Zukunftsvision Humuserde
KARSTEN MONTAG, 28. Mai 2024, 6 Kommentare, PDFMultipolar: Dem wissenschaftlichen Dienst der EU-Kommission zufolge sind bereits 75 Prozent der Landfläche der Erde durch übermäßige Nutzung, Düngung und Monokulturen geschädigt. Herr Dr. Eisenbach, Sie sind Agrarökonom und forschen seit 40 Jahren an Möglichkeiten, um der weltweit fortschreitenden Verschlechterung der Bodenqualität entgegenzuwirken. Auf Ihrem Kompostbetrieb in Kalamata im Süden Griechenlands führen Sie seit 24 Jahren Langzeituntersuchungen mit so genannter „Biozyklischer Humuserde“ durch – ein Begriff, den Sie selbst geprägt haben. Zunächst: Was ist der Grund für die Degradierung der Böden?
Eisenbach: Es existiert ein grundlegendes Missverständnis in Bezug auf die Art und Weise, wie sich Pflanzen ernähren. Seitdem die Menschheit sesshaft geworden ist, meint sie, düngen zu müssen und möglichst nur eine Kulturpflanze auf einer gewissen Fläche anzubauen. Diese beiden Methoden in Kombination mit dem Einsatz von schwerem Gerät machen jeden Boden kaputt.
Eine Pflanze, die in einem natürlichen Ökosystem wächst, ist darauf eingestellt, dass in dem Milieu, in dem sie wurzelt, so gut wie keine wasserlöslichen Nährstoffe vorhanden sind. Für die Pflanze in einem natürlichen Ökosystem ist die Wasseraufnahme etwas völlig Unabhängiges von der Nährstoffaufnahme. Deswegen hat die Pflanze auch keinen Mechanismus ausgebildet, mit dem sie selektieren kann, was sie über das Wasser aufnimmt. Alles, was im Wasser gelöst ist, nimmt sie auf. Hingegen kann sie sehr genau selektieren und sogar bestimmen, was sie aufnehmen will und muss, wenn es sich um sogenannte Festnahrung handelt. Diese Festnahrung kann sie nur beziehen, indem sie mit den Mikroorganismen des Bodens in der Wurzelsphäre zusammenarbeitet. Diese Mikroorganismen des Bodens im Bereich der Wurzeln nennen sich Rhizobiom, also das Mikrobiom in der Wurzelzone.
Die Pflanze geht sogar so weit, dass sie diese Organismen regelrecht züchtet, indem sie über ihre Wurzeln Kohlehydrate, so genannte Wurzelexsudate, die sie mithilfe der Photosynthese produziert, in den Boden abgibt. Im Gegenzug erhält die Pflanze von den Mikroorganismen die benötigten Nährstoffe. Diese Arbeit der Mikroorganismen lässt sich durch keine Art der Bodenbearbeitung ersetzen.
Wenn man der Pflanze jedoch zusammen mit dem Wasser Nährstoffe in Form von Nährsalzen, die in Tiermist, halb verrottetem Kompost oder Kunstdünger enthalten sind, verabreicht, kann sie gar nicht anders, als sie aufzunehmen. Wie wir eben gesagt haben, hat sie keinen Selektionsmechanismus ausgebildet. Wenn die Pflanze jedoch merkt, dass sie mit Stickstoff, mit Kali oder mit anderen Nährstoffen über die Wasseraufnahme versorgt wird, deaktiviert sie die ihr angeborenen Mechanismen, die auf der Kommunikation mit den Mikroorganismen des Bodens basieren. Das wiederum hat zur Folge, dass diese Mikroorganismen nicht mehr gefüttert werden und verschwinden. Das betrifft sowohl die Bakterien als auch die Pilze. Das ist die erste Stufe der Degradierung eines landwirtschaftlich genutzten Bodens.
