Permakultur: Mit der Natur arbeiten
SUSANNE WOLF, 22. März 2023, 4 Kommentare, PDFJosef Holzer hat Mühe, die jungen Hunde zu bändigen, die seine Beine umtänzeln. Mit der einen Hand versucht er, sie ins Haus zu locken, in der anderen balanciert er ein riesiges Stück Karfiol (österreichisch für Blumenkohl). Es ist Teil der Gemüseernte am Krameterhof. Im Salzburger Lungau bewirtschaftet Josef Holzer zwischen 1.100 und 1.500 Metern Höhe seinen 45 Hektar großen Grund, der sich über mehrere Terrassen den Berg hinauf erstreckt. Der Land- und Forstwirt hat den Hof 2009 von seinem Vater Sepp übernommen. In der Bergbauernregion im Lungau war Sepp Holzer als der „Narrische mit die Teich“ verschrien, weil er sich die Rechte für die Mühlteiche auf seinem Grund sicherte und Fischteiche daraus machte. Heute betreibt er einen eigenen Hof im Burgenland und gilt als Vorreiter der Permakultur in Österreich.
Sohn Josef nutzt die Teiche weiterhin, und zwar nicht nur für Fisch- und Krebszucht, sondern auch als nährstoffreiches Bewässerungssystem und Hochwasserschutz. Auch Wassernutzpflanzen werden hier angebaut, darunter Heilpflanzen wie der Fieberklee. Die Mehrfachnutzung ist eines der Prinzipien der Permakultur, die einen Gegenpol zur industriellen Landwirtschaft darstellt. „Die Agrarindustrie baut Boden ab, anstatt ihn aufzubauen“, sagt Josef Holzer, während er eine Gruppe Permakultur-Interessierter über die Terrassen seines Hofes führt. „Um preisgünstig produzieren zu können, werden die Ressourcen Boden und Wasser großflächig durch Übernutzung zerstört.“
Die industrielle Landwirtschaft ist zu einer ökologischen Last geworden. Monokulturen und Kunstdünger zerstören Böden und verbrauchen große Mengen an Wasser. Pestizide sind verantwortlich für das Sterben von Bienen und Insekten; in der Massentierhaltung werden die Tiere auf engstem Raum gehalten. Zudem kommt in wachsendem Ausmaß Soja als Tierfutter zum Einsatz, das dort angebaut wird, wo früher Regenwälder standen.
Diese Form der Landwirtschaft, die zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen gehört, wird von der EU gefördert: Große Höfe – und damit die größten Umweltsünder – bekommen das meiste Geld. Im Nachkriegseuropa auf flächendeckende Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit ausgelegt, bedeutet diese Förderstruktur heute: Kleinbauern kämpfen ums Überleben. Laut Statistik gab es 1995 noch rund 240.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Österreich, 2020 waren es nur noch 160.000. Das heißt im Schnitt: neun Betriebe weniger pro Tag. In Deutschland gab es 1995 noch rund 390 000 Bauernhöfe, 2020 nur noch 240 000. Parallel dazu stieg die durchschnittliche Größe der landwirtschaftlichen Fläche während dieser Zeit von 38 auf 69 Hektar pro Betrieb.
In Deutschland beträgt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche rund 10 Prozent, in Österreich sind es 27 Prozent. Das bedeutet: Natürliche Düngung mit Kompost, Tiermist oder Pflanzenresten. Chemisch-synthetische Stickstoffdünger und leichtlösliche Phosphate sind verboten, ebenso der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden. Die Tierhaltung findet auf größeren Stallflächen, mit Einstreu und mehr Auslauf statt.
