Europa 1878, Karikatur von Augusto Grossi (1835-1919) | Creative Commons, CC BY 4.0

Die langen Linien der Russophobie

Westliche Politiker und Publizisten können sich immer wieder extrem abfällig über Russland äußern, ohne dafür öffentlich kritisiert zu werden. Rhetorisch darf offenbar jedes Tabu gebrochen werden. Dieser negative Umgang, der in Bezug auf andere Länder kaum vorstellbar ist, geht weit über sachlich berechtigte Kritik an der russischen Staatsführung hinaus und ist in Kriegszeiten genauso beobachtbar wie in Friedenszeiten. Die Verantwortlichen greifen dabei auf bestimmte Stereotype und Unterstellungen gegenüber Russland zurück, die schon seit Jahrhunderten wiederholt werden und sich tief ins westliche Unterbewusstsein eingegraben haben.

STEFAN KORINTH, 24. April 2023, 2 Kommentare, PDF

Hinweis: Dieser Artikel ist auch auf Englisch verfügbar.

„Die einzige Wahrheit, die aus Russland kommt, ist die Lüge.“
Robert Habeck, deutscher Wirtschaftsminister (2022)

„Was ist das für ein Frieden, wenn man unter russischer Besatzung leben muss, jeden Tag die Sorge hat, dass man kaltblütig ermordet, vergewaltigt oder als Kind sogar verschleppt wird?“
Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin (2023)

Wenn westliche Politiker und Publizisten sich öffentlich über Russland äußern, dann geschieht dies nahezu ausschließlich in negativer und dabei oft auch in stark abwertender Weise. Ihre Ausführungen sind regelmäßig von bösartigen Unterstellungen geprägt und auffallend häufig fehlt jedes Verständnis für die russische Perspektive. Äußerungen russischer Politiker und Publizisten werden durchgängig als Propaganda und Lügen bewertet. Der russische Präsident darf krass beleidigt und mit den übelsten Figuren der Weltgeschichte auf eine Stufe gestellt werden. Russische Soldaten werden ausschließlich als Kriegsverbrecher, Plünderer oder Vergewaltiger präsentiert, russische Journalisten als verschlagene Infokrieger, russische Unternehmer als kriminell, Beamte als korrupt, ja die gesamte Bevölkerung des Landes als mehr oder weniger autoritätshörig, homophob und rückständig.

In die öffentliche Kritik ihrer Heimatländer geraten die westlichen Absender solcher Äußerungen dafür aber kaum. Es scheint eine Art Selbstverständlichkeit in der etablierten politisch-medialen Landschaft zu sein, dass Russland in einer Weise kritisiert und dargestellt werden darf, die im öffentlichen Umgang mit anderen Ländern – auch mit kriegführenden – kaum vorstellbar ist. Die Verantwortlichen greifen dabei auf feststehende Denkschablonen und negative Russlandbilder zurück, die bereits seit Jahrhunderten in westlichen Ländern reproduziert und lediglich begrifflich aktualisiert werden. Diese Russlandbilder sind durch permanente Wiederholung zu einer Grundwahrheit im Westen geronnen, die kaum noch hinterfragt wird.

Das Phänomen wird als „Russophobie“ bezeichnet.

Angst, Abscheu, Hass

Der englische Ausdruck „Russophobia“ wurde Anfang des 19. Jahrhunderts in Großbritannien geprägt, als dortige Politiker und Leitmedien – nach dem Ende Napoleons – Russland als neuen, gefährlichen Gegenspieler des Empire im öffentlichen Bewusstsein platzierten. Neu war das Phänomen auch damals nicht, nur fand sich ein prägnanter Begriff dafür. Der Ausdruck Russophobie stellte die Angst ins Zentrum – Angst vor russischer Ausdehnung in die Einflusszonen des damaligen englischen Weltreiches, etwa im Iran oder in Indien. Die „Russian Scare“ nahm derartige Ausmaße an, dass sogar der weit abgelegene Inselstaat Neuseeland in den 1880er Jahren eine Reihe von Küstenfestungen baute, um einen vermeintlichen russischen Angriff abzuwehren.

Das Phänomen Russophobie umfasst jedoch nicht nur Angst, sondern steht insgesamt für eine vorurteilsbehaftete, misstrauische und feindselige Haltung gegenüber Russland. Im deutschen Sprachgebrauch ist denn auch manchmal von Russlandhass oder Russenfeindlichkeit die Rede. Der Begriff bezeichne „eine ablehnende Haltung gegenüber Russland, den Russen oder der russischen Kultur“, so die dezente Definition in der deutschen Wikipedia. Während keine Variante des Begriffs im Duden auftaucht, heißt es im Collins English Dictionary deutlich: Russophobie sei „ein intensiver und oft irrationaler Hass auf Russland“.

Der Historiker Oleg Nemenski kritisiert solche Definitionen als trivial. Der Forscher von der Russischen Akademie der Wissenschaften hat sich in einem Essay (2013) tiefer gehend mit dem Phänomen befasst. Feindselige Haltungen habe es in der Geschichte überall und gegen zahlreiche Länder und Völker gegeben, schreibt er. Russophobie reiche jedoch viel weiter. Es handle sich um eine nahezu ganzheitliche Ideologie.

„Das heißt ein besonderer Komplex von Ideen und Konzepten, der seine eigene Struktur, sein eigenes Begriffssystem und seine eigene Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte in der westlichen Kultur sowie seine typischen Erscheinungsformen hat. Das nächstliegende Pendant zu einer solchen Ideologie ist der Antisemitismus.“

Diese Parallele sieht auch der Schweizer Journalist und Politiker Guy Mettan, der 2017 ein Buch zum Thema Russophobie veröffentlichte. (1) Er betont darin außerdem den rein westlichen Charakter des Phänomens, das es in anderen Teilen der Welt nicht gebe. Russophobie sei in der westlichen Hemisphäre tief im Unterbewusstsein der Menschen verwurzelt und geradezu ein Teil der hiesigen Identität, die Russland als Gegner brauche, um sich ihrer selbst und ihrer vermeintlichen Überlegenheit zu vergewissern.

Negatives Russlandbild seit Jahrhunderten

Uneinigkeit herrscht darüber, wann diese Haltung historisch entstanden ist. Der Journalist Dominic Basulto, der Russophobie vor allem als mediales Phänomen versteht, schrieb in seinem Buch „Russophobia“ (2015): Die westlichen Narrative über Russland existierten bereits seit mehr als 150 Jahren. Es handele sich um ein „zyklisches Phänomen“, denn Erzählungen von einem guten Russland tauchten immer dann auf, wenn dieses sich in einer Schwächephase befinde, während Geschichten von einem bösen Russland in westlichen Medien dann zum Tragen kämen, wenn das Land sich „durchsetzungsfähig“ zeige. Diese Narrative seien de facto zeitlos und inhaltlich geradezu mythologisch. (2)

Oleg Nemenski geht weiter zurück und argumentiert, die Ideologie der Russophobie sei bereits im späten 16. Jahrhundert entstanden, als neben den heranrückenden Türken auch die Russen zu Feinden des europäischen Christentums erklärt wurden. Russland kämpfte im langen Livländischen Krieg (1558 bis 1583) gegen mehrere europäische Kräfte: Polen, Litauen, Dänemark und Schweden. Der polnische Adel, der territoriale Eroberungsziele in Russland verfolgte, spielte die Hauptrolle bei der ideologischen Rechtfertigung des Krieges im Westen und prägte damit das hiesige Russlandbild.