Wenn die Mikroorganismen verschwinden, dann sinkt das Porenvolumen des Bodens. Der Boden verdichtet. Ein dichter Boden hat weniger Luft. Die Pflanze kann sich nicht mehr richtig ausbreiten. Die Wurzeln werden behindert in ihrem Wachstum. Es fangen Pflanzenkrankheiten an, und die Pflanze wird anfälliger. Gleichzeitig, bei gewissen Witterungsverhältnissen wie zum Beispiel Starkregen, ist der Boden nicht mehr wie ein Schwamm aufnahmefähig, sondern er lässt das Wasser oberflächlich abfließen, und dann entsteht Erosion. Wenn dann noch Monokulturen angebaut werden, dann geht dieser Prozess sehr rapide vonstatten. Es dauert allerdings lang, bis man ihn bemerkt. Es kann Jahrzehnte, teilweise sogar Jahrhunderte dauern, bis man beobachtet, dass das Fruchtbarkeitsniveau einer Fläche absinkt.
Diese Degradierung ist im Mittelalter in Europa deutlich geworden, als es die ersten Hungersnöte gab und die Menschen gezwungen waren auszuwandern. Erst durch die Einführung chemischer Düngung wurde der Prozess der Verarmung der Böden erst einmal gestoppt. Deshalb kann man den Forschern, die sich dem Phänomen der Nährstoffaufnahme übers Wasser intensiv gewidmet haben, keinen Vorwurf machen. Denn die Pflanzen wachsen ja, zwar unter sehr schwierigen Bedingungen, und sie werden anfällig für dies und jenes, aber die Ernährung konnte zunächst einmal sichergestellt werden. Doch jetzt zeigt sich eben, dass die Intensivierung der Düngung zu einem noch schnelleren Verfall der Bodenqualität führt.
Multipolar: Eine Lösung für die Probleme sehen Sie in der Entstehung von „Biozyklischer Humuserde“. Was ist die Voraussetzung dafür und welche Prozesse müssen durchlaufen werden?
Eisenbach: Das Ausgangsmaterial ist Phytoponisches Kompostsubstrat (PCS). Das ist ein rein pflanzlicher Kompost mit einer bestimmten Zusammensetzung, Reife und Qualität, der darüber hinaus im Gegensatz zu anderen Substratkomposten vollständig wurzelfreundlich ist. Dazu zählt beispielsweise auch, dass keine phytotoxische, also pflanzenschädliche Wirkung mehr vorhanden ist. Wir haben die Bezeichnung PCS eingeführt, da sich die Definition des Ausgangsmaterials nicht mit der höchsten Reifestufe RAL V gemäß Kompostgütegemeinschaft in Deutschland deckt. Das für uns wichtige Kriterium der Wurzelfreundlichkeit spielt im Moment bei der offiziellen Einteilung der Güteklassen eines Kompostes noch keine Rolle, weil Kompost normalerweise immer nur als Zusatz zum Boden eingesetzt wird. Wir verwenden das Kompostsubstrat bei der Humusveredelung jedoch pur.
Das hat den Hintergrund, dass es nach unserer Erfahrung einer kritischen Masse an wurzelfreundlichem Kompost bedarf, damit ein mikrobieller Vorgang im großen Stil in der Wurzelzone einsetzt, und dass es nicht zur Bildung von Humuserde kommt, wenn man unter dieser kritischen Masse liegt. Wir stellen beispielsweise PCS aus herkömmlich beziehbarem Kompost hier auf unserer Kompostanlage in Kalamata her. Dazu werden so genannte Heißrotten angelegt, deren Kohlendioxidgehalt und Temperatur permanent kontrolliert werden. Sollte Sauerstoffmangel eintreten, wird der Hügel gewendet.
