In eigener Sache: Warum Journalismus keine Verschwörungstheorie und Multipolar kein „rechtes“ Magazin ist
PAUL SCHREYER, 4. April 2024, 22 Kommentare, PDFIm Dezember 2023 erhielt unsere Redaktion eine überraschende Nachricht. Die international tätige Medienbewertungsplattform Newsguard, deren Interessenkonflikte von uns in der Vergangenheit scharf kritisiert worden waren und die nicht im Verdacht steht, besondere Sympathien für unser Magazin zu hegen, teilte uns das Ergebnis Ihres Ratings mit: 82 von 100 möglichen Punkten. Multipolar sei „größtenteils glaubwürdig“, das Magazin entspreche „weitgehend den grundlegenden Standards der Glaubwürdigkeit und Transparenz.“ Vorausgegangen war dieser Bewertung eine intensive Auseinandersetzung unserer Redaktion mit den Bewertern. Diese hatten zunächst mangelhaft recherchiert und korrigierten sich nach Hinweisen von uns. Interessant dabei: in der 16-seitigen Newsguard-Bewertung (PDF), der eine wochenlange Prüfung vorausging, taucht nirgends der Vorwurf auf, wir würden „rechte“ oder „verschwörungstheoretische“ Ansichten äußern. Auf welcher Faktengrundlage kommen Medien wie SPIEGEL und Süddeutsche nun plötzlich zu solchen Vorwürfen?
Dass die Frage nach Belegen in diesem Fall keine Petitesse ist, ergibt sich daraus, dass unser Magazin für jeden unbefangenen Leser klar als linksliberal erkennbar sein dürfte. Das Attribut „rechts“ ist sachlich falsch an der Grenze zur Lächerlichkeit. Multipolar steht für klassisch liberale und sozialdemokratische Werte wie Solidarität mit Schwachen und Ausgegrenzten, Herrschaftskritik und Meinungsfreiheit. Unser Leitbild ist eine friedliche, freie und plurale Welt, in der Menschen sich mit Respekt und Aufgeschlossenheit begegnen. Wir veröffentlichten in jüngster Zeit zu Themen wie Matriarchat, ökologische Energiewende, Klimaschutz, interviewten linke Politiker zu Ihrer AfD-Kritik, beleuchteten wohlwollend den sozialdemokratischen Ideengehalt beim Bündnis Sahra Wagenknecht und empfahlen Bücher, die etwa auf Marx rekurrieren und eine „Demokratisierung des Produktionsprozesses“ fordern. Und nun: Multipolar ein rechtes Magazin?
Noch auffälliger erscheint die falsche Einordnung vor dem Hintergrund, dass eine Bewertung unseres Magazins ja weitgehend irrrelevant für die Beurteilung der RKI-Protokolle ist. Diese Papiere, amtliche Dokumente zur Entscheidungsfindung in der Corona-Zeit, stehen für sich. Wir haben mit einer Klage vor Gericht lediglich dafür gesorgt, dass jeder sie lesen kann. Wo Multipolar politisch steht und ob wir ansonsten guten oder eher schlechten Journalismus betreiben, sollte bei Artikeln zum Inhalt der Protokolle daher eigentlich unerheblich sein. Doch es geht bei der Veröffentlichung dieser Papiere eben um weitaus mehr. Zur Debatte stehen nicht nur die Glaubwürdigkeit von RKI und Bundesregierung, sondern auch großer Teile einer Medienlandschaft, die den amtlichen Verlautbarungen jahrelang unkritisch folgte – und die eine gründliche Aufarbeitung nun wohl auch deshalb zu vermeiden versucht.