Der österreichische Historiker Hannes Hofbauer erinnert in seinem Buch „Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung“ daran, dass Polen und Russland auch bereits in den rund hundert Jahren zuvor fünf Kriege um Livland geführt hatten. „Das im Westen des Kontinents verbreitete Bild vom ‚asiatischen, barbarischen Russland‘ ist in dieser Epoche grundgelegt.“ (3) Es sei infolge politischer Interessen entstanden und eine Erfindung polnischer Intellektueller wie des Philosophen Johannes von Glogau, des Bischofs Erasmus Ciolek oder des Krakauer Universitätsrektors Johannes Sacranus gewesen, die ihre anti-russische Kriegspropaganda in Reden und auf Flugschriften in mehreren Sprachen europaweit verbreiteten.

Guy Mettan schließlich geht in seinem Buch sogar bis auf die christliche Kirchenspaltung zwischen der orthodoxen Ostkirche und der katholischen Westkirche (formell 1054) als Ausgangspunkt der anti-russischen Feindseligkeit zurück. Bereits damals sei ein grundsätzlicher Konflikt zwischen Ost und West propagandistisch konstruiert und von katholischer Seite mit negativen Zuschreibungen für die byzantinische Ostkirche und die orthodoxen Gläubigen gearbeitet worden. Die Zuschreibungen ähnelten bereits stark den späteren russophoben Stereotypen von Barbarei, Rückständigkeit und Despotismus.

Feindselige Russlandbilder entstanden also in verschiedenen Teilen des heutigen Westens zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Ursachen. Den Hintergrund bildete immer Machtpolitik, doch die Rechtfertigungen unterschieden sich: In der katholischen Kirche wurde die Russophobie religiös legitimiert, in Polen-Litauen war sie das Ergebnis direkter territorialer Konflikte, im Frankreich der Aufklärung war sie philosophisch motiviert, im England des „Great Game“ imperial, im Deutschland nach 1900 war sie stark rassistisch und in den USA des Kalten Krieges vor allem antikommunistisch begründet. All diese Entwicklungslinien und Quellen der Russophobie blieben über die Zeiträume latent oder ganz offen erhalten, um bis heute im politisch und medial vereinten Westen zu einem übergreifenden, einzigartigen und sehr machtvollen Phänomen zusammenzufließen.

Die Russophobie bedient sich dabei mehrerer wiederkehrender Stereotype, die manche Autoren auch als „Meta-Narrative“ bezeichnen. Ein genauerer Blick auf diese klassischen russlandfeindlichen Behauptungen lohnt sich, denn er legt die tiefen Wurzeln und die Hartnäckigkeit des negativen westlichen Russlandbildes offen.

Landhunger als Selbstzweck

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz der russischen Staatsführung heute unterstellt, sie wolle mit dem Einmarsch in die Ukraine ein Imperium aufbauen, bewegt er sich damit auf sehr alten russophoben Pfaden:

„Polen war nur das Frühstück … wo werden sie zu Abend speisen?“, argwöhnte der britische Politiker und Schriftsteller Edmund Burke bereits im Jahre 1772 zu Russlands Rolle bei der ersten Teilung Polens. (4) „Wenn sich Russland auf dem Bosporus festgesetzt hat, wird es Rom und Marseille gleichermaßen schnell erobern“, orakelte die französische Zeitung Spectateur de Dijon im Jahr 1854 unmittelbar vor dem Krimkrieg. (5) „Die Zukunft gehört Rußland, das wächst und wächst und sich als immer schwererer Alb auf uns legt“, glaubte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg 1914 kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges. Auch die „Domino-Theorie“ des Kalten Krieges gehört in dieses Muster.

Seit Jahrhunderten unterstellen Akteure der westlichen Öffentlichkeit den Anführern Russlands, ihren Herrschaftsbereich permanent auf Kosten der Nachbarstaaten erweitern zu wollen. Obgleich es solche russischen Eroberungen in der Geschichte mehrfach gab, so ignoriert dieses Narrativ jedoch gegenteilige historische Entwicklungen komplett. Der friedliche Abzug der Roten Armee und die Auflösung des Warschauer Vertrages nach 1990 beispielsweise hatten keinen nachhaltigen Einfluss auf das westliche Russlandbild, sondern wurden lediglich als Zeichen momentaner russischer Schwäche begriffen.

Entlarvend sind zudem Vergleiche mit westlichen Ländern: Die USA eigneten sich große Teile ihres Staatsgebiets durch Annexionen an und dehnten ihren Machtbereich danach weiter bis zur heutigen globalen Militärpräsenz aus. Auch die Nato befindet sich seit ihrer Gründung in andauerndem Expansionsmodus und steht heute an der russischen Grenze. Jahrhundertelang hatten zuvor europäische Kolonialmächte nahezu alle Weltregionen erobert, aufgeteilt und sich deren Reichtümer angeeignet. Doch nichts von alldem verwandelte die entsprechenden Staaten im westlichen Selbstverständnis zu „gefräßigen“ und weiterhin „hungrigen“ Imperien.

Das Stereotyp vom ewigen russischen Landhunger hingegen ist eine tragende Säule der Russophobie und geht zum Teil auf ein gefälschtes, aber sehr wirkmächtiges Dokument zurück. Verschiedene polnische, ungarische und ukrainische Autoren hatten im Verlauf des 18. Jahrhunderts ein Testament Peters des Großen erfunden und in Europa verbreitet, erläutert der englische Historiker Orlando Figes. Das Fantasiedokument, das in den 1760er Jahren ins Archiv des französischen Außenministeriums gelangte, sprach von umfassenden russischen Eroberungszielen von Europa über den Nahen Osten bis Hinterindien. Obwohl das vermeintliche Zarentestament frühzeitig als Fälschung erkennbar war, wurde es rund 200 Jahre lang von westlichen Außenpolitikern als Rechtfertigung für Kriege gegen Russland instrumentalisiert. Orlando Figes schreibt (6):

„Das ‚Testament‘ wurde von den Franzosen 1812 – im Jahr ihres Einmarsches in Russland – veröffentlicht, und fortan vervielfältigte und zitierte man es in ganz Europa als schlüssigen Beweis für die expansionistische russische Außenpolitik. Vor jedem Krieg, in den Russland auf dem europäischen Kontinent verwickelt war – 1854, 1878, 1914 und 1941 –, veröffentlichte man es erneut, und während des Kalten Krieges diente es dazu, die aggressiven Absichten der Sowjetunion zu erläutern.“

Auch heutige Unterstellungen, Russland würde nach einem Sieg in der Ukraine mit anderen osteuropäischen Staaten „weitermachen“, agierten im Geiste des gefälschten Testaments, kritisierte der russische Außenminister Sergej Lawrow im Jahr 2022. Dass das Pamphlet eine Fälschung ist, war für russophobe Akteure seit jeher irrelevant, denn es passte ideal in das stereotype Bild: „Weil doch die Fälschung Russlands Politik besser charakterisiert als manche historische beglaubigte Wahrheit“, hieß es 1916 in der deutschen Kriegspropaganda zu dem Dokument. Adolf Hitler äußerte sich 1941 sehr ähnlich – und das, obwohl es in beiden Weltkriegen die deutsche Armee war, die in Russland stand und große Gebiete annektierte.