Kreative Lösungen
Permakultur beruht auf denselben Prinzipien wie die Bio-Landwirtschaft, geht jedoch noch einige Schritte weiter: „In der Permakultur wird etwa auf Hybridpflanzen, wie sie auch im Bio-Anbau üblich sind, verzichtet“, erklärt Marlies Ortner, Gründerin der Permakultur Akademie im Alpenraum (PIA). Hybridpflanzen entstehen durch eine bestimmte Form der Saatgutzüchtung, die auf möglichst gleichförmige Früchte und hohen Ertrag abzielt. Sie können oft nur einmalig genutzt werden, sodass Landwirte jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen. Auch auf gentechnikfreie Pflanzen wird Wert gelegt. „In der EU kann jeder, der Bio-Saatgut anbaut, verlangen, dass das Grundstück und sein Umfeld frei von genetisch manipulierten Pflanzen bleibt“, so Ortner. In der Tierhaltung gibt es ausschließlich Freilandhaltung, oft von robusten alten Rassen wie Mangalitza-Schweinen oder Sulmtaler Hühnern.
Permakultur steht auch für kreative Lösungen: So gibt es auf Josef Holzers Krameterhof „Mini-Schweine“, die für den Schutz der Legehennen zuständig sind, welche leichte Beute für Habicht und Bussard sind. Die Hühner wiederum dürfen vor dem Gemüseanbau und nach dessen Ernte aufs Feld, um Schnecken und andere Schädlinge zu verspeisen – ein natürlicher Ersatz für Pestizide. Dabei handelt es sich um individuelle Lösungen, kein Permakultur-Betrieb ist wie der andere.
Josef Holzer auf dem Krameterhof | Foto: Susanne Wolf
Techniken wie das Mulchen sorgen in der Permakultur zudem für höhere Erträge, wie Josef Holzer anhand seines Kartoffelfeldes erklärt: Der Boden wird mit Stroh oder Blättern bedeckt, die dem Boden Nahrung geben und ihn feucht und kühl halten. „Dadurch wurzeln die Kartoffeln besser und werden größer.“ Holzer zitiert eine Studie, die besagt, dass die Ernte von gemulchtem Boden doppelt so hoch sei. Neben dem Feld wachsen einige Blumen, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken. „Das ist gelber Enzian, den wir so anbauen, wie er auch in der Natur wachsen würde“, erklärt Holzer. „Die Rinder und Pferde fressen ihn nicht, da er ihnen zu bitter ist.“ Der gelbe Enzian, dessen Wirkstoffe die menschliche Verdauung sowie die Wundheilung fördern, wird als Heilpflanze verkauft. Vielfalt ist der Dreh- und Angelpunkt der permakulturellen Bewirtschaftung. „Der begrenzte Raum kann nur über Diversität ausgeglichen werden“, erklärt Holzer ein weiteres Prinzip der Permakultur: die Flächenbegrenzung.
„Im Wortsinn bedeutet Landwirtschaft, eine begrenzte Fläche zu bewirtschaften. Die Agrarindustrie bewirtschaftet das Land nicht, sie verbraucht es“, so Holzer. Als Beispiel nennt der Landwirt ein Stück Land, das Futter für 20 Kühe hergibt. „Damit sollte ich nicht 40 Kühe versorgen müssen. Besser ist es in diesem Fall, nur zwanzig Kühe zu haben, aber dazu noch Bienen, vielleicht einen Fischteich, Obst und eine Pilzzucht.“ All das setzt Josef Holzer auf seinem Hof um, dazu hält er Schafe, Hühner sowie einige Pferde. Aquakultur, Agroforstwirtschaft sowie Gewürz- und Arzneipflanzenkultur ergänzen die enorme Vielfalt auf dem Krameterhof. Anders als viele andere Landwirte ist Josef Holzer nicht von staatlichen Subventionen abhängig.
Ganzheitliches Konzept
Der Begriff Permakultur ist eine Zusammenführung von „permanent“ und „agriculture“. Dabei handelt es sich um ein nachhaltiges Konzept für Landwirtschaft und Gartenbau, das darauf basiert, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe in der Natur zu beobachten und nachzuahmen. Zudem ist Permakultur ein ganzheitliches Konzept, das nicht nur in der Landwirtschaft angewendet wird, sondern auf alle Lebensbereiche übertragen werden kann. Die ethischen Grundsätze lauten: Für Erde und Menschen sorgen, Ressourcen gerecht teilen. „Permakultur ist die harmonische Verbindung der Landschaft mit den Menschen, die auf zukunftsfähige Weise selbst für ihre Nahrung, Energie, Unterkunft und ihre sonstigen materiellen und nicht-materiellen Bedürfnisse sorgen“, schreibt Bill Mollison in seinem „Handbuch der Permakultur-Gestaltung“. Gemeinsam mit David Holmgren sammelte der Australier zum Teil uraltes landwirtschaftliches Wissen und formte daraus das Konzept der Permakultur. Dafür bekamen Mollison und Holmgren 1981 den Alternativen Nobelpreis.