Johannes Eisenbach bei der Überprüfung des Kohlendioxidgehalts im Rahmen der Herstellung von Phytoponischem Kompostsubstrat | Foto: Karsten Montag
Ist der Verrottungsprozess abgeschlossen und das ursprünglich pflanzliche Material zu wurzelfreundlichem Phytoponischem Kompostsubrat herangereift, setzt eine circa fünfjährige Veredelungsphase ein, die nach unseren bisherigen Erkenntnissen am besten abläuft, wenn wir die Natur durch Mischkulturbepflanzung und permanente Bodenbedeckung imitieren. Das Material sollte nach Möglichkeit nicht mehr dem freien Himmel ausgesetzt sein, so wie es im natürlichen Ökosystem auch der Fall ist. Und zwar deswegen, weil es sich um einen sehr differenzierten, hochkomplexen mikrobiellen Vorgang handelt, und alle mikrobiellen Organismen des Bodens UV-empfindlich sind. Ein Zusatz von Düngern oder anderen Stoffen findet nicht statt. Am Ende erhalten wir dann biozyklische, das heißt, sich selbst erhaltende Humuserde.
Multipolar: Wie viel höher ist der Ertrag mit Biozyklischer Humuserde im Vergleich zu herkömmlichen Anbaumethoden? Gibt es Erfahrungswerte?
Eisenbach: Da gibt es tatsächlich Daten. Erst einmal haben wir Erfahrungswerte, die uns zeigen, dass das Gemüse, das in diesem Prozess erzeugt wird, besser schmeckt, größer wird und erstaunlich gut wächst. Insbesondere in Athen sind Versuchsreihen bereits durchgeführt worden. Dort hat man an Süßkartoffeln und an Industrie-Tomaten Versuche gemacht mit verschiedenen Düngemethoden im Vergleich zu einer Version, bei der Biozyklische Humuserde direkt in das Pflanzloch gegeben wurde. Dabei kam heraus, dass die Erträge um das Zwei- bis Dreifache höher ausfallen, als wenn man die Pflanzen mit den bekannten chemischen Düngemitteln versorgt.
Multipolar: Wenn die Biozyklische Humuserde so viele Vorteile hat, warum wird dieses Verfahren nicht längst in großem Stil in der industriellen Landwirtschaft angewandt?
Eisenbach: Ein Grund ist, dass die Erkenntnis über die natürliche Form der Pflanzenernährung relativ jung ist. Die Forschungsergebnisse stammen aus den letzten zehn Jahren und aus Gebieten, die zum Teil gar nicht auf die Landwirtschaft fokussiert sind, wie beispielsweise der Bodenbiologie, Bodenökologie, Mikrobiologie und Biochemie. Es gibt in diesen Bereichen zwar im Moment einen exponentiellen Anstieg an Wissen, aber trotzdem wissen wir noch sehr, sehr wenig. Wir haben es immer noch mit einer Blackbox zu tun. Es ist bisher nur ein Bruchteil der im Boden lebenden Organismen überhaupt erkannt, erforscht und erfasst worden. Das System ist so komplex, dass man beim Erkenntnisgewinn nicht auf einen veränderbaren Faktor reduzieren kann.
Der zweite Grund ist ökonomischer Natur. Kompost in größeren Mengen entsteht in Kompostwerken. Ein Kompostwerk unterliegt jedoch wirtschaftlichen Zwängen. Es muss ein schneller Stoffumsatz erfolgen, es muss Umsatz gemacht werden, und je schneller das Material, das auf der Anlage erzeugt wird, wieder rausgeht, umso besser steht eine solche Anlage da. Das heißt, es besteht überhaupt kein ökonomischer Anreiz für Kompostanlagen, Material länger als sechs, sieben, maximal acht Monate zu beherbergen. Das hat dazu geführt, dass Kompost, der dann der Landwirtschaft oder dem Gartenbau zur Verfügung steht, ein sehr unreifes Material ist und deswegen auch entsprechend verwendet wird, nämlich als Bodenzusatz, als Bodenverbesserer, um organische Substanz in den Boden zu bekommen. Und das erfolgt dann eben, indem es vermischt wird im Boden.