Das Stereotyp zeigt vor allem die Projektionen westlicher Machtpolitiker, die ihre eigene Denk- und Handlungsweise der russischen Führung unterstellen. Die bis heute herrschende westliche Weigerung, andere Gründe für russische Waffengänge zu akzeptieren als simple Eroberungslust und primitiven Landhunger, ist zudem ein zentraler Grund für die intellektuell äußerst beschränkten Konfliktanalysen, die im Westen in Bezug auf den aktuellen Krieg vorherrschend sind. Politiker und Publizisten, die sich nicht vorstellen können, dass der russische Einmarsch in der Ukraine der Verhinderung einer existenziellen Nato-Bedrohung des russischen Kernlandes dient – sondern der „Wiedererrichtung der Sowjetunion“ –, verhindern jede konstruktive Problemlösung und fördern stattdessen hochgefährliche politisch-militärische Entscheidungen.

Ein Land voller Barbaren

Eine andere jahrhundertealte Konstante der Russophobie ist die Überzeugung, Russland sei rückständig und im Kern sogar wild und unzivilisiert bis zur Barbarei. Das Stereotyp wird auf den materiell-technologischen Entwicklungsstand Russlands genauso angewendet wie auf die geistig-kulturelle Verfasstheit der Bevölkerung. Regelmäßige Begleiterscheinung dieser Behauptung ist ein offensichtliches westliches Überlegenheitsgefühl und der Glaube daran, Russland müsse erst einmal das nachholen, was der Westen schon lange erreicht habe.

Die Überzeugung wird in ganz verschiedenen öffentlichen Diskursen sichtbar, egal ob es um russische Gesellschaftspolitik geht, um Wirtschaft und Technik oder um den aktuellen Krieg. Beschränkt man den Blick nur auf letzteres Thema, finden sich bereits zahlreiche Anklänge an dieses stereotype Russlandbild: Hiesige Politiker und Publizisten warfen Wladimir Putin vor, im Ukraine-Konflikt wie ein „Machthaber des 19. Jahrhunderts“ zu agieren. Regelmäßig ist zu lesen, die russische Armee habe nur noch „Uralt-Waffen“ und die Rüstungsindustrie werde ohne den Import fortschrittlicher westlicher Technologie bald zusammenbrechen. Russland führe auch diesen Krieg traditionell mit Masse statt Klasse, agiere mit „veralteten Doktrinen“. Ja, die russische Armee sei – im Gegensatz zur Nato – derart unprofessionell und barbarisch, dass sie außer Kriegsverbrechen nichts auf die Reihe kriege.

Das Stereotyp der russischen Rückständigkeit ist sehr alt und konnte sich historisch nur festsetzen, weil gegensätzliche Fakten im Westen beständig ignoriert wurden. „Russland ist wie eine andere Welt“, schrieb der Bischof Matvey von Krakau schon Mitte des 12. Jahrhunderts in einem Brief an den französischen Kreuzzugprediger Bernhard von Clairvaux. Doch so richtig Fahrt nahm das Stereotyp erst im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit auf, als Europa begann, eine Identität als gesonderter Kulturkreis auszubilden, was im Wesentlichen durch die Abgrenzung von anderen Kulturräumen geschah, erläutert der Historiker Christophe von Werdt.

„Russland spielte in diesem Wechselspiel von europäischer Identitätsbildung und Wahrnehmung des Fremden eine besonders wichtige Rolle. Denn in seinem Fall wurde Europa mit einem ‚fremden‘ christlichen Land konfrontiert, das es nicht kolonisieren und das es sich nicht kulturell angleichen konnte.“

Im 16. und 17. Jahrhundert kamen zunehmend Westeuropäer als Diplomaten, Söldner oder Kaufleute nach Russland und berichteten auch schriftlich über ihre Eindrücke aus dem unbekannten Land. Der Osteuropahistoriker Manfred Hildermeier schreibt, die kulturelle Distanz, die in den Aufzeichnungen zu Tage tritt, verband sich „mehr und mehr mit einem Überlegenheitsgefühl“. Deutsche Reisende berichteten beispielsweise erstaunt, dass die Russen nackt vor aller Augen im Fluss badeten. Männer und Frauen gingen nicht nach Geschlechtern getrennt, sondern zusammen in die fast überall befindlichen Saunen. Auch das öffentliche Schnäuzen, Spucken, Rülpsen oder Fluchen empörte damalige westliche Besucher.

„Was die Reisenden an Russland verurteilten, war nicht zuletzt die Vergangenheit ihrer eigenen Kultur. Dies mag auch die Überlegenheit erklären, die sie sich selber anmaßten, und verständlich machen, warum sie übersahen, was nicht in ihr Bild passte – etwa die häufigen Saunagänge der Russen (in einer Zeit, in der an europäischen Adelshöfen Parfum das Waschen ersetzte, die Verpönung der Darstellung von Nacktheit (…) oder der Umstand, dass kein Russe mit dem Schwert herumfuchtelte (schon weil er keines trug) und bei allem lauten Zank kein Blut floss. Die Reisenden erlagen keinem Missverständnis, sondern waren partiell blind.“ (7)

Der Schweizer Autor Guy Mettan zeigt die Selektivität im westlichen Urteil noch pointierter auf. Er vergleicht den populären Reisebericht des französischen Astronomen Jean Chappe d’Auteroche von 1761 mit dem zeitgleich entstandenen Bericht eines japanischen Bootskapitäns namens Kodayu, der zur selben Zeit dieselbe Strecke durch Sibirien bereiste wie der Franzose. „Jedoch scheinen sie zwei unterschiedliche Planeten zu beschreiben“, notiert Mettan (8), denn die Ausführungen der Reiseberichte könnten unterschiedlicher nicht sein.

Während d’Auteroche in Russland überall Rückständigkeit und Barbarei erkennt, beschreibt Kodayu nüchtern Alltag, Lebensumstände und gesellschaftlich-politische Verhältnisse. Beide Bücher nebeneinander zu lesen sei faszinierend, denn dies decke schmerzlich den Gegensatz auf zwischen der Unvoreingenommenheit des Reisenden aus Fernost und dem Drang des Westlers, von oben herab über andere zu urteilen und seinen vermeintlichen zivilisatorischen Vorsprung zu betonen.

Zudem lässt sich argumentieren: Aus Sicht anderer Weltregionen war Russland eben nicht unterentwickelt oder unzivilisiert. „Wer dem Russischen Reich Rückständigkeit attestierte, maß es [ausschließlich] an der westeuropäischen Elle“, erklärt Manfred Hildermeier. (9) Fortschrittlichkeit hätten die Westeuropäer immer nur bei sich selbst verortet. Der Osteuropahistoriker hält das Stereotyp der Rückständigkeit für so zentral, dass er ihm das gesamte Schlusskapitel seiner „Geschichte Russlands“ widmete.

