US-Magazin fordert Verlängerung der Nord-Stream-Sanktionen
18. Oktober 2024Außenpolitische Berater in Washington fordern den US-Kongress auf, die 2019 verhängten und Ende 2024 auslaufenden Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu verlängern. In einem Beitrag mit dem Titel „Don’t Let Germany Go Back to Its Old Russia Tricks“ (Lasst Deutschland nicht zu seinen alten Russland-Tricks zurückkehren) im einflussreichen Magazin „Foreign Policy“ heißt es, deutsche Unternehmen und „weite Teile des politischen Spektrums“ würden nach einem Waffenstillstand zwischen Moskau und Kiew schnell versuchen, die Handelsbeziehungen zu Russland wiederherzustellen. Die US-Außenpolitik dürfe hierbei nicht „naiv“ agieren, warnen die Autoren Benjamin Schmitt und John Herbst.
Herbst war früher als US-Botschafter in der Ukraine tätig. Schmitt arbeitet unter anderem am Ukraine-Forschungsinstitut der Universität Harvard. Beide Autoren sind zudem Mitglieder in neokonservativen „Denkfabriken“, die starken Einfluss auf die US-Außenpolitik ausüben. Sie werfen in ihrem Artikel den zuletzt amtierenden deutschen Bundeskanzlern Gerhard Schröder (SPD), Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) sowie den „traditionell russlandfreundlichen Sozialdemokraten“ vor, in der Vergangenheit „abgedroschene“ Argumente pro Russland vorgebracht zu haben, um die „immer schmutziger werdenden Geschäfts- und Energiebeziehungen“ mit Moskau zu „vertuschen“.
Der ehemalige deutsche Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), der laut den beiden Autoren „wie kaum ein anderer Politiker die gescheiterte Russland-Politik Berlins“ verkörpere, hätte gar „eine hervorragende Gelegenheit“ verpasst, am 24. Februar 2022 zurückzutreten, nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war. Der ehemalige deutsche Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hätte indessen „verspätet“ die „Fehler in seinen Beziehungen zum Kreml“ eingeräumt und scheine sich als „überzeugter Transatlantiker mit Spitzenpositionen in der Atlantik-Brücke, der Harvard Universität und der Eurasia Group neu erfunden“ zu haben.
Auf Multipolar-Anfrage, was die beiden US-Autoren vom Konzept einer souveränen deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik zum Wohle der eigenen Bevölkerung halten, reagierten sie trotz Nachfrage nicht. Multipolar zitierte in der Presseanfrage auch aus dem Text des 2017 verabschiedeten und bereits gegen Nord Stream 2 gerichteten „Gesetz zur Bekämpfung von Amerikas Widersachern durch Sanktionen“. Darin heißt es unter anderem, dass die Regierung der Vereinigten Staaten dem Export eigener Energieressourcen „Priorität einräumt“, um Arbeitsplätze in den USA zu schaffen und die US-Außenpolitik zu stärken. Nach der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im Herbst 2022 konnten die USA die Ausfuhr von Flüssigerdgas nach Deutschland deutlich erhöhen.
Von Schmitt und Herbst unbeantwortet blieben somit auch die Multipolar-Fragen danach, inwieweit die Sanktionen gegen Nord Stream 2 im Einklang mit dem Selbstbestimmungsrecht Deutschlands stehen, das ihm 1990 im Zwei-plus-Vier-Vertrag explizit zugestanden wurde und inwieweit hinter den US-Sanktionen die Interessen von Gas- und Ölunternehmen aus den Vereinigten Staaten stehen. Das Magazin „Foreign Policy“ gehört zur „Washington Post“ und zählt neben der in New York ansässigen Zeitschrift „Foreign Affairs“ zu den einflussreichsten außenpolitischen Debattenforen der US-Politik.
Multipolar hat zudem beim Auswärtigen Amt sowie bei den Bundestagsfraktionen der SPD, der CDU/CSU, der AfD und des BSW nachgefragt, wie sie sich aktuell zu den bestehenden US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 positionieren und ob zukünftige russische Gaslieferungen über den nicht zerstörten Strang der Ostsee-Pipeline nach dem Zustandekommen eines Friedensvertrags zwischen Russland und der Ukraine eine Option seien. Einzig das Auswärtige Amt hat geantwortet: Nord Stream 2 habe keine Betriebsgenehmigung und Deutschland beziehe keine direkten Gaslieferungen per Pipeline oder LNG-Terminals aus Russland. Die Bundesregierung beabsichtige nicht, dies zu ändern. Mit dem „RePowerEU-Plan“ hätten sich die EU und ihre Mitgliedstaaten zudem verpflichtet, ihre Abhängigkeiten von russischen Energieimporten zu beenden.
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