Allerdings ist auch hier Differenzierung nötig. Das falsche Framing unseres Magazins wird keineswegs von allen oder auch nur der Mehrheit der berichtenden Medien geteilt. Welt, Bild, Neue Zürcher Zeitung, Cicero, Berliner Zeitung, Nordkurier, Focus, Merkur und viele andere kommen bei Ihrer Berichterstattung ohne Wertungen wie „rechts“ und „verschwörungstheoretisch“ aus. Auch der Bericht im ZDF, der den Durchbruch in den Leitmedien brachte, war mit Blick auf Multipolar neutral gehalten. Mitherausgeber Stefan Korinth erklärte zu diesen Unterschieden in der Berichterstattung unlängst:
„Nun trennt sich die journalistische Spreu vom Weizen: Wer setzt sich in den großen Medienhäusern durch? Die echten Journalisten, die in den Protokollen recherchieren, investigativ arbeiten und der Regierung kritisch auf die Finger sehen – oder die Informationskrieger, die die Protokolle ignorieren, die Überbringer der Nachricht mit substanzlosen Kampfbegriffen attackieren und sich schützend vor die Regierung werfen? Jetzt gilt es, journalistisch Farbe zu bekennen.“
Dass der scharfe Begriff „Informationskrieger“ seine Berechtigung hat, wird klar, wenn man die negativen Wertungen von SPIEGEL und Co. auf vorhandene Belege überprüft. Multipolar fragte dazu bei mehreren dieser Medien nach. Der Spiegel, der bereits im ersten Absatz seines allerersten Artikels zum Thema in seiner Printausgabe klargestellt hatte, dass Multipolar „das Medium eines rechten Verschwörungstheoretikers“ sei, teilt uns auf unsere Nachfrage nach Belegen lapidar mit:
„Unserem Beitrag haben wir nichts hinzuzufügen.“
Der Bayerische Rundfunk lässt sich immerhin auf Ansätze einer Debatte ein. In seinem Beitrag „RKI-Protokolle: Wie Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden“ erklären die immerhin vier Autoren, dass unser Magazin „von einigen Beobachtern als verschwörungstheoretisches Blog eingeordnet“ werde und darüber hinaus „zahlreiche“ unserer Artikel die „Fakten verzerren“ würden. Auf Nachfrage schickt man uns unkommentiert drei Links zu Artikeln. Als wir nachhaken, welche Informationen in den drei genannten Artikeln denn falsch seien und warum, wird es interessant. Denn Birgit Gamböck, Co-Leiterin von BR24 digital, erklärt uns nun „drei Beispiele für verzerrte Fakten“ und zitiert dazu aus den drei Artikeln:
WHO-Pandemievertrag: „Das bedeutet eine Ausweitung der WHO-Befugnisse über Gesundheitskrisen hinaus und eine Entgrenzung ihres Mandats.“ Die Einschätzung renommierter Experten dazu ist eine andere. Ausführlich nachzulesen hier
„PCR-Tests, deren Aussagekraft für Infektionen und Erkrankungen manipulierbar und zumindest zweifelhaft ist“ Dass PCR-Tests eine Infektion mit dem Coronavirus zuverlässig anzeigen, hat u.a. die Nachrichtenagentur afp recherchiert: PCR-Tests sind zugelassen und zeigen eine Infektion mit dem Coronavirus zuverlässig an | Faktencheck (afp.com). Weitere Fakten, Aussagen von Virologen, Studien, verlinkte Recherchen und Klarstellungen dazu auch hier #Faktenfuchs: Was PCR-Tests über Corona-Infektionen aussagen | BR24
Covid-19-Schutzimpfung: „…ist in Wirklichkeit eine flächendeckende Riesenbeobachtungsstudie mit neuartigen gentechnischen Manipulationen unserer Immunsysteme.” Wissenschaftliche Einschätzung siehe Abschnitt „Kann die mRNA, auf der die Impfstoffe basieren, meine DNA verändern?“ BR
Hier schließt sich nun ein Kreis: Die RKI-Protokolle haben gezeigt, dass das alte Corona-Narrativ löchrig und in großen Teilen falsch war, während Medien wie der BR nun dem Überbringer der Dokumente vorwerfen, das alte Narrativ schon damals nicht geglaubt zu haben. Absurder geht es eigentlich kaum.
Dazu kommen Schwierigkeiten mit der logischen Unterscheidung zwischen Behauptungen und Erwägungen. Für den BR ist das, wie sich zeigt, offenbar das Gleiche:
„Einer der Multipolar-Herausgeber verbreitete die Verschwörungstheorie, dass die Pandemie angeblich geplant gewesen sei.“
Auf unsere Frage nach Belegen dafür, rudert der Sender zwar zaghaft zurück: „Die angebliche Möglichkeit der bewussten Planung wird durch eine ausführliche Herleitung in den Raum gestellt und offen gehalten.“ Unser anschließender Hinweis, dass dies etwas erheblich anderes sei, als die im Artikel gemachte Behauptung und wir daher zu einer transparenten Richtigstellung unter dem Artikel auffordern, wurde dann aber abschlägig beschieden:
„Wir sehen keinen Anlass zu einer Richtigstellung. Sie erläutern die besagte Verschwörungstheorie ausführlich auf Ihrem öffentlichen Blog und verbreiten sie dadurch. Sie erwähnen nicht, dass es keine Belege für eine Verschwörung gibt. Ihrer 'Beobachtung' widersprechende Tatsachen lassen Sie weg.“
Die Senderverantwortlichen sind also schlicht und einfach nicht in der Lage, zu unterscheiden zwischen einer unvollständig belegten Behauptung (die nicht erhoben wurde) und der (tatsächlich angestellten) Diskussion der Schlüssigkeit einer Erwägung. Letzteres ist Voraussetzung jeder Art von Fortschritt und geistiger Entwicklung, denn wo Erwägungen schon deshalb nicht mehr diskutiert werden können, weil sie (noch) nicht umfassend belegt sind, da herrscht geistiger Stillstand.