Auch Fraktionen russischer Intellektueller und Teile der Oberschicht trugen zur Verfestigung des Konzepts bei, indem sie es übernahmen und einige Länder des Westens (Niederlande, Frankreich, Italien, Preußen) zu Vorbildern auf bestimmten Wissensgebieten erklärten, denen es nachzueifern gelte. Berühmtestes Beispiel ist sicherlich Peter der Große, der Russland nach seiner Europareise mit zahlreichen Reformen von oben in die europäische Neuzeit „peitschte“.

Rückständigkeit sei jedoch immer relativ, das heißt zeitlich befristet und auf bestimmte Bereiche begrenzt, schreibt Hildermeier. Heißt: Sobald ein Land in einem Sektor aufgeholt hat, kann es auf diesem Gebiet bald sogar führend werden. Die russischen Leistungen in Naturwissenschaften und Kunst des 19. Jahrhunderts oder in der Luft- und Raumfahrt des 20. Jahrhunderts stehen beispielhaft dafür. Russland ging zudem von der simplen Verpflanzung westlicher Innovationen unter Peter dem Großen in folgenden Jahrhunderten dazu über, solche Modelle kreativ und innovativ an die eigenen Gegebenheiten anzupassen – denn dort mussten sie funktionieren.

In Russland herrschen aufgrund seiner geografischen Ausdehnung große Diskrepanzen zwischen den Landesteilen, deshalb könne es auch kaum mit Ländern wie Frankreich, England oder Deutschland verglichen werden und deren vermeintliche Erfolgsmodelle nur begrenzt übernehmen. Worauf richtet man den Blick? Auf Provinzdorf oder Metropole? St. Petersburg und Moskau wurden am Vorabend des Ersten Weltkrieges in einem Atemzug mit Berlin, Paris und London genannt, argumentiert Hildermeier. Und auf welchen Teilbereich blickt man? Nach den Justizreformen Alexanders II. genossen russische Richter „eine Unabhängigkeit, die in Europa ihresgleichen suchte“. (10)

Doch mit solchen Differenzierungen gaben sich westliche Politiker und Publizisten seit Jahrhunderten nur selten ab. Nicht Puschkin, Gogol, Tolstoi oder Tschaikowski standen für russische Kultur, sondern oft eher Flöhe und Läuse. Das frühe Stereotyp von Rückständigkeit und Barbarei der Russen, das westeuropäische Besucher einst schufen, blieb über die Jahrhunderte hartnäckig erhalten. Zwar wurde es begrifflich hie und da aktualisiert, doch im Kern klingen die herrschenden, abwertenden Urteile bis heute gleich:

Adam Olearius, deutscher Russlandbesucher (1656):

„Wenn man die Russen nach ihren Gemüthern / Sitten und Leben betrachtet / seynd sie billich unter die Barbaren zu rechnen (…) Seynd arglistig / hartnackicht / unbendig / widerwertig / verkehret / unverschembt zu allem bösen geneiget.“

Charles Maurice de Talleyrand, französischer Außenminister (1796 bis 1807):

„Das gesamte System [des russischen Reiches] (…) ist darauf angelegt, Europa durch eine Flut von Barbaren zu überschwemmen.“ (11)

George S. Patton, US-amerikanischer General (1945):

„Zusätzlich zu seinen anderen asiatischen Eigenschaften hat der Russe keine Achtung vor dem menschlichen Leben und ist ein absoluter Hurensohn, Barbar und chronischer Säufer.“

Die deutsche Tageszeitung BZ (2022):

„Sie plündern, vergewaltigen und foltern: So schuf Putin seine Barbaren-Armee“

Selbstverständlich hat es Gräuelpropaganda und die Abwertung des Gegners in Kriegszeiten immer gegeben, aber gegenüber Russland herrscht diese herabwürdigende Sichtweise im Westen quasi permanent. Keines der Zitate stammt von Menschen, die sich im Krieg mit Russland befanden. Das Stereotyp vom barbarischen, unzivilisierten Russland scheint unerschütterlich.

"Barbarei und Cholera erobern Europa", Lithographie von Auguste Raffet zur russischen Niederschlagung des polnischen Novemberaufstands 1831 | Quelle

Da diese Denkschablone im Westen zu einer Art unhinterfragter Wahrheit geworden ist, kommt es irgendwann zwingend zu Ereignissen wie dem „Sputnik-Schock“ (1957) – als die vermeintlich rückständige Sowjetunion überraschend den ersten Satelliten ins All schickte. Der französische Filmmacher Claude Lanzmann berichtet in seiner Autobiographie darüber, wie er 1961 bei einem Essen der High Society durch den Gastgeber davon erfuhr, dass gerade ein Russe als erster Mensch in den Weltraum geflogen sei. Lanzmanns Platznachbar, der spätere Premierminister und Präsident Georges Pompidou, konnte das überhaupt nicht glauben und entgegnete nur: „Das ist Propaganda!“ (12)

Die ewige russische Lüge

Die Verschlagenheit und Hinterhältigkeit der Russen ist ein weiteres immer wiederkehrendes Paradigma der Russophobie. Schon im 16. und 17. Jahrhundert identifizierten westliche Russlandbesucher Hinterlist und Verlogenheit als typische russische Charaktermerkmale – wohlgemerkt: nicht als Eigenschaften einzelner, sondern aller Russen. Laut russophober Logik müsse sich dieses allgemeine Charaktermerkmal dann auch in der russischen Politik widerspiegeln.

Dementsprechend sind zahlreiche Behauptungen, Russland agiere außenpolitisch immer mit Betrug und Lügen, für die folgenden Jahrhunderte dokumentiert. „Russlands Diplomatie ist, wie Sie wissen, eine lange und mannigfaltige Lüge“, behauptete etwa der britische Staatsmann George Curzon im Jahre 1903. (13) Behauptungen dieser Art reichen bis zu heutigen Vorwürfen, Russland setze permanent Propaganda ein und manipuliere westliche Wahlen.

„In Zeiten des Friedens strebt Russland danach, nicht nur seine Nachbarn, sondern sämtliche Länder der Welt in einen Zustand der Verwirrung aus Misstrauen, Aufruhr und Zwietracht zu zwingen. (…) Russland bewegt sich nicht direkt auf sein Ziel zu (…), sondern es untergräbt die Grundlagen auf hinterhältigste Art.“ (14)

Diese Aussage über eine Art hybride russische Kriegführung klingt für die Ohren heutiger Mediennutzer durchaus vertraut, doch sie ist schon mehr als 200 Jahre alt und stammt vom französischen Diplomaten Alexandre d’Hauterive aus der Zeit Napoleon Bonapartes. Über die englischen Medien in der Zeit des Great Game schreibt der Historiker Orlando Figes:

„Das Klischee Russlands, das aus diesen überspannten Schriften hervorging, war das einer brutalen Macht, die von Natur aus aggressiv und expansionistisch, doch auch hinreichend verschlagen und betrügerisch war, um sich mit ‚unsichtbaren Kräften‘ gegen den Westen zu verschwören und andere Gesellschaften zu infiltrieren.“

Modernisiert klingen Behauptungen dieser Art dann ungefähr so wie bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (2017):

