Bild: Multipolar

„Unseriöse Veröffentlichung“

55 Wissenschaftler, darunter 43 Professoren, fordern das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung dazu auf, seine Kritik am Kuhbandner-Papier, das einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den COVID-Impfungen und einem Anstieg der Todesfälle belegt, zurückzuziehen. Die Kritik an dem Papier enthalte „mehrere Fehlinterpretationen und Falschbehauptungen“ und führe die Bevölkerung hinsichtlich möglicher tödlicher Nebenwirkungen in die Irre. Multipolar dokumentiert die Forderung der Wissenschaftler.

REDAKTION, 3. April 2022, 5 Kommentare, PDF

Vorbemerkung der Redaktion: Prof. Christof Kuhbandner hat zu der Kontroverse um sein Papier bereits am 21. Februar auf Multipolar den Beitrag "Der Anstieg der Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen: Ein Sicherheitssignal wird ignoriert" veröffentlicht.

Offener Brief: Aufforderung zum Zurückziehen des Beitrags „Unstatistik des Monats“ vom 31. Januar 2022

In der vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung bzw. vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz veröffentlichten Reihe „Unstatistik des Monats“ erschien am 31. Januar 2022 ein Beitrag mit dem Titel: „Impfquote und Übersterblichkeit, eine ‚Spurious Correlation‘“ (im Folgenden als „Unstatistik-Beitrag“ bezeichnet). Darin wird der in einer Studie des Psychologieprofessors Christof Kuhbandner nachgewiesene zeitliche Zusammenhang zwischen dem Verlauf der COVID-Impfungen und dem Verlauf der Todesfälle als eine Scheinkorrelation – die Autoren sprechen hier von „Spurious Correlation“ bzw. „Nonsense-Korrelation“ – bezeichnet.

Der Unstatistik-Beitrag enthält mehrere Fehlinterpretationen und Falschbehauptungen sowie einen unkritischen und höchst fragwürdigen Verweis auf eine empirische Studie, der ein für die Belange ungeeigneter Datensatz zugrunde liegt. Auf der Basis dieser fehlerhaften und irreführenden Aussagen wird die Öffentlichkeit über ein Sicherheitssignal hinsichtlich möglicher tödlicher Nebenwirkungen eines bevölkerungsweit verabreichten medizinischen Eingriffs – einen Sachverhalt von enormer Bedeutung – fehlinformiert. Zugleich diffamiert der Unstatistik-Beitrag den Autor der Studie, indem er ihm unterstellt, sein wissenschaftliches Handwerk nicht zu beherrschen.

Angesichts dieser Sachlage fordern wir das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung bzw. das Harding-Zentrum für Risikokompetenz dazu auf, diesen Unstatistik-Beitrag zurückzuziehen und eine Klarstellung zu veröffentlichen.

Im Folgenden werden die im Unstatistik-Beitrag enthaltenen fehlerhaften Aussagen genauer ausgeführt.

1. Fehlerhafte Aussage: Beim existierenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Verlauf der COVID-Impfungen und dem Verlauf der Todesfälle handele es sich um eine „Spurious Correlation“ oder „Nonsense Korrelation“.

Im Unstatistik-Beitrag wird die Behauptung aufgestellt, dem existierenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Verlauf der COVID-Impfungen und dem Verlauf der Todesfälle läge kein kausaler Effekt der Impfungen zugrunde, weil es bei Zeitreihen, welche zeitliche Trends enthalten (sogenannte nicht-stationäre Zeitreihen), den Fall geben kann, dass eine hohe positive Korrelation beobachtet wird, obwohl kein kausaler Zusammenhang besteht. Die Autoren bezeichnen solche Korrelationen als „Spurious Correlations“ und „Nonsense-Korrelationen“. Als Beleg dafür wird auf die existierende positive Korrelation zwischen der jährlichen Anzahl von Todesfällen aufgrund des Verhedderns im Bettlaken und dem jährlichen Pro-Kopf-Käsekonsums verwiesen. Konkret schreiben die Autoren:

„Warum der Zusammenhang zwischen Impfquote und Übersterblichkeit nicht kausal ist: Das zentrale Problem dieser Analyse ist in der Statistik seit nahezu 100 Jahren bekannt – das Problem der sogenannten „Spurious Correlations“ oder Nonsens-Korrelationen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass man bei einem Vergleich von zwei sogenannten nicht-stationären Zeitreihen (das sind Zeitreihen mit einem Trend), wie sie auch Kuhbandner vorgenommen hat, hohe Korrelationen erhält, selbst wenn zwischen diesen Zeitreihen kein Zusammenhang existiert. So erhält man beispielsweise in den USA eine nahezu perfekte Korrelation zwischen der Anzahl von Personen die jährlich gestorben sind, weil sie sich in ihrem Bettlaken verheddert haben, und dem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Käsekonsum.“

Die aufgestellten Behauptungen sind aus mehreren Gründen fachlich nicht korrekt. Zum einen basieren sie auf einem logischen Fehlschluss, zum anderen enthalten sie inhaltliche Fehlschlüsse.

Ein grundlegender logischer Fehlschluss: Aus „es existiert“ folgt nicht „für alle gilt“

Der wichtigste Irrtum der Autoren ist, dass sie den Unterschied zwischen den logischen Begriffen „es existiert“ und „für alle gilt“ offensichtlich nicht berücksichtigen, der für jedes wissenschaftliche Denken grundlegend ist: Aus der Tatsache, dass es bei nicht kausal verknüpften nicht-stationären Zeitreihen manchmal positive Korrelationen geben kann, folgt nicht, dass positiv korrelierte nicht-stationäre Zeitreihen generell keine Indizien für kausale Zusammenhänge sein können.

Aus der Perspektive der Pharmakovigilanz ist die Beobachtung einer Korrelation zwischen der Verabreichung eines Medikaments und dem Auftreten einer Krankheit vielmehr als ein wichtiges Sicherheitssignal zu interpretieren, welches einen möglichen Hinweis auf eine bisher unbekannte Nebenwirkung darstellt. Denn wenn ein Medikament als Nebenwirkung kausal eine Krankheit hervorruft, dann steigt mit der zunehmenden Verabreichung des Medikaments die Häufigkeit der Krankheit. Man beobachtet in diesem Fall also zwei nicht-stationäre hoch positiv korrelierte Zeitreihen.

Richtig ist also: Einer beobachteten Korrelation muss nicht notwendigerweise ein kausaler Effekt des Medikaments zugrunde liegen. Aber das kann der Fall sein. Und aus genau diesem Grund muss solchen Sicherheitssignalen mit weitergehenden kausalitätsprüfenden Studien nachgegangen werden, um die Sicherheit von Medikamenten sicherzustellen.

Offensichtlich ist den Autoren des Unstatistik-Beitrags nicht bekannt, dass in der Pharmakovigilanz dieses Vorgehen absolut üblich ist. Die Entdeckung einer bisher unbekannten gefährlichen Nebenwirkung beginnt immer mit der Feststellung eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Anwendung des Medikaments und dem Auftreten eines Effekts. So war es u.a. im Fall von Contergan und auch den Fällen von Narkolepsie nach der Impfung gegen Schweinegrippe. Die Daten der Surveillance-Behörden wie PEI, VAERS u.ä. liefern uns nichts anderes als zeitliche Zusammenhänge; könnte man solche Zusammenhänge immer als Scheinkorrelationen abtun, wie der Unstatistik-Beitrag nahelegt, so wären all diese Institutionen sinnlos und sollten geschlossen werden.

Es lässt sich also zusammenfassend festhalten: Korrelationen beweisen keine Kausalität. Sie sind aber ein wichtiges Indiz dafür, dass weitere Untersuchungen vorgenommen werden müssen, um eine Kausalitätshypothese zu widerlegen oder zu bestätigen. Wer solche Signale nicht zum Anlass für Vorsicht und wissenschaftliche Prüfung nimmt, sondern diese mit fehlerhaften Argumenten vom Tisch wischt, macht sich der Fahrlässigkeit schuldig und verstößt gegen die Ethik und gute Praxis des Faches.

Inhaltlicher Fehlschluss: Beim beobachteten Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen handelt es sich nicht um eine „Nonsense-Korrelation“.

Aus fachlicher Perspektive falsch ist weiterhin die Behauptung, beim beobachteten Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen handle es sich um eine „Nonsense-Korrelation“. Hier ist zunächst eine Begriffsklärung nötig, weil die Autoren des Unstatistik-Beitrags irreführenderweise die Begriffe „Nonsense-Korrelation“ und „Spurious Correlation“ synonym verwenden, obwohl mit diesen Begriffen üblicherweise unterschiedliche korrelationsbezogene Phänomene beschrieben werden (für eine Typologie siehe z.B. hier).

