Regierungskritische Medien heben positive Aspekte der Wahlergebnisse hervor

Hohe Wahlbeteiligung ist „Zeichen für lebendige Demokratie“ / Neue Mehrheiten ermöglichen Reformprojekte mit „Vorbildcharakter“ / „Kriegsparteien“ abgestraft

4. September 2024
Berlin.
(multipolar)

Die medialen Reaktionen auf die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen fallen äußerst unterschiedlich aus. Während öffentlich-rechtliche und private Leitmedien die zweistelligen Ergebnisse von AfD und BSW mehrheitlich negativ interpretieren, heben regierungskritische Medien eher positive Aspekte hervor. So betont die Berliner Zeitung etwa, die hohe Wahlbeteiligung von 74,4 Prozent in Sachsen und 73,6 Prozent in Thüringen sei ein „Zeichen für eine lebendige Demokratie“.

Die mit der Regierung unzufriedenen Menschen in diesen Bundesländern hätten nicht „irgendetwas gestürmt oder kaputtgehauen“. Sie hätten sich der Wahl auch nicht verweigert, sondern „gesittet“ eine Partei gewählt. Die Zeitung kritisierte zudem die Behauptung der ARD-Wahlberichterstattung, es gebe „demokratische“ und „undemokratische“ Wahlstimmen.

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring hebt die neuen Möglichkeiten hervor, die veränderte Kräfteverhältnisse im Erfurter und Dresdener Landtag bieten. So könnten in Thüringen und Sachsen demnächst „eine ganze Reihe von bürgerfreundlichen Reformprojekten“ umgesetzt werden, die „Vorbildcharakter“ für andere Bundesländer und die Bundesrepublik entfalten könnten. Häring nennt etwa Gesetze zum Schutz des Bargeldes, zum Schutz vor digitaler Überwachung der Bürger oder zum Schutz gegen den „Smartphone-Zwang“ der Deutschen Bahn.

Zudem könnten die beiden Bundesländer ihre Verhandlungsposition beim Rundfunkstaatsvertrag dazu nutzen, die öffentlich-rechtlichen Sender demokratischer zu gestalten und der Kontrolle der Gebührenzahler zu unterwerfen, schreibt Häring. Eine Landesregierung könnte auch den Medienstaatsvertrag kündigen, der es staatlichen Behörden erlaubt, in die Arbeit von Online-Redaktionen einzugreifen. Ebenfalls könnten die neuen Landesparlamente das Zustandekommen der staatlichen Corona-Maßnahmen mit Untersuchungsausschüssen aufklären.

Die Tageszeitung „junge Welt“ erläutert, dass die „Kriegsparteien“ SPD, Grüne und CDU, die „für gigantische Aufrüstung, Stationierung weitreichender US-Raketen in Deutschland“ sowie „für fast unbegrenzte Waffenlieferungen an Kiew stehen“, zusammen je Bundesland nur noch etwa 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im vergangenen Herbst hatten diese Parteien noch rund zwei Drittel der Wählerstimmen errungen. Auch die Linkspartei ist laut der „jungen Welt“ in den Landtagswahlen abgestraft worden, weil sich ihre Bundesspitze „mehr und mehr auf NATO-Positionen“ begeben und der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow sich verstärkt den „Kriegsparteien“ angenähert habe.

Das Portal „Nachdenkseiten“ wies darauf hin, dass die Organisation „Campact“ mit einer groß angelegten Unterstützungsaktion offenbar von ihr ungewollte Mehrheitsverhältnisse erreicht habe. Zwar hat die werbliche und finanzielle Unterstützung zur „taktischen“ Wahl bestimmter Abgeordneter der Linken und der Grünen in Dresden und Leipzig ihr Ziel erreicht, diese beiden Parteien über Direktmandate sicher in den sächsischen Landtag zu bringen und so eine Sperrminoriät der AfD zu verhindern. Allerdings habe der Einzug der Linken auch dazu geführt, dass die bisherige Regierung aus CDU, SPD und Grünen nun keine Mehrheit mehr hat. Stattdessen habe nun das BSW eine starke Position bei den kommenden Koalitionsverhandlungen in Sachsen und könnte anstelle der Grünen an der Regierung beteiligt sein.

Der Journalist Boris Reitschuster vermutet, die Wahlergebnisse zwingen die CDU dazu, sich einem „grundlegenden Richtungsentscheid“ zu stellen. „Sie muss sich entscheiden, ob sie weiterhin eine breite Volkspartei sein will, die versucht, es allen recht zu machen, inklusive Rot-Grün, oder ob sie zu ihren konservativen Wurzeln zurückkehrt“. Dieser „Spagat“ zwischen konservativen Stammwählern auf der einen und progressiveren, urbaneren Wählern auf der anderen Seite werde immer schwieriger und könnte dazu führen, dass sich die Partei von „Angela Merkels verheerendem Erbe“ lösen müsse.


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