Helmholtz-Institut plant Corona-Impfung von Babys für Studie

Als potenzielle Diabetes-Vorbeugung: Teilnehmende Säuglinge werden dreimal gegen Corona geimpft / Medizin-Professor: Kaum Evidenz bei mRNA-Injektionen für Babys / Kinderarzt: Studie „missbraucht“ Säuglinge

21. Oktober 2024
München.
(multipolar)

Das Helmholtz-Institut für Diabetesforschung in München plant eine Studie, um den Einfluss einer Corona-Impfung im Säuglingsalter zur Vorbeugung von Diabetes zu untersuchen. Für die „AVAnT1A-Studie“ werden derzeit Babys im Alter von bis zu vier Monaten rekrutiert, die bei einem speziellen Antikörpertest als Risikofälle für die spätere Entwicklung von Diabetes Typ 1 ermittelt worden sind. Den Babys soll ab einem Alter von sechs Monaten innerhalb von maximal 14 Wochen dreimal ein zugelassener Corona-Impfstoff injiziert werden. Die Kinder werden dabei regelmäßig medizinisch untersucht, heißt es. Multipolar-Anfragen zur Studie wurden vom verantwortlichen „Helmholtz Zentrum München“ nicht beantwortet.

Diabetes Typ 1 gilt als Autoimmunerkrankung, bei der die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört werden. Grundannahme der Studie sind laut Helmholtz-Zentrum „Hinweise dafür, dass Virusinfektionen wie z.B. eine SARS-CoV-2 Infektion diese fehlerhafte Immunreaktion auslösen können.“ Etwa ein Prozent der Neugeborenen habe ein erhöhtes Risiko für eine spätere Erkrankung an Diabetes. Rund 0,1 Prozent der Neugeborenen entwickelten bis zum sechsten Lebensjahr ein frühes Stadium der Erkrankung, heißt es. Die bis Oktober 2027 angelegte Studie soll placebokontrolliert und verblindet durchgeführt werden. Beteiligt sind neben einem deutschen Kinderkrankenhaus auch Kliniken in England, Belgien und Schweden. Das „Helmholtz Zentrum München“ ist eine GmbH und eines von 18 Mitgliedern der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat für Kinder ab sechs Monaten die mRNA-Impfstoffe „Comirnaty“ von Pfizer/BioNTech und „Spikevax“ von Moderna empfohlen. Die zugelassenen Impfstoffe werden von der Stiko trotz „bislang begrenzter klinischer Studiendaten“ als „sicher und gut verträglich“ eingeschätzt. Die Stiko empfiehlt die Impfung jedoch nur solchen Kindern, „die ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf oder ein erhöhtes Infektionsrisiko haben“. Dazu gehören Diabetes mellitus und andere Stoffwechselerkrankungen.

Laut dem Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI) sind allerdings für Kinder im Alter von sechs Monaten bis unter fünf Jahre „keine Daten zum Schutz gegen schwere COVID-19-Verläufe (…) verfügbar“. (S. 23 f.) „Für gesunde Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren empfiehlt die Stiko derzeit keine COVID-19-Impfung.“ Ein ehemaliges Mitglied der Stiko hatte gegenüber der Tageszeitung „Welt“ im August 2024 eingeräumt, dass das Gremium die frühere Empfehlung für Corona-Kinderimpfungen nicht aus medizinischer Notwendigkeit sondern nur aufgrund öffentlichen Drucks abgegeben habe.

Der Medizinprofessor Pietro Vernazza erklärt zur Studie auf Multipolar-Anfrage, das „Nutzen-Risiko-Verhältnis muss sorgfältig abgewogen werden“. Es gebe „für eine Impfung gegen Covid-19 bei Säuglingen kaum Evidenz, insbesondere angesichts des geringen Erkrankungsrisikos in dieser Altersgruppe“, erläutert der frühere Chefarzt der Infektiologie/Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen. Mögliche Nebenwirkungen seien wenig erforscht. Es gebe sogar Hinweise darauf, dass Covid-Impfungen das angeborene Immunsystem schwächen könnten. „Ein Impfung könnte das Diabetes-Risiko somit auch erhöhen.“

Zudem verweist Vernazza auf die wichtige Rolle von Vitamin D: „Ein Vitamin-D-Mangel ist ein bekannter Risikofaktor für Typ-1-Diabetes, und Vitamin D stärkt nachweislich das angeborene Immunsystem.“ Die Studie müsse einen ausreichenden Vitamin-D-3-Spiegel der teilnehmenden Kinder garantieren, ansonsten führe sie zu falschen Ergebnissen und könnte die Kinder gefährden. Ob dies bei dieser Studie des Helmholtz-Zentrums zutrifft, ist Vernazza nicht bekannt und konnte von Multipolar trotz mehrfacher Anfragen zur Studie beim verantwortlichen Helmholtz-Zentrum nicht in Erfahrung gebracht werden.

Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Alexander Konietzky kritisiert nach Auswertung verfügbarer Dokumente zur mRNA-Impfung und zur Diabetesstudie, Säuglinge würden mit dieser Studie „fremdnützig missbraucht“. „Bei sonst nicht vorhandener Sinnhaftigkeit der Corona-Injektionen im Säuglingsalter soll hier wohl künstlich eine Indikation in einem Infektionsschutz fremden Therapiebereich generiert werden“, vermutet der Ärztliche Geschäftsführer der „Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung“ auf Multipolar-Anfrage. „Ethisch ist das in keinster Weise vertretbar.“

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