Als „Nonsense-Korrelationen“ werden Korrelationen zwischen Zeitreihen bezeichnet, für welche keinerlei sinnhafte kausale Verknüpfung erkennbar ist. Ein Beispiel ist die im Unstatistik-Beitrag angeführte Korrelation zwischen der Anzahl von Personen, die sich in ihrem Bettlaken verheddert haben, und dem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Käsekonsum. Nach allem, was wir wissen, gibt es keinen naturwissenschaftlich verstehbaren Mechanismus, aufgrund dessen eine dieser Variablen die andere verursachen könnte.

Genau dieses Kernmerkmal ist aber für den Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der Impfungen nicht erfüllt. Es gibt inzwischen zahlreiche Belege aus Obduktionsstudien für konkrete naturwissenschaftlich nachvollziehbare Mechanismen, mittels derer die COVID-Impfungen kausal Todesfälle hervorrufen können (für einen Überblick siehe hier). So zeigen beispielsweise die kürzlich in der peer-reviewten Fachzeitschrift Archives of Pathology & Laboratory Medicine veröffentlichten Obduktionsergebnisse von zwei kurz nach der Impfung an einer Herzmuskelentzündung verstorbenen Jugendlichen, dass die Impfungen bereits im Jugendalter bei Personen ohne Vorerkrankungen zu Todesfällen führen können.

In einem aktuellen Interview fasst der renommierte Heidelberger Pathologe Prof. Peter Schirmacher, Direktor der Universitäts-Pathologie in Heidelberg und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, seine umfangreichen Obduktionsergebnisse folgendermaßen zusammen:

„[In einem damaligen Interview über unser Obduktionsprogramm mit dem SWR] habe ich berichtet, dass wir in einem ganz spezifischen Kollektiv, und zwar Personen die überraschend und in zeitlich engen Zusammenhang mit den Impfungen verstorben sind, in 30 Prozent ursächlich die Impfung als Todesursache gefunden haben. Wir sind die einzigen gewesen, die sich wirklich systematisch um diese besonderen Fälle, also dieses besondere Kollektiv, gekümmert haben, das normal nicht obduziert wird, und das ja auch keine Patienten darstellt, weil die Personen überraschend ohne klinischen Kontakt verstorben sind. Deswegen muss man davon ausgehen, dass in Gesamtdeutschland und auch darüber hinaus die überwiegende Zahl diese Fälle nicht erfasst wird und damit auch eine wichtige Informationslücke besteht. Das war damals richtig, das ist heute richtig und deswegen gibt es daran an dieser Aussage auch nichts zu ändern.“

Die Ergebnisse der Obduktionen von im zeitlichen Zusammenhang mit den COVID-Impfungen verstorbenen Personen belegen also, dass die Impfungen kausal Todesfälle hervorrufen und damit die Zahl an Todesfällen erhöhen können. Angesichts dieser Befunde ist es fachlich inkorrekt, die existierende Korrelation zwischen dem Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der Impfungen als „Nonsense-Korrelation“ zu bezeichnen. Es mutet vor diesem Hintergrund pietätlos und fast zynisch an, wenn die Autoren der Unstatistik-Beitrags den beobachteten Anstieg der Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit den COVID-Impfungen mit dem Anstieg der Todesfälle aufgrund des Verhedderns im Bettlaken im zeitlichen Zusammenhang mit dem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Käsekonsum vergleichen.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum es aus fachlicher Perspektive falsch ist zu behaupten, beim beobachteten Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen handle es sich um eine „Nonsense-Korrelation“. Die im Unstatistik-Beitrag angeführten Nonsense-Korrelationen – wie das Beispiel der Korrelation zwischen der Anzahl von Personen, die sich in ihrem Bettlaken verheddert haben, und dem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Käsekonsum – werden dadurch gefunden, dass Tausende von Zeitreihen mittels Computer durchforstet und die Zeitreihen herausgepickt werden, welche zufälligerweise eine hohe Korrelation aufweisen. So heißt es im Einführungskapitel des Buches zur Internetseite, von welcher die von den Autoren der Unstatistik des Monats als Beispiel benutzte Nonsense-Korrelation stammt:

„Provided enough data, it is possible to find things that correlate even when they shouldn’t. The method is often called ‘data dredging’. Data dredging is a technique used to find something that correlates with one variable by comparing it to hundreds of other variables. Normally scientists first hypothesize about a connection between two variables before they analyze data to determine the extent to which that connection exists. (…) In the following pages you’ll see dozens of correlations between completely unrelated sets of data. Every correlation was discovered by a computer. The correlations were all produced in the same way: One giant database of variables collected from a variety of sources is mined to find unexpected correlations.”

