Putin: Selenskij nicht mehr legitimer Präsident der Ukraine
30. Mai 2024Aus Sicht der russischen Staatsführung ist Wolodymyr Selenskij seit dem Ende seiner Amtszeit am 21. Mai 2024 nicht mehr legitimer Präsident der Ukraine. Einzig rechtmäßiges Staatsoberhaupt und damit Ansprechpartner für Russland sei nun der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk, sagte der russische Präsident Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz bei einem Staatsbesuch in Usbekistan. Laut ihrer eigenen Verfassung sei die Ukraine keine ausschließliche Präsidialrepublik, sondern auch eine parlamentarische Republik, erläuterte Putin. Das Parlament (Werchowna Rada) in der Hauptstadt Kiew habe sämtliche Machtbefugnisse inne.
Selenskijs Amtszeit war in der vergangenen Woche nach fünf Jahren regulär abgelaufen. Am 21. Mai hätte der neue ukrainische Präsident offiziell ins Amt eingeführt werden sollen. Allerdings hatte Selenskij die für den März vorgesehenen Präsidentschaftswahlen abgesagt und dies mit dem derzeit geltenden Kriegsrecht begründet, das Wahlen in Kriegszeiten untersage. Das Problem bestehe allerdings darin, dass das ukrainische Kriegsrecht zwar die Vollmacht des Parlamentspräsidenten und der Rada verlängere, aber nichts über die Verlängerung der präsidialen Amtszeit aussage, betonte Putin. Er selbst war im März als russischer Präsident wiedergewählt worden.
Das Kriegsrecht wurde am 24. Februar 2022 in der Ukraine verhängt und seitdem durchgehend um jeweils 90 Tage verlängert. Laut der ukrainischen Verfassung bestimmt der Präsident selbst per Dekret über die Verhängung des Kriegsrechts. Die Verordnung muss vom Parlament genehmigt werden. Seit der letzten Parlamentswahl 2019 verfügt Selenskijs Partei „Diener des Volkes“ – nach der gleichnamigen Fernsehserie, in der er die Hauptrolle spielte – über die absolute Mehrheit im gesetzgebenden Organ. Auch Parlamentspräsident Stefantschuk ist Mitglied in der Partei.
Für die deutsche Bundesregierung ist Selenskij trotz Ende seiner Amtszeit weiterhin legitimer Präsident der Ukraine, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Besuch am 21. Mai in Kiew. Selenskij hatte die deutsche Außenministerin dort mit dem ukrainischen Staatsorden ausgezeichnet.
Als Teile des ukrainischen Parlaments im Februar 2014 den legitimen Präsidenten Viktor Janukowitsch (Partei der Regionen) verfassungswidrig und vor Ende seiner Amtszeit absetzten, erkannten die deutsche und andere westliche Regierungen dies an und akzeptierten den damaligen Parlamentspräsidenten Alexander Turtschinow (Allukrainische Vereinigung Vaterland) als legitimes Staatsoberhaupt („Übergangspräsident“) der Ukraine bis zu den folgenden Präsidentschaftswahlen im Mai 2014. EU-Kommissionssprecher Olivier Bailly bezeichnete die Rada damals als „Garant von Demokratie und Gesetzlichkeit“, deren Entscheidung respektiert werden müsse.
Während Selenskijs Präsidentschaft wurden bereits vor dem russischen Einmarsch Abgeordnete der größten Oppositionspartei, der „Oppositionsplattform – Für das Leben“ sanktioniert und deren Vorsitzender Wiktor Medwedtschuk unter Hausarrest gestellt. Einhergehend wurden mehrere von der Opposition kontrollierte Fernsehsender und weitere Medien sanktioniert und geschlossen. Nach Beginn des Krieges mit Russland wurde Medwedtschuk verhaftet und später bei einem Gefangenenaustausch an Russland übergeben. Die verbliebenen größten Fernsehkanäle wurden zu einem Programm vereint. Kritik an Selenskyj kommt darin kaum noch vor. Alle anderen Fernsehsender wurden geschlossen. Laut einer Umfrage aus dem März 2024 vertrauen nur noch 36 Prozent der verbliebenen Ukrainer dieser Institution.
Auch die Umfragewerte Selenskijs sind seit seiner Wahl deutlich gesunken. Eine Umfrage im März ermittelte für einen damaligen potenziellen ersten Wahlgang 23,7 Prozent der Stimmen für Selenskij, der ehemalige Armeechef der Ukraine, Walerij Saluschnij, war hingegen auf 41,4 Prozent gekommen. Selenskij hatte den Kommandeur im Mai offiziell entlassen und als Botschafter nach London geschickt. Auch Selenskijs Partei hätte in einer Parlamentswahl im März nur noch 21,1 Prozent der Stimmen erhalten. 2019 waren es noch 43,2 Prozent gewesen.
Hinweis zum Urheberrecht: Multipolar-Meldungen können frei von anderen Portalen übernommen werden. Bedingung einer Übernahme ist die Nennung der Quelle und die Einbettung des Originallinks. Textliche Ergänzungen oder andere inhaltliche Veränderungen der Originalmeldung müssen durch einen separaten Hinweis an die Leserschaft kenntlich gemacht werden.