Empfehlungen von September 2024
Berliner Zeitung: Wir Wegschauer: Ein Land im Bann der Kollektivscham – Auszug: „Nehmen wir nur ein paar wenige Beispiele: Die Zerstörung von Nordstream war ein Angriff auf deutsche Infrastruktur. Doch anstatt über das Offensichtliche zu sprechen, nämlich dass eine Zerstörung durch die USA selbst sehr wahrscheinlich ist, wird genau das zum Tabuthema. (…) Die entschwärzten RKI-Protokolle offenbaren, dass es kein Team Wissenschaft gab, das evidenzbasiert die Corona-Politik gestaltet hat. Vielmehr gab es ein autoritäres Durchregieren der Politik, von Ausgangssperren bis hin zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, das sich wissenschaftstreu gebärdete, tatsächlich aber die Bevölkerung über die Evidenzgrundlage belog. Das nächste Aufarbeitungs-Tabu wartet. (…) Jetzt wird im Eiltempo die Wehrpflicht wieder eingeführt, gegen Russland mobilisiert und ein Schuldenberg für Militärgerät angehäuft. Deutschland ist unterstützend mit dabei, wo die angeblich ‚Guten‘ Krieg führen, egal ob es dabei (wie bei Israel/Gaza) dann völkerrechtskonform zugeht oder nicht. (…) In einer echten Demokratie würde über diese Themen über Wochen intensiv gestritten, und zwar ergebnisoffen. In einer gelenkten Demokratie wie der unseren wird skandalisiert und angeprangert, wer es wagt, an diesen Tabus zu rütteln. (…) Wie viel Angst muss bei den Beteiligten herrschen, wenn man zu Verboten greifen muss, weil die Argumente zur Widerlegung nicht mehr reichen?“
Nachdenkseiten: Verbreiten die NachDenkSeiten russische Narrative? Der bayerische Verfassungsschutz rudert zurück – Auszug: „Nun ist auch bekannt, welcher Beitrag der NachDenkSeiten den Vorwurf, ‚russische Narrative zu verbreiten‘ ausgelöst hat – ein Gastartikel des oppositionellen linken ukrainischen Politikers Maxim Goldarb. Welch bittere Ironie. Goldarb beklagt in seinen Artikeln rechtsstaatliche Defizite in der Ukraine, wurde daraufhin von den ukrainischen Behörden verfolgt und ist mittlerweile auf der Flucht. (…) Dass ausgerechnet die berechtigte Kritik eines ukrainischen Oppositionspolitikers an Repressionsmaßnahmen der ukrainischen Regierung vom bayerischen Verfassungsschutz als ‚russisches Narrativ‘ bewertet wird, setzt dem Ganzen die Krone auf. (...) Welche freiheitliche demokratische Grundordnung meint der Bayerische Verfassungsschutz eigentlich zu sichern? (…) Durch die Überarbeitung des [Verfassungsschutz-]Berichts ist nun auch ersichtlich, welche Artikel der Berliner Zeitung und des Freitags zur skandallösen Einschätzung (...) führten – ein Bericht über die Profite der amerikanischen Rüstungsindustrie durch die Waffenlieferungen in die Ukraine und ein Artikel über die negativen Auswirkungen von Sanktionen durch die USA und die EU auf Staaten wie Afghanistan, Syrien, Iran oder Jemen. (…) Journalistische Artikel, die Kritik an der Politik des Westens üben, sind für die Verfassungsschützer schon irgendwie problematisch, da sie dann ja doch ‚das russische Narrativ‘ unterstützen. Das ist – mit Verlaub – ein abenteuerliches Verständnis von Journalismus.“
Welt: Ukraine soll alles bekommen, „was sie braucht“, sagt Blinken zu Langstreckenwaffen – Auszug: „Die USA und Großbritannien haben weitere Hilfen für die Ukraine zugesagt und eine schnelle Überprüfung der Forderungen Kiews zu Langstreckenwaffen zugesichert. ‚Wir arbeiten mit Dringlichkeit daran, weiterhin sicherzustellen, dass die Ukraine alles hat, was sie braucht, um sich wirksam zu verteidigen‘, sagte Blinken am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem britischen Kollegen David Lammy und dem ukrainischen Außenminister Andrij Sybiga in Kiew. (...) US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Keir Starmer würden am Freitag über die Forderungen sprechen, sagte Biden in Kiew. Am Dienstag hatte Biden gesagt, seine Regierung denke gerade eine entsprechende Freigabe der von den USA an die Ukraine gelieferten Langstreckenwaffen nach. In Moskau sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch zu einer möglichen Erlaubnis der USA für Angriffe auf russisches Territorium, Russland werde hierauf ‚angemessen‘ reagieren.“