Auch Agroforstwirtschaft ist Teil des Krameterhofs. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Land- und Forstwirtschaft. „Bäume auf unseren Terrassen stabilisieren die Hänge und liefern Futter für unsere Tiere, Früchte sowie Energie in Form von Holz“, erklärt Josef Holzer. Die Terrassen werden landwirtschaftlich genutzt. „In der Agroforstwirtschaft sehen wir eine große Chance für die Landwirtschaft der nächsten Generationen, da sie ein Paradebeispiel für intelligente Mehrfachnutzung nach dem Prinzip der Permakultur ist“, so Holzer. Weitere Vorteile von Agroforst sind eine höhere Bodenfruchtbarkeit, Erosionsschutz sowie bessere Widerstandsfähigkeit gegen Dürren und Unwetter. Zudem speichern Agroforstsysteme CO2 im Boden und halten ihn feucht.
Der deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft verfolgt das Ziel, jegliche Form der agroforstlichen Nutzung als wesentlichen Bestandteil der deutschen Agrarwirtschaft in die landwirtschaftliche Praxis zu integrieren. Laut dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau gilt Agroforst auf europäischer Ebene seit 2005 als förderwürdig (ELER-Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 1698/2005 und 1305/2013), dennoch gibt es bisher keine EU-Subventionen.
Steigendes Interesse, keine staatliche Förderung
„Das Interesse an Permakultur ist stark gestiegen“, sagt Marlies Ortner, die an der Permakultur-Akademie Fortbildungen für Landwirte anbietet, „vor allem bei Bauern, die sich in einer verzweifelten Situation befinden, weil sie mit den Weltmarktpreisen nicht mithalten können.“ Die Direktvermarktung vom Bauern zum Konsumenten würde von der Politik nicht genug unterstützt, kritisiert Ortner und verweist auf das lokale Wirtschaften als Grundidee der Permakultur. „Immer mehr wollen aus dem System aussteigen und verzichten daher auf staatliche Förderungen – da es für Permakulturbauern keine gibt“, so Ortner, die selbst einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb besitzt. Eine Umstellung von konventioneller Landwirtschaft zu Permakultur sei nur schrittweise möglich, ein erster Schritt sei die Umstellung auf Bio-Landwirtschaft. „Für die Bauern bedeutet der Umstieg zuerst einmal finanzielle Einbußen“, erklärt Ortner, „die sich später jedoch durch höhere Erträge bezahlt machen.“ Permakultur sei allerdings viel mehr als die Erträge: „Es ist die Grundlage für eine bessere Lebensqualität nachfolgender Generationen.“
Eine gesonderte Förderung für Permakultur sei in der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) grundsätzlich nicht angeführt, heißt es aus dem österreichischen Landwirtschaftsministerium. „Sofern die Anforderungen der ‚Definition einer landwirtschaftlich genutzten Fläche‘ erfüllt werden, könnten allerdings im Rahmen des Agrarumweltprogramms ÖPUL verschiedene Maßnahmen auch auf Permakulturflächen genutzt werden.“
In Deutschland ist die Situation ähnlich, den Begriff Permakultur findet man in Dokumenten des Landwirtschaftsministeriums so gut wie gar nicht. Eine Ausnahme ist ein Papier des Ministeriums, das die Ergebnisse eines von der Regierung angestoßenen öffentlichen Diskussionsprozesses zu einer langfristigen Ackerbaustrategie dokumentiert. Darin heißt es:
„Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilen die Aussage des Diskussionspapiers, dass die Beratung, der Wissenstransfer, die Forschung und die Ausbildung für Landwirtinnen und Landwirte intensiviert, vernetzt sowie gestärkt werden sollte: 'Forschung, Training, Ausbildung – in all diesen Bereichen sind ökologische Anbauverfahren sowie Permakultur und Agroforstsysteme unterrepräsentiert und unterfinanziert. Daher: Mehr Forschung zur optimalen Unterstützung von Agrarökosystemen, mehr ökologisches Systemdenken in die Ausbildung, bessere unabhängige Beratung in agrarökologischen Techniken für die Betriebsleiter‘.“