Dabei passiert eigentlich das, was in einer Kompostmiete sowieso vonstatten geht, nämlich der Abbau organischer Substanz. Der wird dann auf dem Acker fortgesetzt. Das führt dazu, dass sich sämtliche noch im Acker befindlichen Mikroorganismen und die, die durch den Kompost dorthin verfrachtet werden, auf das Material stürzen und es innerhalb relativ kurzer Zeit völlig verstoffwechseln, mit dem Ergebnis, dass nach einem, maximal zwei Jahren, von dieser Kompostdüngung nichts mehr messbar im Boden verblieben ist. Das ist der Grund, warum wir überall dort, wo systematisch Kompost in der Landwirtschaft eingesetzt wird, beobachten müssen, dass es leider nicht zum Aufbau von Dauerhumus kommt. Und nur Dauerhumus würde den Abbau der Bodenfruchtbarkeit und die Degradierung der Böden langfristig verhindern können.
Ein weiteres Problem ist, dass Humuserde auch nur unter ganz bestimmten, naturähnlichen Bedingungen entsteht. Der Prozess muss ungefähr so ablaufen wie in natürlichen Ökosystemen. Und in natürlichen Ökosystemen beobachten wir sehr diverse Pflanzengemeinschaften, also einen hohen Grad an Biodiversität. Das müssen wir irgendwie imitieren, und in der Natur gibt es keine wasserlöslichen Nährstoffe. Wir haben durch langjährige Beobachtung festgestellt, dass sich Humuserde bildet, wenn man auf sehr reifem, wurzelfreundlichem Kompost beginnt, in Polykultur oder in Mischkultur unter permakulturellen Ansätzen Gemüse zu ziehen. Die Einhaltung der Bedingungen, die dafür notwendig sind, decken sich mit den Anforderungen der Biozyklisch-Veganen Richtlinien. Deswegen verknüpfen wir auch die Entstehung von Biozyklischer Humuserde mit dem biozyklischen veganen Anbau.
Multipolar: Biodiversität ist genau das, was der industriellen Landwirtschaft widerspricht. Mais wird beispielsweise in Monokultur in Reih und Glied angepflanzt, um mit großen Erntemaschinen geerntet zu werden. Bedeutet das, dass man Biozyklische Humuserde, die sich ja dauerhaft selbst erhalten soll, derzeit nicht in der industriellen Landwirtschaft anwenden kann?
Eisenbach: Anwenden kann man sie schon, beispielsweise indem man sie ins Pflanzloch oder in die Pflanzreihe gibt. Doch damit ein sich dauerhaft selbst erhaltender Humusboden entsteht, sind Änderungen in der Landwirtschaft nötig. Wenn man sich vorstellt, wie sich das Bild der Landwirtschaft in den letzten 50 Jahren gewandelt hat, was für eine Technik dort eingeführt worden ist, dann kann man sich auch vorstellen, dass technischer Fortschritt auch in den nächsten 50 Jahren genauso große Umwälzungen in die richtige Richtung auslösen kann.
Ich sehe grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder haben wir Menschen zukünftig durch die große Arbeitsteilung in unserem Wirtschaftssystem wieder freie zeitliche Kapazitäten, die unter Umständen sinnvoll in der Landwirtschaft genutzt werden können. Es ist absolut ernst zu nehmen, dass man wieder zehn bis 20 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt, obwohl der Trend derzeit genau in die andere Richtung geht. Derzeit sind weniger als ein Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt.
Die zweite Option wäre Technik. Ich finde gar nichts Schlimmes daran, wenn man sich vorstellt, dass später einmal Roboter mittels künstlicher Intelligenz und Satellitensteuerung in der Lage sind, in einer hoch diversen Mischkultur genau die Pflanzen zu ernten, die gerade erntereif sind. Dass man einen Roboter konstruieren kann, der über ein Hügelbeet fährt oder stolziert, kann ich mir gut vorstellen. Das ist real greifbar. Wir müssen uns nur phantasievoll von dem Bild lösen, das wir immer als gegeben ansehen.
Multipolar: Um trotz der derzeit noch ungünstigen Umstände sich selbst erhaltende Biozyklische Humuserde in größeren Mengen entstehen zu lassen, haben Sie besondere Vorgänge und Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt.