Die methodische Vorgehensweise bei der Analyse des Zusammenhangs der Todesfälle mit den Impfungen ist dagegen fundamental anders. Hier werden nicht blind Tausende von Zeitreihen korreliert. Es gibt immer ein vorab definiertes Zeitfenster – zum Beispiel den Zeitraum der Erstimpfungen – und dort sieht man sich zwei vorab festgelegte Zeitreihen an – zum Beispiel die Erstimpfungen und Todesfälle in Deutschland. Allein dadurch wird das Auftreten von Nonsense-Korrelationen um ein Vielfaches unwahrscheinlicher als bei der blinden Computersuche in einer „Giant Database“.

Sowohl inhaltlich als auch methodisch ist es also fachlich inkorrekt, irreführend und ethisch höchst fragwürdig, das Sicherheitssignal des Anstiegs der Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen dadurch vom Tisch zu wischen, dass dieser Zusammenhang in einen Topf geworfen wird mit „lustigen“ Nonsense-Korrelationen zwischen irgendwelchen sehr speziellen Todesursachen und zufällig damit korrelierten anderen Zeitreihen, die mittels des computergestützten Durchforstens riesiger Datenbanken gefundenen wurden.

Von den „Nonsense-Korrelationen“ abzugrenzen sind Korrelationen zwischen Zeitreihen, die zwar sinnhaft verknüpft sind, nur nicht über einen direkten kausalen Mechanismus, sondern über eine gemeinsame Drittvariable, die beide Zeitreihen kausal beeinflusst. Die Autoren des Unstatistik-Beitrags führen hier beispielsweise an, dass die Zeit selbst eine solche Drittvariable darstellen kann. Das wäre dann der Fall, wenn das Vergehen von Zeit bei zwei ansonsten unverknüpften Zeitreihen kausal einen Effekt in derselben Richtung hervorruft. Ein Beispiel wäre die Korrelation zwischen der Größe eines in einem Garten wachsenden Baumes und der Zunahme der grauen Haare des Gartenbesitzers.

Solche durch Drittvariablen bedingten Korrelationen sind real und treten systematisch auf, sie sind also kein zufälliger „Nonsense“, den man nur mittels des Durchforstens riesiger Datenbanken findet. Aber trotzdem wäre es ein Fehlschluss, in einem solchen Fall auf eine direkte Kausalität zu schließen, bei welcher sich eine Variable bei Veränderung der anderen Variablen zwangsweise mit ändern müsste. Beim Vorliegen eines solchen Fehlschlusses hätte man es also genau genommen nicht mit einer Scheinkorrelation zu tun, denn die Korrelation ist ja echt, sondern mit einer Scheinkausalität.

Ein solcher fehlerhafter Schluss wird in den von den Autoren des Unstatistik-Beitrags kritisierten Analysen von Kuhbandner aber an keiner Stelle gezogen. Vielmehr wird immer wieder betont, dass Korrelation nicht notwendigerweise Kausalität bedeuten muss, und es werden dort verschiedene mögliche Drittvariablen geprüft, welche den Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen indirekt vermitteln könnten. Wie im folgenden Abschnitt beschrieben, wird das von den Autoren des Unstatistik-Beitrags aber verschwiegen.

2. Fehlerhafte Aussage: Bei den Analysen zum zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der Impfungen sei nicht für Drittvariablen kontrolliert worden

Das zentrale Vorgehen beim Versuch, aus beobachteten Korrelationen kausale Schlüsse zu ziehen, besteht darin, den Effekt möglicher Drittvariablen auszuschließen und zu prüfen, ob der Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen verschwindet. Sollte dies der Fall sein, würde das gegen eine direkte Kausalität der Impfungen sprechen. Sollte der Zusammenhang jedoch erhalten bleiben, würde sich die Evidenz für eine direkte Kausalität verdichten.