Das Landwirtschaftsministerium erklärt dazu auf Nachfrage:
„Permakultursysteme können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein, einen gesetzlichen Standard gibt es dazu nicht. Eine gezielte Förderung dieser Systeme ist deshalb nicht vorgesehen.“
Es sei aber „denkbar, dass Flächen, die in einem Permakultursystem bewirtschaftet werden, die Direktzahlungen der GAP erhalten können“. Auch Förderungen „über die Gemeinschaftsaufgabe 'Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes' (GAK)“ seien vorstellbar, so eine Sprecherin. Und weiter:
„Da das System der Permakultur in der Regel bestimmte Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger nicht einsetzt, wäre es theoretisch denkbar, dass die Umstellung auf Permakultur mit der Umstellungsprämie für Ökolandbau förderbar wäre. Voraussetzung dafür ist aber, den Betrieb insgesamt auf die ökologische Wirtschaftsweise umzustellen.“
Gründe, kleinstrukturierte Landwirtschaft zu fördern, gibt es genug: Laut der NGO Brot für die Welt stammen weltweit rund 70 Prozent aller Lebensmittel von Kleinbauern, in weniger entwickelten Ländern ist der Anteil noch höher. Mit ihrer Arbeit tragen sie zu Biodiversität und Ernährungssicherheit bei – und zum Klimaschutz.
Der deutsche Permakultur-Designer Jonas Gampe ist überzeugt davon, dass der Schlüssel zur Lösung der Klimakrise in der Permakultur liegt. „Dass Permakultur derzeit noch ein Nischen- und Pionierthema ist, liegt vor allem am fehlenden politischen Willen“ kritisiert Gampe. Er fordert die Politik auf, „sinnvoll zu fördern anstatt zu behindern und endlich eine Agrarreform, die regenerative anstatt abbauende Landwirtschaft fördert, anzustoßen.“ Gampe ist davon überzeugt, dass der Klimawandel „innerhalb kürzester Zeit komplett ausgebremst“ werden könnte, wenn die landwirtschaftlichen Strukturen weltweit verändert würden. Eine umfassende Strukturänderung der Landwirtschaft sei in den bisherigen Klimakonferenzen jedoch kein Thema gewesen.
„Der Klimawandel zeigt die Schwachstellen unseres landwirtschaftlichen Systems auf, in dem über Jahrzehnte hinweg Kulturlandschaften degradiert wurden“, ist auch Josef Holzer überzeugt. Wenn Vertreter der Landwirtschaft behaupteten, der Klimawandel sei an allen Problemen schuld, machten sie es sich zu leicht, kritisiert der Landwirt. „Da werden eigene Fehler wie die Zerstörung von Böden geleugnet, die seit Jahrzehnten bekannt waren. Aber man hat halt so weiter gemacht, weil es wirtschaftlich rentabel war.“
Holzer zeigt auf Kuhfladen, deren Urheber sich in den Schatten einiger Bäume geflüchtet haben. Er erklärt, wie der Kuhmist zu wertvollem Humus wird, der für den Erhalt der Böden unabdingbar ist. In den humusreichen Böden wird auf natürliche Weise CO2 gespeichert; gesunde, natürlich bewachsene Böden, die Wasser speichern können, tragen zudem zur Kühlung bei. „Wir arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie“, bringt Holzer es auf den Punkt.
Über die Autorin: Susanne Wolf, Jahrgang 1968, arbeitet seit über 10 Jahren als freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Umwelt, Nachhaltigkeit und Transformation. Sie ist Autorin der Bücher „Nachhaltig Leben“ und „Zukunft wird mit Mut gemacht“.
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