Eisenbach: Genau. Die fünfjährige Veredelungsphase ist ja, wie gesagt, aus derzeitigen betriebswirtschaftlichen Gründen in Kompostwerken nicht umsetzbar. Da das Ausgangsmaterial, das Phytoponische Kompostsubstrat, jedoch bei der Veredelung bepflanzt wird, ist eine Auslagerung in Betriebe sinnvoll, die Gemüse anbauen. Diese Betriebe nennen wir Veredelungsbetriebe. Nun ist es aber völlig unrealistisch anzunehmen, dass sich ein landwirtschaftlicher oder gartenbaulicher Betrieb es leisten kann, zwei- oder dreihundert Laufmeter Ausgangssubstrat zu kaufen, aus dem man dann Humuserde generieren kann. Denn das wäre eine Investition, die sich in der Landwirtschaft normalerweise niemand leisten würde, obwohl Humuserde keiner Düngung bedarf und trotzdem höhere Erträge ermöglicht. Dazu fehlt Liquidität, dazu fehlt Kapital, und die Landwirtschaft ist in der Regel unterkapitalisiert.
Es kommt einfach aufgrund betriebswirtschaftlicher Gegebenheiten nicht zur Entstehung von Humuserde. Es klafft da eine Finanzierungslücke. Uns wurde irgendwann klar, dass man der Landwirtschaft allein die Regenerierung der Böden nicht aufbürden kann. Dazu ist sie kapitalmäßig nicht ausgestattet. Das heißt, es muss eine Initiative entstehen, in der die Zivilgesellschaft gefordert wird, sich zu beteiligen, um diese Finanzierungslücke zu schließen. Deswegen haben wir die internationale Biozyklische Humuserde-Initiative ins Leben gerufen, deren Kerninstrument der terra plena Fonds ist.
An dem Fonds können sich Bürger, interessierte Menschen und Unternehmen als so genannte „Bodenkuratoren“ beteiligen, um den Vorgang der Auslagerung von Kompost auf die Veredelungsbetriebe zu finanzieren. Mit dieser Finanzierung entziehen wir eine gewisse Menge an Kompost, der produziert wird, der Vermarktungsgefahr als zu unreifes Material, das nicht in der Lage ist, die physikalischen Eigenschaften der Böden langfristig zu verbessern.
Das Material wird dann einem Veredelungsbetrieb zur Verfügung gestellt, und zwar umsonst. Der Veredelungsbetrieb muss lediglich die Transportkosten übernehmen. Deshalb ist es wichtig, dass Veredelungsbetriebe und die Kompostanlagen, die das Phytoponische Kompostsubstrat bereitstellen, möglichst regional nah beieinander liegen. Gleichzeitig erfolgt eine Übertragung der Eigentumsrechte des Materials an die Internationale Biozyklische-Humuserde-Allianz. Für den Veredelungsbetrieb bedeutet das, dass er im Grunde genommen Gemüse auf Leihkompost oder geleastem Kompost anbaut, da er dieses Material nicht selbst finanzieren muss. Als Gegenleistung für die zur Verfügungsstellung von Fläche und Arbeitskraft gehören ihm die Produkte, die auf dem Kompost wachsen.
Dieter Schliwa, Betreiber eines Veredelungsbetriebs in der Nähe von Kalamata vor einem Hügelbeet mit Phytoponischem Kompostsubstrat, das zu Biozyklischer Humuserde veredelt wird | Foto: Karsten Montag
Wenn das Material zu Humuserde geworden ist, kann der Bodenkurator von seinem Recht Gebrauch machen, die Anwartschaft auf das Eigentum der Humuserde in ein Lieferrecht zu verwandeln. Die Humuserde wird dann beim Veredelungsbetrieb angefragt. Es gibt eine Karenzzeit von zwölf Monaten, weil es sein kann, dass der Veredelungsbetrieb gerade etwas frisch auf dem Material ausgesät hat. Ist die Humuserde verfügbar, erfolgt die Eigentumsrückübertragung von der Allianz auf den Bodenkurator, da die Allianz nur aus Sicherheitsgründen Interim-Eigentümerin des Materials ist. Für den Bodenkurator fallen nur noch die Lieferkosten zu dem Ort an, wo er die Biozyklische Humuserde einsetzen möchte.