Neulandrebellen: Zu Gast bei den Neulandrebellen: der Bayerische Verfassungsschutz – Auszug: „Die Tatsache, dass es sich um eine Kampagne handelt, ist dabei gar nicht der Punkt. Viel entscheidender ist, dass auch vermeintlich ‚sichere‘ Medien ins Fadenkreuz geraten sind. Der Freitag oder die Berliner Zeitung mögen hier und da kritisch gegenüber der Bundesregierung sein, deren Macher brauchten sich aber bisher sicher nicht vor dem Verfassungsschutz zu fürchten. Die Schlinge zieht sich also langsam zu. Wenn inzwischen sogar die genannten Medien als verfassungsrechtlich bedenklich gelten, sind weitere Dämme der Demokratie gebrochen. Und wer sich jetzt immer noch sicher fühlt, sollte einmal in sich gehen und darüber nachdenken, was genau das eigentlich ist: Sicherheit. Am Ende wird in Deutschland vermutlich eine Medienlandschaft übrig bleiben, die karg und trocken ist, in der brav Nachrichten wiedergekäut werden, die der Regierungslinie entsprechen und die endlich frei ist – frei von störenden Meinungen störender Medien.“
NachDenkSeiten: Wie das russische Establishment das Ende des Krieges wirklich sieht – Auszug: „Ein wichtiger Grund für den Wunsch meiner Gesprächspartner nach einem Kompromiss war jedoch, dass sie der Meinung waren, dass Russland nicht versuchen sollte und wahrscheinlich auch nicht könnte, ukrainische Großstädte wie Charkiw mit Waffengewalt einzunehmen. Sie verwiesen auf die lange Dauer, die hohen Verluste und die enormen Zerstörungen, die die Einnahme selbst kleinerer Städte wie Bachmut angesichts des starken ukrainischen Widerstands mit sich brachte. (…) Hinter dieser Haltung steht die Überzeugung, dass der Aufbau einer russischen Armee, die groß genug wäre, um einen solchen vollständigen Sieg zu erringen, eine massive neue Einberufungs- und Mobilisierungsrunde erfordern würde – was möglicherweise zu der Art von Volkswiderstand führen würde, wie er jetzt in der Ukraine zu beobachten ist. (…) Zum Teil aus demselben Grund wurde die Vorstellung, über die Ukraine hinauszugehen, um einen künftigen Angriff auf die NATO zu starten, von allen mit Spott abgetan.“
Hintergrund: Krise der Linken: Stetiges Versagen in den Konflikten dieser Zeit (Helge Buttkereit) – Auszug: „Migration und Einwanderung sind kein Wert an sich. Wenn sie stetig mit dem Recht auf Asyl vermischt werden, das für politisch Verfolgte gilt, dann wird auch dieses infrage gestellt. Ein großer Teil der Linkspartei wollte von diesem Unterschied nichts wissen. Und viele versperrten sich auch der Einsicht, welche Funktion die Migration für die Kapitalseite hat. (…) Nach der Migrationsfrage kam Corona. Auch hier versagte die politische Linke inklusive der Linkspartei. Die einen, die Gegendemonstranten am Rande der Spaziergänge gegen die Maßnahmen oder die Impfpflicht riefen: ‚Wir impfen euch alle.‘ Die anderen, die Linkspartei in den Parlamenten, machte oft genug mit, wenn es um Grundrechtseinschränkungen ging. Sieben Bundestagsabgeordnete stimmten im April 2022 für die Impfpflicht, darunter die damalige Parteivorsitzende Susanne Henning-Wellsow und ihr Vorgänger Bernd Riexinger. (…) Und dann der Krieg. Eine klare Sache für Die Linke, meint man. Der Pazifismus gehört zu den Grundüberzeugungen der Linkspartei und ist auch im aktuell gültigen Grundsatzprogramm festgeschrieben. Aber auch hier waren andere Stimmen zu hören. Bodo Ramelow, der erste Ministerpräsident aus den Reihen der Linkspartei, sprach sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aus.“
Manova: Der Wucher-Turbo – Auszug: „Ende August sagte Lars von Lackum, der Vorstandsvorsitzende des zweitgrößten deutschen Wohnungsunternehmens LEG in einem Interview: ‚Wir müssen die Mieten weiter erhöhen‘. Als Gründe, warum die im MDAX gelistete LEG Immobilien SE die Mieten 2024 um 3,4 Prozent erhöhen wird, werden alle möglichen Argumente angeführt. Nur eines fehlt: dass LEG 2024 wieder eine Dividende ausgeschüttet hat, und zwar in Höhe von 181 Millionen Euro. (…) LEG hatte 2023 Einnahmen aus Nettokaltmieten in Höhe von 834 Millionen Euro. Setzt man hierzu die Dividenden ins Verhältnis, ergibt sich 21,7 Prozent. (…) Das heißt, die Miethaushalte von LEG könnten 2024 eine Mietsenkung von 21,7 Prozent erhalten, wenn keine Dividenden gezahlt würden; also wenn man keine Dividenden bezahlt, könnten die Mieten um ein Fünftel gesenkt statt um 3,4 Prozent erhöht werden.“
13. September 2024