Scholz räumt Nato-Beteiligung in Ukraine ein

Bundeskanzler: britische und französische Militärs an Zielsteuerung von Marschflugkörpern beteiligt / Politiker in London empört

1. März 2024
Berlin / London.
(multipolar)

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat erklärt, dass britische und französische Soldaten an Angriffen mit Marschflugkörpern gegen russische Ziele beteiligt sind. Deutschland solle hingegen nicht so weit in den Krieg hineingezogen werden, wie die beiden Nato-Partner. „Das, was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“, erklärte Scholz laut „Spiegel“ am Montag (26. Februar) bei einer Chefredaktionskonferenz der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die Reaktionen aus London sind widersprüchlich. Die britische Regierung dementierte auf Spiegel-Anfrage die Beteiligung eigener Soldaten bei Angriffen mit „Storm Shadow“-Raketen. Der ehemalige Chef des Verteidigungsausschusses im britischen Parlament, Tobias Ellwood, kritisierte Scholz’ Aussagen in der englischen Tageszeitung „The Telegraph“ hingegen als „eklatanten Missbrauch von Geheimdienstinformationen“. Der Bundeskanzler gefährde mit seiner Aussage zudem britische Soldaten in der Ukraine.

Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im britischen Parlament, Alicia Kearns, erklärte, die Behauptungen des Bundeskanzlers seien „falsch, unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht der Verbündeten“. Der frühere britische Verteidigungsminister Ben Wallace sagte, Scholz sei der „falsche Mann, auf dem falschen Posten, zur falschen Zeit“. Maximilian Terhalle von der London School of Economics and Political Science kommentierte, es sei ein grober Fehler, geheimdienstliche Erkenntnisse der engsten Verbündeten öffentlich zu machen.

Die französische und die russische Regierung äußerten sich bislang nicht direkt zu Scholz’ Aussagen. Allerdings sei die Beteiligung von Nato-Militärs an der Zielauswahl des ukrainischen Militärs „kein Geheimnis“, erklärte kürzlich Kreml-Sprecher Dimitri Peskow. Dabei ging es um einen Artikel der Zeitung „The Times“, in welchem erklärt wurde, dass der britische Admiral Tony Radakin eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Plänen und Strategien zur Zerstörung russischer Schiffe im Schwarzen Meer gespielt habe. Der Befehlshaber der Royal Navy soll sich dazu persönlich mit ukrainischen Militärchefs und Präsident Selenskij in Kiew getroffen haben. Laut der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa seien die Angriffe auf die Schwarzmeerflotte direkt von britischen Spezialkräften gesteuert worden.

„Storm Shadow“-Marschflugkörper mit einer Reichweite von rund 250 Kilometern wurden im Mai 2023 von Großbritannien an die Ukraine geliefert. Die französische Version des Waffensystem namens „Scalp“ wurde in den folgenden Wochen ebenfalls an das ukrainische Militär übergeben. Die Marschflugkörper werden von entsprechend umgerüsteten Kampfflugzeugen des Typs „Suchoi 24“ abgefeuert. Die Umrüstungen und notwendigen Tests dazu begannen bereits im Dezember 2022.

Mit den Marschflugkörpern wurden unter anderem eine Brücke nördlich der Krim, eine Chemiefabrik in Lugansk, das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte sowie die Häfen von Sewastopol, Kertsch und Feodossija auf der Krim angegriffen. Ukrainische Verantwortliche behaupteten, bei den Angriffen mit den britischen und französischen Marschflugkörpern seien zahlreiche hochrangige russische Offiziere getötet worden – angeblich sogar der Kommandeur der Schwarzmeerflotte Wiktor Sokolow.

Die Notwendigkeit, deutsche Soldaten zur Nutzung der Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu entsenden, sei der wesentliche Grund, warum die Bundesrepublik das Waffensystem nicht an die Ukraine liefern werde, erläuterte Scholz. „Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein.“ Dies wäre eine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands gegen Russland, die dem Kanzler zufolge viele Menschen, die Taurus-Lieferungen an die Ukraine fordern, „gar nicht bewegt“. Da die deutschen Marschflugkörper eine etwa doppelt so große Reichweite besäßen wie die britischen und französischen Geschosse, bestünde zudem die Gefahr, dass die Ukraine sie gegen „konkrete Ziele in Moskau“ einsetze, warnte Scholz.

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