„In seinem Krieg gegen den Westen greift Russland auf verschiedene Instrumente zurück. Eine Reihe staatlich kontrollierter Medien (im In- und Ausland) werden zu Propagandazwecken genutzt – mit dem Ziel, das Vertrauen westlicher Gesellschaften in die eigenen Institutionen und politischen Eliten zu untergraben. (…) In der Konfrontation mit dem Westen bedient sich Russland jener Methoden, die in der Vergangenheit vornehmlich gegen ehemalige Sowjetstaaten („Nahes Ausland“) oder nicht-westliche Staaten verwendet wurden. Dies trifft insbesondere auf mit massiver Propaganda kombinierte, aggressive Cyberangriffe zu, die auf Einmischung in interne Angelegenheiten und eine Beeinflussung politischer Prozesse abzielen.“

An dieser Stelle muss nicht über die eklatante Doppelmoral solcher Analysen gesprochen werden, die die zahllosen westlich organisierten Wahleinmischungen, Putsche, Cyberangriffe und sonstigen hybriden Destabilisierungsversuche in Ländern weltweit einfach mal vergessen. Deutlich wird: Trotz ihres unterschiedlichen Alters sind die zitierten russophoben Behauptungen nahezu identisch und austauschbar. Und ähnlich wie beim Stereotyp des russischen Landhungers erhellt auch dieses Klischee vor allem die Projektionen westlicher Politiker und Publizisten. Besonders deutlich wird diese Logik beim Blick auf die Zeitphase 1917 bis 1919.

Nachdem Lenin von den deutschen Machthabern nach Russland eingeschmuggelt worden war und dort den bolschewistischen Umsturz herbeigeführt hatte, wuchs unter den Herrschenden in Deutschland die Angst, solche „russischen Zustände“ auch hierzulande zu erleben, erklärt der Historiker Mark Jones. Deutsche Zeitungen nahezu jeder politischen Couleur erhoben im Januar 1919 den Vorwurf, Russen seien maßgeblich am Aufstand der Spartakisten in Berlin beteiligt und würden zum bewaffneten Kampf gegen Deutschland aufrufen.

„Diese Propaganda wurde weithin geglaubt und führte zu einer Zunahme der Ausländerfeindlichkeit bereits in der Gründungsphase der Weimarer Republik, die später im Dritten Reich weiter eskalierte. Tatsächlich stimmte nichts davon.“ (15)

Viele Politiker und Publizisten glaubten, jede Menge russisches Geld ströme nach Berlin und helfe, den Aufstand zu finanzieren, erläutert Jones weiter. Die russophobe Stimmungsmache in den Medien hatte blutige Folgen: Bei der Zerschlagung der Münchener Räterepublik im Mai 1919 verübten Regierungstruppen zahlreiche Gräueltaten. Der größte Einzelvorfall dieser Art war die Erschießung 53 russischer Kriegsgefangener am 2. Mai in Gräfelfing – unter dem Vorwurf, die Russen hätten für die Räterepublik gekämpft.

Das Stereotyp russischer Intrigen und Lügen erscheint auf vielen thematischen Ebenen. Die Abwertung jeder russischen Gegenposition als „Propaganda“ und „Lüge“ sei geradezu Kernbestandteil der Russophobie, schreibt Dominic Basulto in seinem Buch. So kann denn auch ein Land, dessen Führung immer lügt, keine staatlichen Medien haben, die legitimerweise die Perspektiven der eigenen Regierung im Ausland verbreiten, so wie dies die Staatsmedien anderer Länder tun. Nein, russische Staatssender müssen in den Augen russophober Menschen zwingend immer „Propagandasender“ sein.

Besonders erklärungsbedürftig beim Stereotyp der russischen Lüge ist die seit Jahrhunderten wiederkehrende Empörung westlicher Beobachter, über das europäische Äußere der Russen. Die Russen lügen quasi schon mit Kleidung und Aussehen. Der französische Schriftsteller Astolphe Marquis de Custine schrieb im Jahr 1839:

„Ich mache den Russen keinen Vorwurf daraus, dass sie sind, was sie sind; was ich ihnen vorwerfe, ist, dass sie vortäuschen zu sein, was wir sind. Sie sind noch immer unkultiviert (...) und sie folgen dabei dem Beispiel der Affen und entstellen das, was sie kopieren.“

Dass die Russen die französische Kultur „nachäffen“, schrieben auch französische Zeitungen im Vorfeld des Krimkriegs. Hier kollidieren die russophoben Klischees. Versuchen die Russen also ihre vermeintliche Rückständigkeit durch Orientierung am Westen zu beheben, dann ist es auch wieder falsch. Im Innern blieben sie eben doch halbwilde Barbaren.

Russen seien „Menschen mit europäischen Körpern und mongolischen Seelen“, schrieb der US-Journalist Ambrose Bierce 1911 in seinem „Wörterbuch des Teufels“. (16) Bierce meinte das – wie jeden der rund 1000 Einträge darin – satirisch. Er spiegelte kritisch das Klischeedenken seiner Zeit. 2022 erklärte die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub im ZDF: „Wir dürfen nicht vergessen, dass, auch wenn Russen europäisch aussehen, es keine Europäer sind, jetzt im kulturellen Sinne.“ Sie meinte das nicht satirisch.

Der Despot und sein höriges Volk

Das vermutlich wirkmächtigste Element der Russophobie ist das Stereotyp der russischen Tyrannei. Es besteht aus zwei Teilen, die sich gegenseitig ergänzen: ein dämonischer Anführer und eine Art Sklavenmentalität der russischen Bevölkerung.

Zar Iwan IV. – im Russischen trägt er den Beinamen „der Strenge“, im Westen heißt er hingegen „der Schreckliche“ – sei eine Art Urtypus des grausamen russischen Herrschers, erläutert Oleg Nemenski. Der „schwarze Mythos“ des blutrünstigen Tyrannen, „dessen Brutalität angeblich alle denkbaren Grenzen überschritt“, entstand im 16. Jahrhundert zur Zeit des Livländischen Krieges und nahm den wichtigsten Platz unter den damaligen propagandistischen Russlandstereotypen ein, so der Forscher. Iwan der Schreckliche verband in westlichen Augen „die Symbolisierung des Bösen und der brutalen Macht mit der unterwürfigen Knechtschaft seiner Untertanen.“

Tatsächlich war Iwan IV. ein brutaler Herrscher und offenbar ein sadistischer Charakter, der grausame Folter- und Hinrichtungsmethoden anwenden ließ. Ob er damit allerdings als Machthaber für seine Zeit außergewöhnlich war, ist eher fraglich. Mit dem legendären Ruf Iwans des Schrecklichen wurde im restlichen Europa jedoch ein Image für russische Herrscher generell etabliert, das auch auf die russischen Regenten der folgenden Jahrhunderte grundsätzlich angewendet wurde: grausam, tyrannisch, brutal. Dass bald nach Iwan 31 Jahre lang Zar Alexei I. regierte, der den Beinamen „der Sanftmütigste“ trug, werden hingegen nur wenige je gehört haben.

