhaltevereinbarung gehalten habe ist falsch. So etwas hat es nie gegeben. Es gab lediglich die Bitte von meinen Vorgesetzten meine Aktivitäten auf Social Media (vor allem gemeint war Twitter) in den nächsten zwei Wochen ruhen zu lassen. Dieser Bitte bin ich weitestgehend nachgekommen (Ausnahme war die Weiterleitung eines Tweets von Servus TV). Es gibt kein Protokoll zu dem Gespräch. Ich habe am Anfang darauf bestanden doch dies wurde abgelehnt, da es sich nur um einen ersten Austausch zum Verständnis handeln sollte. Davon, dass ich Medienanfragen in der Zeit nicht nachkommen darf, war nie die Rede und dies wurde nicht thematisiert.“
Skambraks weiter:
„Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich kritisch über die Coronaberichterstattung geäußert haben, sind mittlerweile verstummt und befinden sich in einer sozialen Isolation auf der Arbeit. In dem Gespräch mit meinen Vorgesetzten habe ich mehrfach für eine Aufarbeitung dieser Zustände durch professionelle, externe Begleiter plädiert. Es ging mir darum, dass wir miteinander wieder in den Dialog kommen und dass wir uns begegnen können, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Eine solche Aufarbeitung wurde als nicht wichtig erachtet. Die Kündigung unterstreicht diese Haltung.“
Wer sich die Zeit nimmt, seinen offenen Brief "Ich kann nicht mehr" zu lesen, so wie es 1,5 Millionen Menschen bislang getan haben – und dazu noch einmal 100.000 in den anderen Sprachen, in die der Text von Journalisten aus verschiedenen Ländern übersetzt wurde –, der kann sich angesichts der Vorwürfe des SWR nur erstaunt die Augen reiben. Deutlich wird: Die Senderverantwortlichen leben inzwischen in einer Realität, die hermetisch gegen jeden Zweifel abgeschottet ist und die mit massiver Gewalt verteidigt wird.
Ole Skambraks, seit 12 Jahren bei der ARD, hatte die Hoffnung, eine Debatte im Sender anzustoßen. Doch diese Debatte ist nicht erwünscht, allen Sonntagsreden zum Trotz. Der SWR steht dabei nur beispielhaft für eine Haltung, wie sie sich im gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auch bei privaten Medien zeigt. Man will sich nicht selbst hinterfragen, sondern fühlt sich durch Kritiker dermaßen bedroht, dass man ihre Argumente als Desinformation ausgrenzt. Diese Methode ist brutal und zerstörerisch.
Besonders verheerend ist das für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der einmal angetreten war, ausdrücklich die gesamte Breite der Gesellschaft abzubilden und in einen Dialog miteinander zu bringen. Von nichts könnte er derzeit weiter entfernt sein, als von diesem Anspruch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende – konformistisch, unbeweglich und nun auch offen aggressiv gegen Kritiker aus den eigenen Reihen.
Was folgt daraus? Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sender, die insgeheim kritisch denken, aber gegenüber Vorgesetzten und der Öffentlichkeit bislang geschwiegen haben um ihren Job nicht zu riskieren, dürfte klar sein: Die Botschaft dieser Kündigung richtet sich vor allem an sie. Der Rauswurf soll einschüchtern.
Darum markiert dieser Beschluss eine Wegscheide. Jetzt ist der Augenblick, seine Stimme zu erheben – ob nun hinter den Kulissen oder auf offener Bühne – für die Art von Journalismus, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten soll und für die er von den Bürgern bezahlt wird. Alle am Diskurs interessierten Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk müssen sich fragen: Wie soll es weitergehen? Glauben sie selbst, dass sie in einem internen Klima der Angst jemals wieder unbeschwert und professionell arbeiten können?
Der SWR hat für klare Fronten gesorgt, er hat Farbe bekannt, wenn auch im schlechtesten Sinne. Es wäre nur folgerichtig, wenn nun auch alle anderen, denen etwas am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinen Grundprinzipien liegt, Farbe bekennen würden.
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