Recherchen: USA beeinflussten EU-Landwirtschaftspolitik

US-Regierung verhinderte über PR-Firmen geplante Halbierung von Pestizideinsatz in EU / Datenbank mit Negativ-Informationen über Kritiker von Pestiziden und Gentechnik / USA beauftragen Organisationen mit weltweiter Etablierung von Gentechnik

5. November 2024
Washington / Paris / London.
(multipolar)

Das US-Landwirtschaftsministerium hat im Jahr 2020 ein PR-Unternehmen damit beauftragt, Widerstand gegen die EU-Pläne zur Halbierung des landwirtschaftlichen Pestizideinsatzes zu organisieren. Das geht aus durchgesickerten Dokumenten hervor, die den Zeitungen „Le Monde“ und „The Guardian“ vorliegen, berichtet der freie Journalist Hakon von Holst auf dem Blog des Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring. (3. November) Der Beeinflussungsversuch sei letztlich erfolgreich gewesen: Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Reduktion des Pestizideinsatzes wurde im November 2023 vom EU-Parlament abgelehnt.

Am 20. Mai 2020 hatte die EU-Kommission den „Grünen Deal“ vorgestellt, der eine Halbierung des Einsatzes von Pestiziden und Antibiotika in der Landwirtschaft vorsah sowie den Ausbau des ökologischen Anbaus. Die erste Gegenmaßnahme bestand nach Recherchen der französischen Tageszeitung „Le Monde“ in einer medial gut platzierten Videokonferenz unter Teilnahme des EU-Landwirtschaftskommissars und des US-Landwirtschaftsministers. Die Veranstaltung war im Einvernehmen mit der US-Regierung von einer PR-Firma organisiert worden. Nach außen wirkte sie laut „Le Monde“ wie eine Initiative der EU-Parlamentsfraktion der Konservativen und Reformer (EKR), die von der US-Regierung als „proamerikanisch“ eingestuft wurde.

Das US-Landwirtschaftsministerium schloss in der Folge am 18. November 2020 mit dem PR-Unternehmen „White House Writers Group“ einen Vertrag, um eine „marktfreundliche und technologiefördernde“ Politik in Drittländern zu etablieren. Die Vereinbarung sah auch die Zusammenarbeit mit dem PR-Unternehmen „V-Fluence“ vor. Die Firma war im Jahr 2001 von Jay Byrne, dem früheren Leiter der Unternehmenskommunikation des Agrarkonzerns Monsanto gegründet worden. Beide PR-Firmen erklärten am 19. November 2020 in einer Mitteilung an das US-Landwirtschaftsministerium, sich dafür einzusetzen, die Pläne der EU zu verhindern.

Eine indirekte Zusammenarbeit zwischen „V-Fluence“ und der US-Regierung bestand bereits seit 2013. Das Unternehmen trat als Dienstleister der von der US-Entwicklungshilfebehörde mit der Verbreitung von Gentechnik in Afrika und Asien beauftragten Lobby-Organisation „International Food Policy Research Institute“ in Erscheinung. In diesem Zusammenhang entstand nach Erkenntnissen der britischen Tageszeitung „The Guardian“ eine private Datenbank mit Profilen von Pestizid- und Gentechnik-Kritikern, zu der ausgewählte Regierungsbeamte und Mitarbeiter von Agrarchemiekonzernen Zugang besitzen. Die Personenprofile enthalten teilweise diskreditierende Informationen, die in das Privatleben hineinreichen.

Letztendlich gehe es darum, die Bauern von „Gentechnik-Patenten abhängig“ zu machen, erläuterte Autor Hakon von Holst im Artikel. Standort-angepasste Regionalsorten gingen verloren, „während die Landwirtschaft auf Saatgut umsteigt, das seine Reproduktionsfähigkeit eingebüßt hat“. Die Bevölkerung sei dann „auf Gedeih und Verderb den Großkonzernen ausgeliefert“ und müsse „ihnen Pestizide abkaufen, weil die Sorten für den industriellen Anbau gezüchtet“ seien und mit natürlichen Bedingungen schlecht zurechtkämen.


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