Im Unstatistik-Beitrag wird nun behauptet, dass in den Analysen von Kuhbandner zum zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der Impfungen nicht für Drittvariablen kontrolliert worden sei. Konkret schreiben die Autoren:

„Eine Möglichkeit, solche Nonsens-Korrelationen aufzudecken, ist die Kontrolle hinsichtlich weiterer möglicher Erklärfaktoren. Statistiker nennen so etwas die „partielle Korrelation“, also den verbleibenden Anteil des beobachteten Zusammenhangs zweier Variablen, wenn man den jeweiligen Zusammenhang mit einer dritten Variable „herausrechnet“. Bei Zeitreihen kann man beispielsweise einfach den Zusammenhang mit der Zeit selbst, eben dem gemeinsamen Trend, berücksichtigen. Man interessiert sich also dafür, ob Abweichungen vom Trend noch parallel verlaufen oder nicht. Tun sie das, wäre zumindest geklärt, dass nicht einfach ein zeitlicher Effekt vorliegt – etwa im Falle der Corona-Impfungen, weil es in manchen Monaten verstärkt zu Infektionen kommt und zum Schutz vor diesen Infektionen auch mehr geimpft wird. Aber eine solche Kontrolle findet in dieser Analyse nicht statt.“

Das ist schlichtweg unzutreffend. Ein Blick in das auf einer wissenschaftlichen Open Access Datenbank publizierte Analyse-Papier zeigt, dass sehr wohl für verschiedene Drittvariablen kontrolliert wurde, welche gemeinsame zeitliche Trends beim Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der Impfungen hervorrufen. Um für zeitliche Trends innerhalb einer Woche zu kontrollieren – am Wochenende wurde weniger geimpft, gleichzeitig gibt es wochenendbedingt weniger Todesmeldungen – wurden gleitende Sieben-Tage-Mittelwerte berechnet. Um für zeitliche saisonale Trends zu kontrollieren, wurde die Übersterblichkeit im Sinne der Zunahme der Todesfälle im Vergleich zum Durchschnitt der fünf Vorjahre berechnet, wodurch saisonale zeitliche Trends im Verlauf der Todesfälle herausgerechnet wurden. Um für COVID-bezogene Drittvariablen-Effekte zu kontrollieren, wurde der Verlauf der Non-COVID-Todesfälle analysiert. Im publizierten Analyse-Papier werden die entsprechenden Analysen sogar explizit damit begründet, dass damit drittvariablenbezogene zeitliche Trends herausgerechnet werden. So lautet die Begründung für die durchgeführte Übersterblichkeitsanalyse beispielsweise (S. 11):

„Die bisherigen Befunde zeigen, dass der Verlauf der Anzahl der Todesfälle im Jahr 2021 einen starken zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlauf der verabreichten COVID-Impfungen aufweist. Allerdings sind in der Verlaufskurve der Todesfälle saisonale Effekte enthalten. In einem nächsten Schritt kann zur Kontrolle solcher Effekte untersucht werden, ob die Zunahme an Todesfällen im Jahr 2021 verglichen mit den Vorjahren (Übersterblichkeit) vergleichbar mit der Anzahl der verabreichten COVID-Impfungen variiert.“

Die Analysen zeigen, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der Impfungen trotz Kontrolle der verschiedenen durch Drittvariablen bedingten zeitlichen Trends nicht verschwindet. Das macht es zunehmend wahrscheinlich, dass der beobachteten Korrelation zwischen den Todesfällen und den Impfungen ein kausaler Effekt der Impfungen zugrunde liegt.

Nicht erwähnt wird im Unstatistik-Beitrag weiterhin, dass über die Kontrolle von Drittvariablen hinaus weitere Analysewege beschritten wurden, welche einen möglichen kausalen Effekt zunehmend wahrscheinlich erscheinen lassen. So wird im Rahmen einer Analyse auf Bundeslandebene gezeigt, dass in fast allen Bundesländern trotz unterschiedlicher Impfverläufe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Erstimpfungen und den Todesfällen besteht. Im Rahmen einer länderübergreifenden Analyse wird gezeigt, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Booster-Impfungen und der Übersterblichkeit über 15 Länder hinweg besteht (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Israel, Norwegen, Österreich, Schweiz, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn).

Dass sich ein Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen nicht nur auf deutschlandweiter Ebene zeigt, sondern auch sowohl auf der Ebene einzelner Bundesländer sowie auf länderübergreifender Ebene trotz zum Teil sehr unterschiedlicher Impfverläufe, kann als weiteres Indiz für einen möglichen kausalen Zusammenhang gewertet werden. Und es macht die Spekulation des Unstatistik-Beitrags, dass die beobachtete Korrelation daher rühren könnte, dass „es in manchen Monaten verstärkt zu Infektionen kommt und zum Schutz vor diesen Infektionen auch mehr geimpft wird“ noch unplausibler, als sie klingt.

