Kubicki: Demokratiefördergesetz ist „Gefahr für die Demokratie“
14. Februar 2024Die Parteien der Regierungskoalition sind sich uneins über das geplante Demokratiefördergesetz. „Ich halte das Demokratiefördergesetz in der vorgelegten Form für nicht zustimmungsfähig, weil es nicht staatliche Aufgabe ist, ,gesellschaftliche Vielfalt‘ zu gestalten“, sagte der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki am heutigen Mittwoch auf Anfrage von Multipolar. Auch weitere Politiker seiner Partei lehnen das Gesetz ab. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) fordern unterdessen eine rasche Verabschiedung.
Paus appellierte am Montag (12. Februar) an die FDP, den Weg frei zu geben. „Es ist der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft nicht mehr zu vermitteln, warum die Beratungen im Bundestag immer noch nicht abgeschlossen sind“, sagte sie. Das Bundeskabinett hatte das Demokratiefördergesetz 2022 beschlossen, seitdem verhandeln die Parteien im Bundestag. Auch Innenministerin Faeser hatte am gestrigen Dienstag erneut darauf gedrungen, das Gesetz zu verabschieden. „Wir müssen gerade jetzt den zivilgesellschaftlichen Organisationen den Rücken stärken bei ihrer wichtigen Arbeit gegen den Extremismus.“
Dem widerspricht Bundestagsvizepräsident Kubicki: „Die Idee, politische Entscheidungsträger – in diesem Falle ein Ministerium – bestimme nach eigenem Empfinden, welche gesellschaftliche Gruppe wertvoller sei, welche gesellschaftliche Strömung schützenswerter sei, hat mit Demokratie nichts mehr zu tun.“ Er halte das Gesetz für eine Gefahr für die Demokratie, so der FDP-Politiker gegenüber Multipolar. Viele kostspielige „Demokratieprojekte“ hätten nicht dazu geführt, dass die AfD als rechtspopulistische Partei keine Chance hatte. „Im Gegenteil: Ich habe eher den Eindruck, dadurch, dass diese Organisationen ständig ihre eigene demokratische Bedeutung rechtfertigen müssen, haben diese Projekte möglicherweise vielmehr zu einer gesellschaftlichen Spaltung beigetragen.“
Scharfe Kritik übt auch der Journalist Norbert Häring. Seiner Ansicht nach solle das Gesetz „Oppositionsparteien und oppositionelle Medien bekämpfen“. Es enthalte vage bis gar nicht definierte Begriffe wie „Hass und Hetze im Netz“, „Desinformation“, „Verschwörungsideologien“, „Wissenschaftsleugnung“ und „Delegitimierung des Staates“.
Der Rechtswissenschaftler Tim Wihl machte bei einer Anhörung des zuständigen Bundestagsausschusses im vergangenen Jahr darauf aufmerksam, dass der verwendete Extremismus-Begriff wissenschaftlich nicht haltbar sei und das Grundgesetz sowie dessen Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht eine enge Definition der freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGO) nicht vorsehe. „,Von Anti-‚Extremismus‘, Anti-Radikalismus, ,Ordnungsstaat‘ oder ,von oben‘ festgelegter ,Wertordnung‘ kann als fdGO-Gehalt keine Rede sein“, so Wihl in seiner Stellungnahme für den Ausschuss.
Der Bildungsphilosoph Matthias Burchardt von der Universität Köln kritisiert gegenüber Multipolar die Grundausrichtung des Gesetzes: „Demokratie ist tatsächlich in Gefahr, sie muss allerdings eher vor ihren Rettern als vor gehbehinderten Reichsbürgern geschützt werden.“ Dazu bedürfe es einer genauen Analyse der politischen Lage im Parteien-, Medien- und Lobbystaat. „Wer den genauen Blick und die Arbeit des Begriffs scheut und der Hysterie von Parolen verfällt, kann leicht als Mitläufer in einem kulturell-informationellen Bürgerkrieg enden“, sagt Burchardt. Er selbst hatte bereits 2018 eine kritische Stellungnahme für den nordrhein-westfälischen Landtag verfasst, als dort die SPD ein solches Gesetz forderte. Zum nun geplanten Bundesgesetz sagt er: „Wahre Demokraten sollten sich dem Meinungsstreit gewachsen fühlen, anstatt Opposition zu kriminalisieren.“
Hinweis zum Urheberrecht: Multipolar-Meldungen können frei von anderen Portalen übernommen werden. Bedingung einer Übernahme ist die Nennung der Quelle und die Einbettung des Originallinks. Textliche Ergänzungen oder andere inhaltliche Veränderungen der Originalmeldung müssen durch einen separaten Hinweis an die Leserschaft kenntlich gemacht werden.