Hier sollen nun nicht alle Beschimpfungen zitiert werden, die westliche Stimmen für die jeweils amtierenden russischen Anführer gebrauchten. Von der Bezeichnung Zar Peters I. als „größter Barbar der Menschheit“ (Montesquieu) bis zur Titulierung Wladimir Putins als „Killer“ (Joe Biden) wäre diese Jahrhunderte umfassende Liste ziemlich lang.

Zweifellos ist es in Kriegszeiten üblich, den Anführer einer gegnerischen Macht als personifizierten Teufel zu dämonisieren. Es gehört laut Arthur Ponsonby zu den Grundsätzen der Kriegspropaganda, den Hass auf die feindliche Führungspersönlichkeit zu richten. Doch in der russophoben Kultur vieler westlicher Länder gilt diese Logik eben auch in Friedenszeiten. Zwar lassen sich Ausnahmen russischer Anführer finden, die im Westen zeitweise positiv betrachtet wurden, weil sie Außergewöhnliches geleistet hatten – Alexander I. (Sieg über Napoleon) oder Michail Gorbatschow (Deutsche Wiedervereinigung) wären hier zu erwähnen. Doch in der Regel gilt das Gegenteil.

Die Tatsache beispielsweise, dass Wladimir Putin im Jahr 2004 einen Ehrendoktortitel von der Universität Hamburg erhalten sollte, versetzte Teile der Öffentlichkeit schon damals in derartige Entrüstung, dass sowohl die Uni als auch Putin darauf verzichteten. Grund für den Proteststurm sei der „in völkerrechtswidriger Weise geführte Tschetschenienkrieg“, hieß es. 2011 wurde die geplante Verleihung des Quadriga-Preises für Putin (damals Premierminister) ebenfalls wegen allgemeiner Empörung abgesagt. An US-Präsidenten wurden solche Maßstäbe hingegen nicht angelegt: Bill Clinton, der kurz zuvor einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien befohlen hatte, erhielt 1999 den Deutschen Medienpreis, im Jahr 2000 den Karlspreis in Aachen und 2002 den Europäischen Mittelstandspreis.

Der Vergleich dieser beiden Präsidentenämter ist absolut relevant für die Analyse der Russophobie, denn westliche Medien stellen die Anführer Russlands und der USA regelmäßig wie direkte Gegensätze dar, schreibt Dominic Basulto. Der russische Staatsführer spiele dabei immer die Rolle des „dunklen Zwillings“. Hierin kulminiere die seit Jahrhunderten existente Darstellung Russlands als das Andere, das Böse. In westlichen Augen habe es immer diesen Dualismus zwischen uns und denen gegeben, zwischen Freiheit und Tyrannei, Demokratie und Autokratie, Zivilisation und Barbarei, Licht und Dunkelheit. Oftmals geradezu „plump cartoonistisch“ sei die medial-politische Darstellung Russlands als „Reich des Bösen“ (Ronald Reagan).

"The yellow peril", Karikatur von Udo Keppler, 1904 | Quelle

Oleg Nemenski erläutert, dieses „manichäische Weltbild“ sei besonders für die zeitgenössische amerikanische Kultur charakteristisch und impliziere das Vorhandensein des absolut Guten, das von den USA verkörpert wird, und des absolut Bösen. „Die Jahre des Kalten Krieges haben Russland in dieser Position etabliert“ und bis heute habe sich nichts daran geändert. Die USA übernahmen übrigens zahlreiche Aspekte ihrer Russophobie vom britischen Weltreich. Nemenski betont, es sei äußerst bemerkenswert, dass die Antithese „westliche Freiheit“ vs. „russische Sklaverei“ über verschiedene Epochen der Geschichte hinweg immer wieder reproduziert wird, auch wenn sich die konkreten Konzepte hierzu ändern. Keine Rolle spielen dabei die Jahrhunderte westlicher Sklaverei, die in den USA sogar länger dauerte als die Leibeigenschaft im „rückständigen“ Russland.

Die Russen sind laut russophober Darstellung ein Volk, das nicht in der Lage ist, sich selbst zu regieren und deshalb die Sklaverei begehrt. Ein Volk, das durchgängig von Tyrannen und Diktatoren regiert werde, müsse wohl selbst von Natur aus autoritätshörig und unterwürfig sein, so der seit Jahrhunderten beständig rekapitulierte Zirkelschluss.

„Dieses Volk findet mehr Gefallen an der Sklaverei als an der Freiheit“, berichtete der österreichische Gesandte Sigismund von Herberstein 1549 aus Moskau. Die Russen sind ein „Stamm, der in die Sklaverei hineingeboren wurde, an das Joch gewöhnt ist und die Freiheit nicht ertragen kann“, erklärte der Niederländer Edo Neuhusius seinen Lesern 1633. (17) „Der politische Gehorsam ist für die Russen ein Kultus, eine Religion geworden“, bemerkte der bereits erwähnte Astolphe Marquis de Custine 1837. „Russland war für uns der Inbegriff der Unfreiheit und Zwangsherrschaft, eine Gefahr für unsere Zivilisation“, schrieb ARD-Korrespondent Fritz Pleitgen über das Denken deutscher Journalisten in den 1960er Jahren. (18) „‘Sklavenbewusstsein’: Warum sind viele Russen so unterwürfig?“, fragte der Bayrische Rundfunk im Jahr 2022.

So frappierend austauschbar diese Aussagen über die Jahrhunderte hinweg sind, so nützlich ist diese Erkenntnis, um den tiefsitzenden, traditionellen Russlandhass des liberalen Bürgertums westlicher Länder zu verstehen. Denn gerade für diese Gruppierungen, die heute etwa durch die Demokratische Partei der USA oder durch die Grünen in Deutschland repräsentiert werden, war das Stereotyp vom despotischen Russland schon immer extrem wirkmächtig.

Der polnische Aufstand gegen die russische „Tyrannei“ 1830/31 war eine Art Initialzündung und löste große Begeisterung bei den liberalen deutschen Medien und der Studentenbewegung, aber auch in Frankreich und England aus. Die damalige „Polenschwärmerei“ ging in die Geschichtsbücher ein. Zahlreiche „Polenlieder“ entstanden. In einem hieß es:

„Wir sahen die Polen, sie zogen aus, als des Schicksals Würfel gefallen. Sie ließen die Heimat, das Vaterhaus, in der Barbaren Räuberkrallen: Vor des Zaren finsterem Angesicht beugt der freiheitsliebende Pole sich nicht.“ (19)

Der Politiker Friedrich von Blittersdorf erkannte damals eine „fast rätselhafte Verzauberung der Regierungen und eine ebenso unbegreifliche Verblendung vieler Staatsmänner“. Parallelen zur „Solidarität“ mit der Ukraine 2022 sind unverkennbar.

Ebenfalls zur Befreiung Polens liebäugelte die Linke im Paulskirchenparlament 1848 mit einem großen Krieg gegen Russland. (20) Diese damalige deutsche Linke, die sich als patriotisch und liberal verstand, betrachtete das Zarenreich immer als bedrohlichen Hort der Reaktion, erläutert Hannes Hofbauer. Liberale Intellektuelle dichteten den Russen darüber hinausgehend alle erdenklich negativen Eigenschaften an. Im Zuge ihrer Autokratiekritik entwickelten die deutschen Liberalen das Bild eines „verachtenswerten russischen Volkscharakters“, das sich über die Jahrzehnte zum ausgewachsenen Rassismus gegen die Russen entwickelte.

