Abgehörte Offiziere bleiben auf ihren Posten
6. März 2024Auch fünf Tage nach der Veröffentlichung eines abgehörten Gesprächs von vier hochrangigen Luftwaffenoffizieren über Angriffe auf russische Ziele hat die Bundesregierung offiziell keine Konsequenzen gezogen. Es gebe zwar „disziplinarische Vorermittlungen gegen die Beteiligten dieser Schaltkonferenz“, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einer Pressekonferenz. (5. März) Allerdings werde er niemanden seiner „besten Offiziere Putins Spielen opfern“, betonte er.
In seiner sechsminütigen Ansprache befasste sich Pistorius schwerpunktmäßig mit den technischen Hintergründen des „Abhörskandals“. Die in dem abgefangenen Gespräch thematisierten Angriffsplanungen deutscher Offiziere auf russische Infrastruktur, thematisierte er hingegen nicht. Inwiefern diese Planungen Inhalt der disziplinarischen Untersuchungen sein werden, blieb ebenfalls offen. Der Verteidigungsminister merkte lediglich an, bestimmte Themen sollten ausschließlich auf sicheren Kanälen besprochen werden. „Wir überprüfen weiter und sensibilisieren weiter, welche eingestuften Informationen über welche Kommunikationsplattform erörtert werden dürfen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das abgehörte Gespräch kurz nach Bekanntwerden als „sehr ernste Angelegenheit“ bezeichnet, die nun aufgeklärt werde. Obwohl Scholz öffentlich die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine wiederholt ablehnte, hatten die hochrangigen Luftwaffenoffiziere den Einsatz des deutschen Waffensystems gegen russische Ziele wie die Krimbrücke detailliert geplant. Der Bundeskanzler hatte in den vergangenen Wochen regelmäßig betont, Deutschland und die Nato befänden sich nicht im Krieg mit Russland und suchten diesen mit allen Mitteln zu vermeiden.
Der frühere SPD- und Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine kritisierte, dass es inzwischen in den Händen „verantwortungsloser Hasardeure“ liege, ob Deutschland Kriegspartei werde. Er verglich die von den deutschen Offizieren geplanten Angriffe mit den Anschlägen auf die Nordstream-Pipelines. Der frühere Planungschef im Bundeskanzleramt und SPD-Bundestagsabgeordnete Albrecht Müller erklärte zum abgehörten Gespräch, die Planung einer solchen militärischen Intervention sei nach Artikel 26 des Grundgesetzes verfassungswidrig. „Eine Anklage gegen die Offiziere wäre fällig.“
Der Journalist und Buchautor Thomas Röper erläuterte: Da sich Deutschland und Russland laut Bundesregierung nicht im Krieg miteinander befinden, sage die Regierung entweder nicht die Wahrheit oder die Offiziere hätten mit den Angriffsplanungen hinter dem Rücken des Kanzlers „Hochverrat“ begangen.
Ein Kommentator des Wochenmagazins „Die Zeit“ schrieb: Einen Offizier wie Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz „lässt man nicht einfach fallen“. Den unter anderem in den USA ausgebildeten Inspekteur der deutschen Luftwaffe zu verlieren, könne „sich die Bundeswehr nicht leisten“. Auch Brigadegeneral Frank Gräfe, der das Abhören des Gesprächs durch seine Einwahl über eine unsichere Smartphone- oder W-LAN-Verbindung aus einem Hotel in Singapur offenbar erst ermöglichte, bleibt demnach im Amt. Gräfe war zuvor unter anderem als deutscher Militärattaché in Washington eingesetzt. „Nach aktuellem Kenntnisstand ist es bei dem Teilnehmer in Singapur zum Datenabfluss gekommen“, sagte Pistorius. Dies sei einerseits zwar ein „schwerer Fehler“, erklärte der Verteidigungsminister, andererseits aber lediglich ein „Zufallstreffer“ russischer Geheimdienste.
Im Fall des damaligen deutsche Marine-Chefs Kay-Achim Schönbach hatte die Regierung Scholz noch anders reagiert. Der Vizeadmiral und Inspekteur der Marine war von Pistorius’ Amtsvorgängerin Christine Lambrecht (SPD) im Januar 2022 innerhalb von zwei Tagen nach eigener Aussage zum Rücktritt gedrängt worden. Er hatte in einer vertraulichen Veranstaltung in Indien empfohlen, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „Respekt“ entgegenzubringen und darauf hingewiesen, dass Russland die Krim nicht zurückgeben werde. Die „Skandalisierung“ der Aussagen durch deutsche Medien sei damals so stark gewesen, dass Schönbach aus Sicht der Ministerin nicht mehr zu halten gewesen sei.
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