3. Fehlerhafte Aussage: Eine auf dem österreichischen Impfregister basierende Studie von Statistik Austria stelle einen Gegenbeweis dar

Im Unstatistik-Beitrag wird als Gegenbeweis eine Einzelstudie von Statistik Austria vorgebracht, in welcher basierend auf dem österreichischen Impfregister die allgemeinen Sterberaten über alle Todesursachen hinweg für Geimpfte und Ungeimpfte geschätzt werden. Die Autoren des Unstatistik-Beitrags ordnen die Qualität dieser Studie folgendermaßen ein:

„Auswertungen von Impfregistern [sind] derzeit die zuverlässigste Informationsquelle die uns vorliegt.“

Aus dieser Studie ziehen die Autoren den Schluss:

„Registerdaten zeigen: Die Corona-Impfung senkt das Sterberisiko“

und betonen, wie sicher man sich bei dieser Aussage sein kann:

„Das Ergebnis ist sehr eindeutig…“

Diese aus der Studie von Statistik Austria gezogenen Schlüsse sind schon allein deswegen problematisch, weil bereits Statistik Austria selbst davor gewarnt hat, solche Schlüsse aus der Studie zu ziehen. In der Studie heißt es konkret:

„Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass mit den vorliegenden Daten keine gesicherten Aussagen über kausale Zusammenhänge getroffen werden können. So erklären sich die dargestellten Unterschiede zumindest teilweise dadurch, dass es in der Gruppe der Ungeimpften auch Personen gibt, die aufgrund schwerer Vorerkrankungen nicht gegen COVID-19 geimpft werden können. Darüber hinaus unterscheiden sich Geimpfte und Ungeimpfte in soziodemographischer Hinsicht.“

Die Autoren des Unstatistik-Beitrags kritisieren also an den Analysen von Kuhbandner, in diesen sei nicht für Drittvariablen kontrolliert worden (was gar nicht zutrifft), führen dann aber als Beleg für die positive Wirkung der Impfung eine Studie an, deren Verfasser selbst davor warnen, dass mit den zugrundeliegenden Daten aufgrund der Wirkung möglicher Drittvariablen keine gesicherten Aussagen über kausale Zusammenhänge getroffen werden können. Hier wird ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen.

Wie unzuverlässig die Schätzungen in der österreichischen Studie die Effekte der Impfungen abbilden, zeigt ein Blick auf die unrealistisch großen Unterschiede in den geschätzten allgemeinen Sterberaten für Ungeimpfte versus Geimpfte. So ist laut den Schätzungen beispielsweise in der Gruppe der über 80-Jährigen die Sterberate der Ungeimpften um das 2,3-fache höher als die Sterberate der Geimpften, in der Gruppe der 60-79-Jährigen ist die Sterberate der Ungeimpften um das 2-fache höher als die Sterberate der Geimpften.

Man kann sich die Unzuverlässigkeit der geschätzten angeblichen Sterblichkeitsunterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften anhand einer einfachen Rechnung klarmachen. Die Studie basiert auf den Sterbefallzahlen in Österreich binnen der vier Monate von September bis Dezember 2021. Man kann sich nun – ausgehend von der Annahme, die Schätzwerte würden die Effekte der Impfungen valide abbilden – folgende Fragen stellen:

Was wäre laut den Schätzungen eigentlich passiert, wenn in Österreich niemand geimpft gewesen wäre? Dann wären laut den für die verschiedenen Altersgruppen geschätzten Sterberaten bei Ungeimpften in diesen vier Monaten insgesamt 56.375 Menschen verstorben.

Was wäre laut den Schätzungen passiert, wenn in Österreich alle geimpft gewesen wären? Dann wären laut den für die verschiedenen Altersgruppen geschätzten Sterberaten bei Geimpften in diesen vier Monaten insgesamt 26.227 Menschen verstorben.