Friedrich Engels, der sich vom radikalen Demokraten zum kommunistischen Theoretiker entwickelte, war einer der politischen Publizisten, die den Deutschen eine zivilisierende und den Russen eine barbarische Rolle in Europa zuschrieben. Das Zarenreich sei durch „seine bloße passive Existenz bereits eine Drohung und Gefahr für uns“, schrieb er 1890. Zudem hemme und störe Russland „durch seine unaufhörliche Einmischung in die Angelegenheiten des Westens unsere normale Entwicklung“. Marx und Engels riefen zum revolutionären Krieg gegen Russland auf. Ihren leidenschaftlichen Kampf gegen die russische Monarchie habe „man nicht zu Unrecht als Russophobie bezeichnet“, schrieb der Soziologe Maximilien Rubel. (21)

So hielten russophobe Positionen auch Einzug in die deutsche Sozialdemokratie. Antirussische Affekte waren in der SPD ebenso stark vertreten wie in der liberalen Bewegung Großbritanniens, erklärt der Historiker Christopher Clark in Bezug auf die Phase vor dem Ersten Weltkrieg. (22) Der SPD-Vorsitzende August Bebel, der ebenfalls der liberal-demokratischen Bewegung entstammte, sagte (23) in einer Rede 1907:

„Wenn es zu einem Krieg mit Rußland käme, das ich als Feind aller Kultur und aller Unterdrückten nicht nur im eigenen Lande, sondern auch als den allergefährlichsten Feind von Europa und speziell für uns Deutsche ansehe, (…) dann sei ich alter Knabe noch bereit, die Flinte auf den Buckel zu nehmen und in den Krieg gegen Rußland zu ziehen.“

Heutige deutsche Bundestagsabgeordnete sind dazu wohl nicht mehr bereit, doch ihre Aussagen über Russland klingen ansonsten sehr ähnlich.

Schluss: Der rhetorische Pfad in den Krieg

Russophobie ist ein System von Ansichten, das sich vor Jahrhunderten herausgebildet hat, aber in fast unveränderter Form bis heute in westlichen Ländern existiert, schrieb Oleg Nemenski vor zehn Jahren. Das Phänomen trete im Westen als eine Art „umgekehrte politische Korrektheit“ auf. Seit 2013 hat sich die Russophobie nochmal erheblich verschärft. Derzeit haben wir es mit einem Höhepunkt russlandfeindlicher Äußerungen zu tun, was wiederholt im Vorfeld von Kriegen festzustellen war. Das Level an Russophobie kann für aufmerksame Beobachter des Zeitgeschehens demnach als Indikator dienen. Besonders gefährlich scheint es, wenn Politiker und Publizisten russophobe Stereotype nicht nur politisch instrumentalisieren, sondern tatsächlich an diese glauben.

Ebenfalls historisch festzustellen ist aber auch, dass Russophobie irgendwann wieder abebbt. Das kann auch ohne Krieg geschehen, wie es das Ende der Blockkonfrontation ab 1990 aufzeigte. Allerdings verschwindet das Phänomen nicht, sondern wird auch danach latent erhalten bleiben, solange westliche Gesellschaften das Problem nicht grundsätzlich angehen. Dafür gäbe es sogar historische Vorbilder. Die Parallelen von Russophobie und Antisemitismus sind allerdings ein Thema für sich. Auf entsprechend angelegte Lösungsvorschläge, wie etwa Nemenski sie gemacht hat (UN-Resolution gegen Russophobie, Einrichtung einer Anti-Diffamierungsliga und spezialisierter Institute, die Fälle von Russophobie untersuchen und öffentlich anprangern), soll hier deshalb nicht eingegangen werden. Nur so viel: Solche Vorschläge scheinen aktuell schwer umsetzbar, da diese ausgerechnet von Regierungen und Leitmedien im Westen unterstützt werden müssten, denn dort liegt ja der Kern des Problems.

Der frühere CIA-Beamte Phil Giraldi betonte in einem Interview beispielsweise: Das Biden-Kabinett sei voll von Russophoben, die Russland für alles Mögliche verantwortlich machen. Auch viele Menschen in der CIA seien durch Russophobie motiviert und glaubten an die Stereotypen. In der politisch-medialen Landschaft westlicher Länder ist man in der Regel jedoch nicht mal Willens, das Problem überhaupt zu erkennen. Der Vorwurf der Russophobie sei nur eine Art geschickte Ablenkung von russischen Gräueltaten und solle lediglich Kremlkritiker diskreditieren, heißt es – hier idealtypisch in der Neuen Zürcher Zeitung.

Klar wird bei alldem: Das Phänomen Russophobie hat kaum etwas mit Russland und den Russen selbst zu tun – dafür aber viel mit den westlichen Gesellschaften. Es ist ein permanentes Überlegenheitsdenken, eine vorsätzliche Doppelmoral. Ja, Russland führt Kriege; russische Politiker und Journalisten haben durchaus schon gelogen und russische Soldaten haben manches Verbrechen begangen. All diese Aspekte gelten mindestens ebenso für Akteure westlicher Länder. Doch während man hier die eigenen Kriege schönredet, eigene Lügen vergisst und eigene Verbrechen zu Einzelfällen umdeutet, erklärt man solche Taten in Bezug auf Russland zur immer und überall gültigen Norm.

Russophobie ist im Kern ein rassistisches Phänomen, vermerkt Guy Mettan. Russophobe Menschen weigern sich grundsätzlich, Menschen aus Russland oder den russischen Staat als gleichberechtigt und gleichwertig dem entsprechenden westlichen Gegenüber anzuerkennen. Menschen aus Russland haben eigene Lebenserfahrungen und politische Perspektiven und ihr Staat hat eigene ökonomische und politische Interessen, die nicht besser oder schlechter sind als deren Gegenstück im Westen. Die Interessen und die dazu angewendeten Mittel können legitim oder illegitim sein, legal oder illegal, moralisch oder unmoralisch. Dies gilt es in jedem Fall sachlich zu prüfen – aber nicht immer und von vornherein zu verurteilen mithilfe jahrhundertealter, abwertender Stereotype, die zu nichts anderem führen als zu Hass und Krieg.

Victor Klemperer schrieb (24) unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg:

„Ich will es gerade heute und hier besonders dick unterstreichen. Denn es tut uns so bitter not, den wahren Geist der Völker kennenzulernen, von denen wir so lange abgeschlossen waren, über die wir so lange belogen worden sind. Und über keines sind wir mehr belogen worden als über das russische.“

Weitere Artikel zum Thema:

Anmerkungen

(1) Guy Mettan: Creating Russophobia, Boston, 2017. Auf Seite 21 heißt es (übersetzt): Wie der Antisemitismus sei die Russophobie „kein vorübergehendes Phänomen, das mit bestimmten historischen Ereignissen verbunden ist; sie existiert zuerst im Kopf desjenigen, der sie sucht, und nicht im angeblichen Verhalten oder den Eigenschaften des Opfers. Wie der Antisemitismus so ist auch die Russophobie eine Methode, bestimmte Pseudotatsachen in wesensmäßige, eindimensionale Werte zu verwandeln, im Falle Russlands in Barbarei, Despotismus und Expansionismus, um Stigmatisierung und Ausgrenzung zu rechtfertigen.“

(2) Dominic Basulto: Russophobia. How Western Media Turns Russia Into The Enemy. 2015; Seite 2 f.