Ähnlich ist das Niveau der Auseinandersetzung bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) – immerhin jedoch des einzigen Blatts aus dem Kreis der Leitmedien, das vor der Berichterstattung Kontakt mit uns aufnahm und Fragen sandte. Im Bericht der SZ heißt es dann, Multipolar sei „eine Internetseite mit Hang zu Verschwörungsmythen“. Und auf unsere Frage nach Belegen:
„Im Rahmen der Berichterstattung haben wir uns mit einigen Beiträgen auf Ihrer Website und Ihren früheren Publikationen beschäftigt, sowie Veröffentlichungen dazu herangezogen. So beschreibt Sie etwa der Politikwissenschaftler Markus Linden in seinem Aufsatz Die Legende vom 'Konformitätsdruck', Zur zweifelhaften Kritik an der Corona-Debatte, erschienen in Merkur, Heft 7/2021, als 'vergleichsweise geschickten Verschwörungstheoretiker'. Auch der Politikwissenschaftler Werner Bührer teilt diese Einschätzung in seinem Rezensionsaufsatz Neue Literatur zu Verschwörungstheorien, erschienen in Neue Politische Literatur, Heft 67/2022. Der Autor Matthias Holland-Letz kommt in der Zeitung Neues Deutschland in seiner Rezension Ihres Buchs 'Chronik einer angekündigten Krise' vom 23.10.2020 ebenfalls zu ähnlichen Schlüssen. Darüber hinaus gibt es weitere Rezensenten, die – etwa in der FAZ – nach Lektüre Ihres Buchs 'Wir sind die Guten' von 2014 zu demselben Urteil kommen. Der Soziologe Andreas Anton zitiert Ihr Werk als Beispiel in seinem Aufsatz 'Verschwörungstheorien zum 11. September', erschienen in Soziologie des Verschwörungsdenkens, 2013.“
Der zuerst genannte Politikwissenschaftler Markus Linden ist bekannt für seine mit Regierungsmitteln geförderten kritischen Arbeiten zu oppositionellen Medien („Projekt Gegneranalyse“). Telepolis bezeichnete ihn vor wenigen Monaten spöttisch als „Indizienbeweisführungvermutungskritiker“ und erklärte, Linden arbeite sich „gegen Honorar offenbar gerne“ an regierungskritischen Medien ab und kompensiere „seinen Mangel an Analyse und wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Ideologisierung“.
Interessanter ist der zuletzt von der SZ genannte Name: Andreas Anton. Der promovierte Soziologe ist einer der wenigen hochkarätigen Forscher auf dem Gebiet der Verschwörungstheorien. Gerade erschien eine erweiterte Neuausgabe seines lesenswerten Standardwerks „Konspiration. Soziologie des Verschwörungsdenkens“, ergänzt um ein Kapitel zu Corona. Multipolar hat bei Anton nachgefragt, ob er von der SZ hier richtig interpretiert wird. Seine Antwort sollte den Redakteuren nicht nur dieser Zeitung zu denken geben:
„Der Begriff 'Verschwörungstheorie' (oder wie es heute gerne heißt: 'Verschwörungserzählung' oder 'Verschwörungsmythos') ist mehr denn je ein Kampfbegriff, der häufig genutzt wird, um Meinungen oder Personen zu diskreditieren. Angesichts der Tatsache, dass es reale Verschwörungen gibt und Verschwörungstheorien damit selbstverständlich auch wahr sein können, ist der Vorwurf, dass jemand ein 'Verschwörungstheoretiker' sei, an sich vollkommen inhaltsleer. Verschwörungstheorien können plausibel sein oder eben nicht. Pauschalurteile verbieten sich hier. Wir verwenden in unseren soziologischen Analysen zu Verschwörungstheorien eine neutrale Begriffsdefinition. Eine Verschwörungstheorie ist für uns schlicht ein Erklärungsansatz, der aktuelle oder historische Zustände oder Ereignisse als Ergebnis einer Verschwörung interpretiert. Nicht mehr und nicht weniger. Wir setzen der landläufigen negativen Konnotation des Begriffs für die wissenschaftliche Diskussion also ein neutrales Begriffsverständnis gegenüber, das keine generellen Aussagen über die Plausibilität oder den Wahrheitsgehalt verschwörungstheoretischer Deutungen macht. Das wird leider oft missverstanden. Jemanden mit Bezug auf unsere Arbeiten als 'Verschwörungstheoretiker' zu bezeichnen und damit für unseriös erklären zu wollen, ist also einigermaßen absurd.“
Anton kommt hier auf den wesentlichen Punkt zu sprechen, der in den etablierten Medien gern umschifft wird: Ob etwas als unsinnig gelten kann, ist nicht schon dadurch geklärt, dass es als Verschwörungstheorie bezeichnet wird. Denn, so Anton, Verschwörungstheorien können „selbstverständlich auch wahr sein“. Die Plausibilität ist in jedem Einzelfall zu überprüfen.