Laut den Schätzwerten dieser Studie wären also im Zeitraum von September bis Dezember 2021 in Österreich im Falle einer vollständig geimpften Bevölkerung insgesamt über alle Todesursachen hinweg nur 26.227 Menschen verstorben. Falls niemand geimpft gewesen wäre, wäre laut den Schätzwerten die Anzahl der Todesfälle um 30.148 Todesfälle auf 56.375 Todesfälle angestiegen. Da die Impfungen nur COVID-bedingte Todesfälle verhindern können, müsste es sich bei den zusätzlichen 30.148 Todesfällen um COVID-19-bedingte Todesfälle handeln. Demnach wären also ohne Impfungen mehr Menschen ursächlich an COVID-19 verstorben als an allen anderen Todesursachen zusammen.

Das ist geradezu absurd: Ein kurzer Blick in die österreichische Statistik der Corona-Zahlen offenbart, dass seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren im März 2020 bis Ende Dezember 2021 in Österreich insgesamt überhaupt nur 13.733 „COVID-19“-Todesfälle gemeldet wurden, von denen zudem ein Teil gar nicht ursächlich an COVID-19 sondern nur mit einem positiven SARS-CoV-2-Testergebnis verstorben ist. Insgesamt sind in diesem Zeitraum in Österreich 182.033 Menschen verstorben, in Wirklichkeit sind also in etwa über 12-mal mehr Menschen an anderen Todesursachen verstorben als an oder mit einer SARS-CoV-2-Infektion.

Bei den Schätzungen, die im Unstatistik-Beitrag als „sehr eindeutig[es]“ Ergebnis basierend auf der „derzeit zuverlässigste[n] Informationsquelle“ angesehen werden, handelt es sich in Wirklichkeit also um absolut unzuverlässige Schätzungen, was eigentlich bereits ohne größere Statistikkenntnisse relativ leicht erkennbar ist.

4. Aufforderung zum Zurückziehen des Unstatistik-Beitrags

Der Unstatistik-Beitrag enthält wie dargelegt mehrere Fehlinterpretationen und Falschbehauptungen. Die als Tatsache dargestellte Behauptung, beim existierenden Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Todesfälle und dem Verlauf der COVID-Impfungen handle es sich um eine Scheinkorrelation, ist erstens logisch inkorrekt (sie verwechselt „A ist nicht unbedingt B“ mit „A ist unbedingt nicht-B“), zweitens inhaltlich inkorrekt (die beobachtete Korrelation zwischen den Todesfällen und den Impfungen wird fälschlicherweise gleichgesetzt mit sinnfreien „lustigen“ Nonsense-Korrelationen) und drittens fachlich falsch (sie bezeugt die Unkenntnis der Autoren bezüglich der üblichen Prozeduren der Pharmakovigilanz). Schließlich basiert der Beitrag auf der offensichtlich fehlerhaften Interpretation einer empirischen Einzelstudie zu einem für die Belange ungeeigneten Datensatz – einer Interpretation obendrein, vor der die Autoren dieser fehlinterpretierten Studie explizit warnen.

Wir, die Unterzeichnenden, sind irritiert, dass die renommierte Reihe „Unstatistik des Monats“ einen derart schlecht recherchierten und fachlich fragwürdigen Text publiziert, welcher darüber hinaus auf eklatante Weise die Öffentlichkeit über ein existierendes Sicherheitssignal hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen der COVID-Impfungen fehlinformiert. Deshalb fordern wir hiermit das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung bzw. das Harding-Zentrum für Risikokompetenz dazu auf, diesen Beitrag umgehend zurückzuziehen und eine Klarstellung zu veröffentlichen. Derart unseriöse Veröffentlichungen behindern die gute wissenschaftliche Praxis bei der Entwicklung sicherer Medikamente, was, wie die Geschichte der Pharmakovigilanz zeigt, Gesundheit und Leben zahlreicher Menschen gefährden sowie zu wachsender Impfskepsis in der Bevölkerung beitragen kann.