(3) Hannes Hofbauer: Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung. Wien, 2016; Seite 13 f.

(4) zitiert nach Adam Zamoyski: 1812. Napoleons Feldzug in Russland. München, 2004; Seite 37

(5) zitiert nach Orlando Figes: Krimkrieg. Der letzte Kreuzzug. Berlin, 2011; Seite 236

(6) zitiert nach Figes; Seite 126

(7) Manfred Hildermeier: Geschichte Russlands. Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution. München, 2013; Seite 380ff.

(8) Guy Mettan: Creating Russophobia, Boston, 2017. Seite 155 ff.

(9) Hildermeier; Seite 1321

(10) Hildermeier; Seite 918

(11) zitiert nach Figes; Seite 125

(12) Claude Lanzmann: Der patagonische Hase. Erinnerungen. Reinbek, 2012; Seite 464

(13) Christopher Clark: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. München, 2015; Seite 190

(14) zitiert nach Figes; Seite 125f.

(15) Mark Jones: Am Anfang war Gewalt. Die deutsche Revolution 1918/19 und der Beginn der Weimarer Republik. Berlin, 2017; Seite 209 f. sowie Seite 178 und 297

(16) zitiert nach Basulto; Seite 16

(17) zitiert nach Nemenski; Fußnote 18

(18) Fritz Pleitgen, Michail Schischkin: Frieden oder Krieg. Russland und der Westen – eine Annäherung. München, 2019; Seite 20

(19) zitiert nach Hofbauer; Seite 33

(20) Sebastian Haffner: Von Bismarck zu Hitler. München, 2001; Seite 11

(21) Über die Behauptung, dass es sich bei der Russlandkritik von Marx und Engels um Russophobie handelte, lässt sich allerdings streiten. Beide kritisierten die zaristische Autokratie scharf, standen aber auch russischen Revolutionären nahe und kommunizierten viel mit diesen. Engels hatte schon als junger Mann Russisch gelernt, Marx versuchte sich die Sprache im hohen Alter noch anzueignen.

(22) Clark; Seite 673

(23) zitiert nach Hofbauer; Seite 37

(24) Victor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen. Ditzingen, 2010; Seite 179

RALLE, 26. April 2023, 15:00 UHR

Das ist interessant. Ich war bis jetzt der Meinung, die Russophobie geht auf die Nazi-Zeit zurück. Damals, als der Rassenwahn gesellschaftsfähig war, von „Herrenrasse“ und „Untermenschen“ gefaselt wurde, da hab ich den Beginn der Russophobie verortet. Nun läuft das schon viel länger so.

Was die Menschen in Westdeutschland betrifft (ich muß hier unterscheiden, obwohl ich von „Ossi“-„Wessi“ eigentlich nichts mehr halte) sehe ich allerdings noch eine weitere und verschärfende Komponente. Die Generation, die nach Ende des 2. WK Kinder waren und die Berlin-Blockade selbst miterlebt haben, sehen in den USA sicherlich die „Rosinenbomber“. Diese (berechtigt positive) Sichtweise ist Ursache für ein „transatlantisches“ Zuneigungsgefühl, das sicherlich nicht nur auf die Kinder in Westberlin beschränkt war und auf die nachfolgende Generation übertragen wurde.

In den späten 40er und frühen 50er Jahren benahmen sich die GI`s in Deutschland sicher nicht wie Besatzer, sondern wie Freunde. Außerdem waren die USA und später die NATO bis zum Ende der Sowjetunion Garant für Frieden und Freiheit in Westdeutschland. Das vergisst man nicht. Seit 100 Jahren versuchen die USA Russland einzudämmen, deutsch-russische Zusammenarbeit zu stören. Dieses Bestreben wurde (völlig normal) von den westdeutschen transatlantisch gestimmten Bürgern übernommen. Es ist bis heute in vielen Köpfen geblieben.

Das die Sowjetarmee nach Ende des 2. WK auch nicht mehr mordend und brandschatzend durch Ostdeutschland fuhr, wurde im Westen nicht wahrgenommen. Im Gegenteil, auch die Russen halfen (natürlich nur in Rahmen ihrer Möglichkeiten – ohne Marshallplan) wo sie konnten. Ich selbst (geboren 1959 in der DDR) habe sie nie als Besatzer empfunden.

Dass es nach 1990 einen Wandel gab, die USA senden keine Rosinenbomber mehr, sondern versuchen der ganzen Welt in imperialem Größenwahn ihren Willen aufzudrücken, Russland von heute ist nicht mehr die Sowjetunion (des aus Georgien stammenden) Stalin, haben viele verdrängt.

Es ist beschämend, welche Gelegenheiten haben wir vertan? Ich denke an den von Putin vorgeschlagenen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok. Welche Möglichkeiten hätten sich für die Ukraine als Bindeglied zwischen Ost und West, als Partner Russlands und der EU ergeben? Alles kaputt, „hätte, hätte Fahrradekette“. Das ukrainische Regime opfert lieber ihre Menschen für den Erhalt der US-Hegemonie. Die EU/NATO Staaten (allen voran Deutschland) fahren ihre Volkswirtschaften mit Vollgas vor die Wand und das nur, um dem Ami zu gefallen. Da wird mit zweierlei Maß gemessen, gelogen und gehetzt, dass sich die Balken biegen. Dann noch unsere Politdarsteller Baerbock, Habeck, Strack-Zimmermann und Konsorten. Einfach nur noch widerlich und zum Fremdschämen. Wird man den Schaden, den die gegenwärtige Bundesregierung anrichtet, in diesem Leben noch reparieren können?

SIGRID PETERSEN, 30. April 2023, 10:40 UHR

Ein wirklich interessanter Artikel. Auch für mich ist der Gedanke nicht gegenwärtig gewesen, dass das Phänomen Russophobie schon so alt ist, sich durch die Jahrhunderte schlängelt und immer wieder, vor allem in/von den intellektuellen Kreisen, gefüttert wird. Und ich finde es erstaunlich, dass gerade die Erfahrung, die ja nun die ganze Welt, insbesondere aber Europa und speziell Deutschland mit der Nazi-Zeit durchlebt haben, so gar keine Früchte getragen hat. Sind wir nicht aufgewachsen mit dem Credo der Völkerverständigung, mit der Idee der Unterschiedlichkeit der Lebensformen der Völker aber der Gleichwertigkeit aller Völker?

Dass dieser Gedanke in den transatlantisch geformten Gehirnen nicht wiederzufinden ist, ist nachvollziehbar, dass aber dem gemeinen Bildungsbürger jegliche vernünftige Gedankenketten immer wieder reißen, ist immer wieder bitter. Nein, es ist entsetzlich! Fazit ist, das Bildungssystem hat auf allen Ebenen versagt. Es hat sich in den letzten 300 Jahren im Bewußtsein wohl nichts geändert.

Kommentieren

Zum Kommentieren bitte anmelden.