Ich selbst habe vor vielen Jahren, lange vor Gründung von Multipolar, Artikel und Bücher zu 9/11 publiziert. Nach Meinung mancher Beobachter habe ich dabei Verschwörungstheorien verbreitet. Die Terroranschläge nahm ich damals auch als Einschnitt in der Medienwelt wahr. Nach meinem Eindruck befindet sich Regierungskritik im Journalismus seit 9/11 tendenziell auf dem Rückzug. Wolf Reiser, ein journalistischer Freigeist mit Veröffentlichungen in vielen Leitmedien, drückte es vor Jahren deutlicher aus:
„Wer der offiziellen Verschwörung offen misstraute, war in absehbarer Zeit seinen Job los. Wer die Nagelprobe der abgespalteten Identität nicht bestand, konnte seine Karriere als fester wie freier Journalist beenden. Wer nicht mit den degeneriert-traumatisierten Leitwölfen mitwimmerte, war erledigt. Ab dem 12. September 2001 waren Fragen nicht mehr gefragt. Das Tabu begann seine Zaungäste zu verschlingen. Die Schizophrenie nahm Platz im Garten der Verwirrten.“
Ich selbst habe das Thema 9/11 irgendwann zu den Akten gelegt, aber aus der Art des Umgangs vieler Medien damit einige Lehren gezogen, die auch für unsere Arbeit bei Multipolar fruchtbar waren: Wir scheuen keine kontroversen Themen, sondern versuchen gerade dort tiefer und gründlicher nachzuhaken. Das können wir uns allerdings nur erlauben, weil wir leserfinanziert sind und unsere Leser diesen Journalismus wünschen und dafür auch regelmäßig spenden. Einige Beispiele:
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Multipolar berichtete im vergangenen Jahr, dass Pfizer zwei unterschiedliche Verfahren nutzte, um die Corona-Präparate herzustellen: Ein teures, das im Zulassungsverfahren zur Anwendung kam, und ein billiges, das zu verunreinigten Injektionen und einer massiv erhöhten Zahl schwerer Nebenwirkungen führte. Der so erzeugte Stoff wurde an die übrige Weltbevölkerung verimpft.
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Multipolar berichtete, wie das Statistische Bundesamt die Zahlen zur Übersterblichkeit verfälscht hat, so das Regierungsnarrativ stützte, und sich die Manipulation aus den amtlichen Rohdaten nachweisen lässt.
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Multipolar berichtete, weshalb ein Zusammenhang der Corona-Impfung zum beobachteten Geburtenrückgang, Dementis zum Trotz, wissenschaftlich plausibel ist.
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Multipolar berichtete, wie präzise und zielgerichtet amerikanische Wissenschaftler in den Jahren vor 2020 an krankmachenden Coronaviren forschten und weshalb vieles darauf hin deutet, dass die Geschichte der Coronakrise völlig neu geschrieben werden muss.
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Multipolar berichtete, was hinter dem Pandemievertrag steckt, wie fragwürdig dessen Prämissen sind und wie er aktuell unter Missachtung der rechtmäßigen Prozesse umgesetzt werden soll.
Keine dieser Recherchen verbreitet unsinnige oder absurde Gedanken. Die Texte sind nach Ansicht unserer Redaktion solide recherchiert und relevant – eben kritischer, unabhängiger Journalismus. Wer sie als verschwörungstheoretisch abtut, der macht es sich sehr leicht. Fraglich auch, ob mit diesen Begrifflichkeiten zukünftig noch viele Leser davon überzeugt werden können, sich Medien, wie Multipolar besser gar nicht erst näher anzuschauen. Unsere gestiegenen Leserzahlen sprechen jedenfalls eine andere Sprache.
Aktuell tobt die Schlacht um die Deutungshoheit über Multipolar auf Wikipedia – wo man sich dann als berichtender Medienschaffender zukünftig leicht bedienen kann, womit der selbstreferenzielle Kreis sich schließt. Anzumerken bleibt, dass geschlossene Kreise, Ausgrenzung und Abschottung die immer mehr aufbrechenden gesellschaftlichen Krisen kaum entschärfen werden. Gebraucht werden vielmehr Respekt und Dialog – auch auf Seiten der Leitmedien.
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