SWR: Freistellung von Moderatorin erfolgte nicht auf politischen Druck
19. April 2024Die Freistellung der Journalistin Helen Fares von ihren Moderationsaufgaben beim Südwestrundfunk (SWR) ist laut Angaben des Senders nicht auf politischen Druck erfolgt. Der SWR habe nach einem von Fares auf ihrem privaten Instagram-Kanal veröffentlichten Video, in dem sie eine App zum Boykott israelischer Produkte empfahl, eine Vielzahl von kritischen Zuschriften erhalten, teilte eine SWR-Sprecherin auf Multipolar-Anfrage mit. Unter den Kritikern befanden sich zwei CDU-Landtagsabgeordnete sowie der Grünen-Politiker Volker Beck, der den SWR-Intendanten Kai Gniffke wegen des Falls angeschrieben habe. Daraus abzuleiten, der Sender habe auf politischen Druck reagiert, sei falsch, erklärte die Sprecherin gegenüber Multipolar. „Der SWR hat ausschließlich auf der Grundlage eigener Kriterien entschieden.“
Bereits in zwei früheren Fällen, in denen es um andere Themen ging, habe der SWR die Moderatorin auf die Unvereinbarkeit ihrer privaten Äußerungen mit der Arbeit hingewiesen. Dabei habe es sich jeweils um „extrem polarisierende Äußerungen auf ihrem Instagram-Account“ gehandelt, heißt es weiter. Diese seien mit der journalistischen Unabhängigkeit und ihrer Rolle als Moderatorin des Debattenformats „MixTalk“ nicht vereinbar gewesen. „Der dritte Fall führte jetzt dazu, dass sie von ihren Moderationsaufgaben entbunden wurde“, sagte die Sprecherin. Erkenntnisse, dass Helen Fares finanzielle oder organisatorische persönliche Verbindungen zu Interessensgruppen habe, die ihre „journalistische Unabhängigkeit“ beeinflussen, liegen dem Sender jedoch nicht vor.
Fares beschreibt sich in ihren Internetauftritten selbst als „Aktivistin“. Sie setzte sich zuvor beispielsweise bereits öffentlich gegen die AfD ein und trat beim „Klimastreik“ als Rednerin auf. Beim SWR sei man sich der besonderen Verantwortung bewusst, erklärt die Sprecherin in Bezug auf weitere Mitarbeiter des Senders, die im Internet beispielsweise offensiv für das Gleichstellungsgesetz werben oder Teil des „Netzwerks Klimajournalismus“ sind. Beim SWR nehme man die aktuelle Situation um Helen Fares zum Anlass, die Redaktionen für das „Spannungsfeld“ von journalistischer Neutralität und politischem Aktivismus „erneut zu sensibilisieren“.
Helen Fares selbst verweist in einer Stellungnahme auf Instagram darauf, dass der Rundfunkanstalt vor Vertragsunterzeichnung bekannt gewesen sei, dass sie Aktivistin ist. Ihrer Ansicht nach habe der SWR im aktuellen Fall dem „Druck der Rechten“ nachgegeben. Sie blicke „besorgt“ auf die Gesamtentwicklung der deutschen Debattenkultur und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er müsse gerade jetzt Werte der Meinungsvielfalt hochhalten und vorleben, wie „man auch kontroverse Debatten respektvoll austrägt und wie man standhaft bleibt bei Hetzkampagnen“.
Nach ihrem Post, der auf der Plattform „X“ noch zu sehen ist, hatten mehrere Personen öffentlich Kritik an Fares geübt und ihr Antisemitismus vorgeworfen. Volker Beck, der langjährige Bundestagsabgeordnete und heutige Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), sagte der Bild-Zeitung: „Mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag halte ich so eine antisemitische Boykotthaltung für nicht vereinbar.“ Eine Multipolar-Anfrage an die DIG über die Hintergründe des Schreibens ließ diese unbeantwortet. Auch zwei Landtagsabgeordnete der CDU, Christian Gehring und Guido Wolf, hatten den SWR-Intendanten um Aufklärung gebeten. Der Essener Bundestagsabgeordnete der CDU, Matthias Hauer, sagte: „,Kauft nicht bei Juden’ 2.0 ist nie Aktivismus und darf es , Nie Wieder’ geben!“
Die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Sabine Schiffer, die an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Frankfurt Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit unterrichtet, verweist gegenüber Multipolar darauf, dass „man zum einen bezüglich bestimmter Themen und zum anderen bezüglich bestimmter Personengruppen empfindlicher auf Kritik von außen reagiert, als bei anderen“. Wenn Helen Fares als Aktivistin auftritt und der SWR sie mit diesem Profil beschäftigt hat, gebe es Fragen zu klären bezüglich der Ausbildung und Vermittlung von Standards. Dies betreffe insbesondere junge Leute, deren Zielgruppe man erreichen will und die beispielsweise für das öffentlich-rechtliche Angebot „Funk“ von ARD und ZDF arbeiten.
„Zum anderen gilt die Frage, wie Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden schützen, wenn es Kampagnen gegen sie gibt. Denn es trifft ja vor allem Markierte, die ausgeschlossen werden – migrantische Personen zum Beispiel –, während ansonsten die Fehlerkultur toleranter ist“, sagt Schiffer. Ein Verhalten wie das des SWR schwäche den Journalismus insgesamt, wenn man mit Blick auf Diskursmacht und Regierungslinien eher an die eigene kurzfristige Ehrenrettung denke. Dies signalisiere, dass von den Medien als kritische oder auch störende Vierte Gewalt nichts zu befürchten sei.
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