Multipolar: Sie bieten Ihren Investoren beziehungsweise Bodenkuratoren derzeit in Ihrem Fonds ungefähr 3.000 Kilogramm Biozyklische Humuserde für 1.000 Euro an. Die Preise für Humuserde, die man derzeit auf dem freien Markt kaufen kann, sind jedoch deutlich geringer. Für 1.000 Euro erhält man das Vier- bis 15-fache an herkömmlicher Humuserde. Wie stellen Sie sicher, dass Investoren, welche die Biozyklische Humuserde verkaufen wollen, ihre Einlagen möglicherweise auch mit einem Gewinn zurückerhalten?
Eisenbach: Das, was unter Umständen aus kommerziellen Gründen als Humuserde bezeichnet wird und vielleicht 600 Gramm pro Liter oder weniger wiegt, ist überhaupt nicht mit Biozyklischer Humuserde zu vergleichen. Diese Form von Pflanzerden, Blumenerden oder Kompostsubstraten, die am Markt vorhanden sind, haben nicht die Eigenschaften von Biozyklischer Humuserde. Sie bestehen sogar teilweise aus Hilfsstoffen wie Torf oder Kokosfaser und ähnlichem. Sie sind deswegen auch so leicht, halten sehr schön Wasser, aber haben kaum Nährstoffe zu bieten. Die älteste Biozyklische Humuserde auf unserer Versuchsanlage wiegt im Moment 1.060 bis 1.080 Gramm pro Liter.
Des Weiteren steckt in Biozyklischer Humuserde auch etwas, das in die Zukunft gerichtet ist, nämlich die schier nicht schwindende Fruchtbarkeit. Wir können im Moment ganz konkret nachweisen, dass auf unserer Anlage 24 Jahre alte Humuserde die höchsten Erträge liefert, ohne jeglichen Zusatz von irgendwelchen Düngemitteln. Alleine durch die nicht schwindende Fruchtbarkeit erfährt dieses Material jährlich eine Wertsteigerung zumindest in Höhe der nicht ausgegebenen Summe an Düngemittel. Es ist davon auszugehen, das die Fruchtbarkeit noch 20 Jahre oder länger anhält, da derzeit keine Anzeichen einer Minderung zu erkennen sind. Denn Biozyklische Humuserde ist kein Dünger. Sie ist ein Substrat, das eine Katalysatorfunktion ausübt und die Pflanze dazu bringt, sich so zu verhalten, dass sie über natürliche Kreisläufe ernährt werden kann.
Humuserde ist kein Bodenzusatz, sondern ein Bodenersatz. Man kann sich vorstellen, dass es vielleicht irgendwann einmal – das ist natürlich im Moment noch Utopie – die ganze landwirtschaftlich genutzte Fläche Meter tief, oder Meter hoch, mit Biozyklischer Humuserde versehen wird. Das wäre überhaupt nicht schlimm, sondern es wäre ideal.
Zum Interviewpartner: Dr. agr. Johannes Eisenbach ist gelernter Landwirt und lebt seit 1995 mit seiner Familie in Kalamata/Griechenland. Er beschäftigt sich seit 1982 mit dem ökologischen Landbau. Nach dem Studium der Agrarwissenschaften an der Justus-von-Liebig-Universität in Gießen leitete er am Institut für Welternährungswirtschaft eine vergleichende Studie zwischen Griechenland und der Türkei. Er promovierte zum Thema „Steigerung der Marketingeffizienz des internationalen Fruchthandels Griechenlands“. Nach fünf Jahren bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt am Main, Abteilung Wirtschaft, Landwirtschaft und Öffentlichkeit, begann er 1995 mit dem Aufbau eines Netzwerks von Bio-Erzeugern in Griechenland. Er gründete das erste Kompostwerk in Griechenland, das hochwertigen Kompost und Biozyklische Humuserde herstellt. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied im Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e. V..
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