Unterzeichnende

Prof. Dr. Jessica Agarwal
Prof. Kerstin Behnke
Prof. Dr. Andreas Brenner
Prof. Dr. Klaus Buchenau
Prof. Dr. med. Paul Cullen
Prof. Dr. Viktoria Däschlein-Gessner
Associate Prof. Dr. Jan Dochhorn
Prof. Dr. Ole Döring
Prof. Dr. Gerald Dyker
Dr. Alexander Erdmann
Prof. Dr. Michael Esfeld
Dr. med. Johann Frahm
Dr. Matthias Fechner
Prof. Dr. Frank Göttmann
Prof. Dr. Lothar Harzheim
Prof. Dr. Saskia Hekker
Prof. Dr. Martina Hentschel
Prof. Dr. Sven Hildebrandt
Prof. Dr. Detlef Hiller
Prof. Dr. Oliver Hirsch
Prof. Dr. Stefan Homburg
Prof. Dr. Georg Hörmann
Dr. Agnes Imhof
Prof. Dr. theol. Martin Kirschner
Prof. Dr. Boris Kotchoubey
Prof. Dr. Klaus Kroy
Prof. Dr. Christof Kuhbandner
PD Dr. Axel Bernd Kunze
Dr. rer. nat. Norbert Lamm
Dr. Christian Lehmann
Prof. Dr. Normann Lorenz
Dr. Christian Mézes
Prof. Dr. Klaus Morawetz
Prof. Dr. Gerd Morgenthaler
Dr. med. Sven Nevermann
Prof. Dr. Gabriele Peters
Prof. Dr. Christian Pietsch
Dr. med. Steffen Rabe
Prof. Dr. Konrad Reif
Prof. Dr. Matthias Reitzner
Prof. Dr. Günter Roth
Prof. Dr. Steffen Roth
Prof. Dr. Andreas Schnepf
Dr. Jens Schwachtje
Prof. em. Dr. med. Wolfram Schüffel
Prof. Dr. Harald Schwaetzer
Prof. Dr. Henrieke Stahl
Prof. Dr. Anke Steppuhn
Prof. Dr. Wolfgang Stölzle
Prof. Dr. Lutz Stührenberg
Prof. Dr. med. Henrik Ullrich
Dr. Christine Wehrstedt
Prof. Dr. Christin Werner
Prof. Dr. Martin Winkler
Prof. Dr. Christina Zenk

Kontaktadresse

NORBERT PIECHOTTA, 3. April 2022, 12:25 UHR

Wie seit 2 Jahren: Pseudo-Wissenschaftler versuchen Denken zu vernebeln, Fakten werden den Corona-Narrativen angepasst, weil die Angst-Strategie via PR-Milliarden der Pharma-Mafia weiter bedient werden muss. Und was ist schon eine Milliarde für das Schmieren und Korrumpieren, wenn man z.B. als Biontech 10 Milliarden Gewinn machen kann ...

ALEXANDER KRAUS, 3. April 2022, 14:50 UHR

Ein weiteres Beispiel, wie Junk Science und korrumpierte Wissenschaft politisch und propagandistisch eingesetzt werden, hier von t-online:

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_91928032/erste-grosse-studie-jeder-achte-ist-offen-fuer-qanon-verschwoerung.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

SIMULANT, 4. April 2022, 14:45 UHR

Nicht das erste mal, dass die Unstatistik des Monats bzw. deren Verfasser derartig auffallen. Ich habe die Artikel eigentlich immer ganz interessiert gelesen, mich davon aber vor einiger Zeit verabschiedet - zurecht wie sich gerade mal wieder zeigt. Danke Multipolar und danke an die Verfasser des offenen Briefes für die Sachlichkeit in einer emotionalen Diskussion.

LISA MARIA LEWIN, 4. April 2022, 16:45 UHR

Emotionen statt rationale Argumente sind bei allen "Kämpfen" das, was Politiker zwingt, die ständig wachsende Bedrohungen nicht zu verharmlosen oder gar zu bezweifeln. Beispiel: Der Suchbegriff Zero-Covid liefert bei Google-Suche mehr als 1 MILLIARDE Treffer. Rational kann mir das Wort keiner erklären, oder? Beim Konflikt Russland-Ukraine kann man ebenso sehen, wer rein emotional spricht und wer rationale Interessen erlaubt. Politik mit großen Gefühlen zu erklären ist kindisch.

AXEL KLEIN, 4. April 2022, 23:15 UHR

Außer diesem Leibniz-Institut, hat ja ein weiteres den eigenen Ruf ruiniert: Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Dort war ich über 30 Jahre Mitglied. Wer versucht Kindern beim Besuch in seinem Museum den Mund-Nase-Schutz als sinnvoll zu erklären und gleichzeitig als Laborbetreiber die richtige Verwendung von Mund-Nase-Schutz und filtrierenden Atemschutzmasken seit Erscheinen der TRBA 250 2012 kennen muss, hat seine Glaubwürdigkeit verspielt. Wie sonst auch, blieb die Kritik ohne Antwort und der Austritt ohne Nachfrage.

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